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Schweizer Kunstmesse: Reputation ist alles auf der Art Basel

Marathon mit fast 300 Galerien und 4000 Künstlern: Die Art Basel setzt auf XL-Formate und auf eine kleine Berliner Messe als Sidekick.

Ja, die Gelenkigkeit der Körper. Wie wichtig sie ist, demonstriert ein Morgenkreis vorm Eingang zur Art Basel. Ein Dutzend Mitmacher schwingt gerade den Kopf zwischen die Beine, man macht sich geschmeidig für einen anstrengenden Tag. Die Yoga-Session for free zieht Passanten wie Besucher jener wichtigsten europäischen Kunstmesse an – was die Art Basel nicht davon abhält, ihre Türen weiterhin erst kurz vor Mittag zu öffnen. Wer kaufen will, muss warten oder darf sich ein noch bisschen dehnen.

Flexibilität wird nämlich auch in den Ausstellungshallen erwartet. Hier gilt es, das Angebot von fast 300 Galerien zu scannen. Marlborough, Richard Nagy, Helly Nahmad, Sprüth Magers: Globale Player versammeln große Namen, monumentale Kunst und Museales. Von Genuss wagt man kaum mehr zu sprechen, eher ist es ein Marathon. An die 4000 Künstler sind präsent. Zu den Klassikern der Moderne – Picasso, Max Beckmann, Alexander Calder, Sophie Taeuber-Arp – gesellen sich junge und jüngste Positionen. Vorausgesetzt, sie erzielen gute Preise wie Alicja Kwade, Haegue Yang oder Ed Atkins, dessen digitale Figuren in der Koje von Gevin Browns Enterprise aus New York durchsichtigen Glibber heulen.

Experimente kann sich bei Kosten von durchschnittlich 70 000 Euro pro Stand keine Galerie im mittleren Größensegment mehr leisten. Doch die Reputation lässt alles dahinter verschwinden. Art Basel, das ist Lockruf und Gütesiegel: Wo sonst herrscht bereits während der VIP-Tage ein Andrang, als gäbe es den Eintritt zum Nulltarif? Die Sammler sind hier fest zum Kauf entschlossen. An die 14 Millionen Dollar für ein Gemälde der abstrakten Expressionistin Joan Mitchell vermeldet die Galerie Hauser & Wirth kurz nach Eröffnung. Für 2,5 Millionen Dollar wechselt ein Bild von Mark Bradford am selben Stand seinen Besitzer, für zwei Millionen Euro wandert eine sechs Meter lange Leinwand von Georges Mathieu aus dem Besitz der Galerie Applicat-Prazan (Paris) in die Hände eines Privatsammlers. Solche Werke lassen die Messegebühren wie ein Taschengeld aussehen. Doch leisten sich große Galerien oft einen repräsentativen Stand im teuren XL-Format, dazu oft noch einen monumentalen Beitrag im Segment „Unlimited“.

Bunte Pillen von Damien Hirst bei Gagosian

Hier stellt sich – angesichts maßgeblicher Arbeiten etwa von Mark Leckey (Gavin Brown), Inge Mahn (Galerie Max Hetzler) oder Lee Ufan (Galerie Pace) – am ehesten der Eindruck einer Ausstellung ein. Ein Film wie „Incoming“ des irischen Künstlers Richard Mosse (Galerie Carlier Gebauer) über Krieg und Flucht vermag die Besucher still auf den Bänken zu halten, 20, 30 Minuten lang. Das ist viel angesichts einer Schau, die Meter für Meter Sensationelles verspricht. Hier die dicken, mit schwarzen Punkten übersäten Riesenkürbisse der japanischen Superkünstlerin Yayoi Kusama. Dort einen von Pfeilen durchbohrten Heiligen. Sebastian von Louise Bourgeois. Bunte Pillen von Damien Hirst bei Gagosian und noch ein Bild von Joan Mitchell – von David Zwirner längst für über sieben Millionen Dollar verkauft.

Es gibt andere Namen zu moderateren Preisen. Sarah Lucas, Jana Sterbak, Fred Thieler, Rodney Graham oder Julian Charrière. Doch alle haben ihren Wert auf diesem hitzigen, nervösen Markt. Überraschendes sucht man vergeblich, Impulse geben höchstens junge Galerien wie der Kölner Jan Kaps oder Sandy Brown aus Berlin, die erstmals auf der Art Basel vertreten sind. Brown mit Aude Pariset, in deren Bett-Objekten sich diverse Insekten tummeln.

Messe-Direktor Marc Spiegler setzt auf das kleine, eigens geförderte „Statement“-Segment als Frischzellenkur. 17 Galerien sollen mit ihren Einzelpräsentationen für neue Eindrücke sorgen. Das ist nicht ohne Risiko: Die Galeristen setzen alles auf einen Künstler. Und um im nächsten Jahr erneut dabei zu sein, müssen sie eine weitere starke Position im Programm haben. Sonst bleibt es beim einmaligen Auftritt. Nachhaltige Unterstützung sieht anders aus: Statt mit einer Soloschau könnten sich die Galerien zum Beispiel mit all ihren Künstlern beweisen.

„Paper Positions“ wird freundlich in Basel aufgenommen

Spiegler weiß nur zu gut, dass sich die Art Basel verjüngen muss, um nicht zu stagnieren. Selten hat er sich im Vorfeld so nachdenklich gezeigt wie 2018, denn nie war es schwieriger für Galeristen der nächsten Generation, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Die Art Basel quillt über vor exklusiven Teilnehmern. Weiter wachsen kann sie nicht, denn keiner verkraftet mehr als 300 Galerien an einem Ort.

Vielleicht wird die „Paper Positions“ deshalb so überaus freundlich in Basel aufgenommen. Die kleine Berliner Messe, auf Kunst mit Papier spezialisiert, bringt in diesem Jahr 26 internationale Galeristen in den Ackermannshof. Nicht wenige VIP-Gäste der Art Basel nutzen bereits am ersten Tag die Gelegenheit zu einem Besuch. Die Konzentration auf zeichnende Newcomer wie Victoria Strecker (Galerie Judith Andreae) neben gestandenen Künstlern wie Andreas Schulze (Galerie maxwebersixfriedrich) und frühen Arbeiten des 20. Jahrhunderts von Franz Stuck (Kunkel Fine Art) ist eine echte Ergänzung. Nach der Hauptmesse nimmt sie sich fast erholsam aus. Die Preise starten bei knapp 500 Euro, nach oben geht es in die Hunderttausende.

Am wichtigsten aber ist die Erkenntnis, dass Basel noch Platz für Satellitenmessen mit klarem Fokus hat. Für solche, die flexibel und gelenkig für jene Sidekicks sorgen, wie jede große Messe sie braucht.

Art Basel: www.artbasel.com. Paper Positions: St. Johanns-Vorstadt 19 – 21, www.paperpositions.com

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