zum Hauptinhalt
Alles Irdische ist nur ein Gleichnis. Zeigt die Schließung der Stuttgarter Galeria-Filiale womöglich den Zustand Deutschlands an?

© imago/Arnulf Hettrich/imago/Arnulf Hettrich

Podcast wird Buch: Wie es steht um die „Lage der Nation“

Philipp Banse und Ulf Buermeyer füllen mit ihrem Polittalk große Hallen. Funktioniert das auch geschrieben?

Der Politik-Podcast „Lage der Nation“ füllt bei Live-Aufnahmen nicht nur Hallen, sondern vertreibt auch eine ansehnliche Merchandise-Kollektion. Von der Baseballkappe über den Hoodie bis zum Plüschtiger ist alles im Sortiment, womit sich ein Hörer zum Anhänger einer Sache machen kann.

Schwer vorstellbar, dass eine Sendung von Deutschlandfunk oder Inforadio solche Gefühle der Zugehörigkeit auslöst. Dabei hätte die „Lage der Nation“ durchaus in deren Sendeprofile gepasst, zumal mit Philip Banse einer der Produzenten sogar viele Jahre im Hauptstadtstudio arbeitete. Inzwischen hat er mit seinem Co-Host, dem Juristen Ulf Buermeyer, ein kleines Unternehmen um den Podcast herumgebaut, sieben Mitarbeiter listen sie auf ihrer Website.

Auch das Format „Geschichten aus der Geschichte“ schaut auf eine beachtliche Entwicklung zurück. Seit 2015 springen die studierten Historiker Daniel Meßner und Richard Hemmer durch die Jahrhunderte. Ihre Folgen handeln mal von der Entdeckung des Voynich-Manuskripts, mal vom Wettlauf zum Nordpol, mal von einer Anal-Fistel-Operation des französischen Königs Louis XIV.

Anfangs war das Projekt als Hobby zweier Freunde gedacht, inzwischen bestreiten die beiden ihren Lebensunterhalt mit dem Podcast. Die Finanzierung basierte bislang wie auch bei der Lage der Nation auf Spenden, Abo-Modellen und Werbung. Nun kommt noch ein Distributionskanal dazu.

Das Logo ist dabei

Denn beide Duos veröffentlichen dieser Tage ihre ersten Bücher. Meßner und Hemmer bleiben ihrem Konzept treu und erzählen in zwanzig Kapiteln neue Geschichten aus der Geschichte. Banse und Buermeyer lösen sich in „Baustellen der Nation“ von der Aktualität der Nachrichten und beleuchten eingehender wiederkehrende Themen ihres Formats, dessen Logo gut erkennbar auf dem Cover prangt. Ersichtlich handelt es sich um ein „Buch zum Podcast“. Was taugt diese neue Gattung?

Auf den ersten Seiten bereits fällt auf, dass man beim Lesen gleich die Stimmen der Macher im Kopf hat. Das ist erkennbar so gewollt. Die Autoren wenden sich direkt an ihre Leserschaft, Banse und Buermeyer duzen sie sogar. In der Podcast-Branche ist das üblich, geht es doch eben darum, die Hörerschaft über eine persönliche Bindung bei der Stange zu halten. Und bei Meßner und Hemmer, die keine politischen Botschaften vermitteln wollen, stört es auch nicht weiter, wenn sie am Ende der Einleitung ganz jovial mit ihren Vornamen zeichnen.

Anders verhält es sich mit dem betont lockeren Ton, in dem die Lage-der-Nation-Macher durch einige der drängendsten Probleme der deutschen Gegenwart führen. Themen wie die Schuldenbremse oder die marode Infrastruktur, Digitalisierung, Bahn-Misere, soziale Ungleichheit oder Rentensystem werden zwar sorgsam recherchiert, aber eben auch in einem oftmals ranschmeißerischen Stil präsentiert. Wenn die beiden den Lesern Spartipps fürs Alter geben oder erwähnen, wie missbilligend Finanzminister Christian Lindner beim Interviewtermin auf ihre Kleidung reagiert hat, laden sie dazu ein, mit ihnen am Stammtisch zu sitzen.

Persönlich genommene Politik

Was im locker geführten Podcast nicht so recht auffällt, zeigt sich gedruckt doch sehr deutlich: Die „Lage der Nation“ wirbt dafür, Politik persönlich zu nehmen, was vor allem dadurch gelingt, dass man sich mit den Hosts und ihren Positionen identifizieren kann.

Das Buch markiert einen somit weiteren Schritt in Richtung des politischen Influencertums. Wäre es nicht von Banse und Buermeyer verfasst, käme einem der Ehrgeiz, all die angeführten Herausforderungen im Schnelldurchlauf abzuhandeln, doch etwas vermessen vor.

So aber gibt es wenig zu meckern. „Baustellen der Nation“ ist eben für Fans gedacht, für Hörer, die noch mehr von ihren Idolen haben, lesen, konsumieren wollen. Das ist kein Makel, darf man doch froh sein, dass sie und keine zwei Wirrköpfe Deutschlands erfolgreichsten Politik-Podcast betreiben. Ihre grundsoliden, leicht links der Mitte zu verortenden Haltungen sind im Gegenteil Balsam für all jene, die sich wegen des Erstarkens populistischer Positionen sorgen.

Schade hingegen, dass die Geschichten aus der Geschichte beim Lesen nicht ansatzweise so viel Freude bereiten wie beim Anhören. Das liegt nicht allein daran, dass Meßner und Hemmer keine geübten Autoren sind, sondern vielmehr an der Schlüssigkeit ihres Original-Formats. Sie bieten mit ihrem Podcast Bildung, Unterhaltung und wohligen Eskapismus zugleich.

Zumindest das letzte, entscheidende Erfolgsrezept kommt in ihrem Buch nicht recht zur Geltung. Es ist eben etwas Grundverschiedenes, sich etwas erzählen zu lassen, als selbst zu lesen. Ein konzentriertes Studium erfordern die hier versammelten kurzen Streifzüge durch die Epochen ohnehin nicht. Die Publikation ist mithin weniger ein Buch zum Podcast denn Werbung für das Originalformat. Das immerhin sei wärmstens empfohlen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false