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Michelle Yeah ist für ihre Hauptrolle in der Fantasy-Komödie „Everything Everywhere All At Once“ für einen Oscar nominiert.

© David Bornfriend/Leonine/dpa

Hollywood und die Oscars: Versöhnung mit dem Publikum

Sonntagnacht gehört erstmals ein deutscher Film zu den großen Oscar-Favoriten. Die kriselnde Gala schmückt sich dieses Jahr auch mit Erfolgen an den Kinokassen.

Von Andreas Busche

Vielleicht muss die Academy of Motion Picture Arts and Sciences Will Smith sogar ein klein wenig dankbar sein – getreu dem Motto der Unterhaltungsindustrie: Lieber schlechte Publicity als gar keine. Natürlich wäre es auch der Academy als Ausrichter der jährlichen Oscar-Verleihung lieber, wenn andere Bilder Schlagzeilen machen als eine Ohrfeige auf der Bühne der wichtigsten Veranstaltung der US-Filmbranche. (Erinnert sich hingegen noch jemand an den „besten Film“ des vergangenen Jahres?)

In der anhaltenden Krise der Oscar-Gala, deren Einschaltquoten im Fernsehen jedes Jahr weiter sinken, weil das „woke“ Hollywood heute angeblich am Geschmack des breiten Publikums vorbei produziere – vor 25 Jahren räumte ein „Titanic“ noch elf Oscars ab –, könnte sich die Zeremonie in der Nacht zum Montag aber als Wendepunkt erweisen.

Auch die „Avatar“ und „Top Gun“-Sequels sind nominiert

Laut dem Branchenblatt „Variety“ haben die zehn Nominierten in der wichtigsten Kategorie „Bester Film“ im Schnitt gut 160 Millionen Dollar eingespielt; entscheidend dazu beigetragen haben zwar die Blockbuster „Avatar 2: The Way of Water“, „Top Gun Maverick“ und „Black Panther: Wakanda Forever“. Aber eben auch der Indie-Hit „Everything Everywhere All at Once“, der mit elf Nominierungen im Oscar-Rennen längst zum Favoriten avancierte.

Und bei der Rechnung ist noch nicht mal der deutsche Überraschungskandidat „Im Westen nichts Neues“ dabei, der laut Netflix weltweit über 150 Millionen Stunden gestreamt wurde. Die Chancen stehen also nicht so schlecht, dass am Sonntag ein Film ausgezeichnet wird, der nicht nur im Arthouse-Kino des Vertrauens zu sehen war. (Dafür möglicherweise aber, wieder mal, bei einem Streamingdienst.)

Alle gucken Sonntagnacht auf „Im Westen nichts Neues“

Die sensationellen Zahlen für die „Avatar“- und „Top Gun“-Sequels haben unmittelbar mit der Pandemie zu tun, der Sehnsucht nach großem lautem Eskapismuskino – ob auf Pandora oder in Multiversen, in denen Menschen Wurstfinger wachsen. Die Oscar-Show am Sonntag bietet von all dem viel, selbst die Liste der Musik-Acts liest sich wie eine Halbzeit-Show beim Superbowl: Lady Gaga, Rihanna, David Byrne sowie die indischen Superstars NTR Jr. und Ram Charan mit ihrer Tanznummer aus dem Bollywood-Spektakel „RRR“.  

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Die Augen richten sich natürlich auch auf Edward Bergers „Im Westen nichts Neues“, der viele Kriterien für deutsche Filme erfüllt, die in Hollywood traditionell Erfolg haben. Beim „Best Picture“ tendieren die inzwischen gut 10.000 Academy-Mitglieder zwar zu eher leichten Stoffen, nicht zu Schützengräben. (Im vergangenen Jahr gewann diesen Preis übrigens die Tragikomödie „Coda“ über eine gehörlose Familie.)

Auch wenn die Netflix-Produktion am Ende vermutlich die wenigsten der neun Nominierungen in eine Goldstatue verwandeln kann, ist „Im Westen nichts Neues“ ein einmaliger Erfolg für den deutschen Film, der es schon Budget-technisch in technischen Kategorien wie „visuelle Effekte“ oder „Szenenbild“ nicht mit Hollywood aufnehmen kann. Dafür geht er in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ als Favorit ins Rennen.

Was den sich selbst auferlegten Gesellschaftsauftrag angeht, hat Hollywood allerdings noch viel Arbeit vor sich. (2023 jährt sich auch der 50. Jahrestag der historischen Oscar-Rede von Sacheen Littlefeather, in der sie die Darstellung der indigenen Bevölkerung in Hollywood kritisierte.) Zwar ist „Everything Everywhere All at Once“ ein weiterer Erfolg für asiatisch-amerikanische Filmschaffende.

Mit Sarah Polley hat es aber nur eine Regisseurin unter die zehn Nominierten für den besten Film geschafft – nicht hingegen für die Regie ihres MeToo-Dramas „Die Aussprache“. Angela Bassett und Brian Tyree Henry sind als einzige afroamerikanische Talents nominiert, in Nebenrollen. Erst im kommenden Jahr tritt der „Academy Aperture 2025“-Standard in Kraft, der neue Diversity-Vorgaben für die Kategorie „Bester Film“ einführt. Bis dahin muss Hollywood noch etwas Nachhilfe nehmen.

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