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Die 23-jährige Berliner Musikerin Anica Russo nahm 2022 am deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest teil.

© JONAS HUCKSTORF

Große Popmusikträume: Anica Russo singt bei der Fête de la Musique

Sie hatte schon einen Vertrag mit Universal Music und ging dann doch lieber eigene Wege. Porträt der Musikerin Anica Russo, die am Mittwoch in Berlin bei der Fête de la Musique spielt.

Es gibt diese Momente, von denen man rückblickend weiß: Hätte ich mich damals anders entschieden, mein Leben wäre heute ein anderes. Einer dieser Momente ereignete sich, als Anica Russo gerade 15 war. Damals ist ein Scout von „The Voice Kids“ auf die junge Sängerin aus einem Dorf bei Oldenburg aufmerksam geworden. Aber Anicas Traum sieht anders aus. „Ich habe mir relativ früh in meinem Leben gesagt, dass ich bei keiner Casting-Show mitmache“, sagt sie. Deswegen ihre Antwort: nein, danke.

Anica Russo ist mittlerweile 23 Jahre alt. Sie wohnt nicht mehr auf dem Dorf, sondern in Berlin. Die Musikerin sitzt vor einem Café am Mehringdamm und erzählt von der folgenschweren Entscheidung. Ihre grünen Augen fixieren ihr Gegenüber freundlich. Sie bilden einen Kontrast zum kupferroten Haar, das ihr in Zöpfen auf die Schultern hängt. „Ich hatte schon immer den riesengroßen Traum, Sängerin zu werden“, sagt sie. Paradoxerweise war es diese Absage, die ihr die Tür zur Welt der professionellen Musik öffnete.

Erste Gitarre zu Weihnachten

Ihrem Traum wird sie am Mittwoch bei der Fête de la Musique ein weiteres Kapitel hinzufügen. Auf circa 200 Bühnen in Berlin finden rund 600 Konzerte statt. Längst eine Tradition, es ist das 29. Musikfest zur Sommersonnenwende. Eine der vielen Bühnen steht am Neptunbrunnen in Mitte. Dort wird Anica Russo um 20.15 Uhr für 45 Minuten ihre Pop-Songs singen. Kostenlos. Das hat für sie eine ganz eigene Qualität, die ihr noch von ihrer Zeit als Straßenmusikerin in Oldenburg vertraut ist, wie sie sagt. „Wenn die Leute stehen geblieben sind, war das direkt ein Gefühl: wow, wie cool.“

Ihre erste Gitarre hat sie mit vier Jahren von ihren Eltern zu Weihnachten geschenkt bekommen. Die Mutter ist Italienerin, der Vater Kroate, ihren Namen spricht man mit „z“, also „Aniza“. Als sie mit zwölf anfängt, Videos auf YouTube hochzuladen, wollen die beiden nicht, dass sie dafür ihren richtigen Namen verwendet. Daher wählt sie als Künstlerinnenname den Mädchennamen ihrer Mutter, Russo.

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2015 wird der Scout der Casting-Show im Internet auf sie aufmerksam. Er akzeptiert ihre Absage, will aber dennoch mit ihr zusammenarbeiten. „Jackpot“, sagt Anica Russo und lacht. Über ihn lernt sie ihre ersten Produzenten kennen. Mit 18 und dem Abitur in der Tasche verlässt sie ihre Heimat, kommt in die Hauptstadt – und unterschreibt bei Universal. Ein Riesending für sie, klar. Aber beim Label habe man auch von ihr erwartet, Songs aufzunehmen, die sie mit 15 geschrieben habe, erzählt sie. Glatten Pop, vornehmlich für Heranwachsende.

Nach zwei Jahren möchte sie andere Dinge ausprobieren. Also trennt sie sich im Guten von Universal und versucht es „independent“. Ihre Musik wird dunkler, sie packt auch mal Rock-Anklänge hinein. Gleichzeitig macht die Musikerin keinen Hehl mehr aus ihrem Glauben. „Der gehört einfach zu mir“, erklärt sie. Schon als Kind hat Anica Russo bei den allwöchentlichen Kirchenbesuchen mit der Familie gesungen.

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Deswegen ist es auch kein Wunder, dass sie sich für den deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest 2022 ein kirchlich geprägtes Lied aussucht. Mit „Once Upon A Dream“, eine leicht sonderbare Ballade im Walzertakt, wird sie Sechste von acht Teilnehmenden. Für die Musikerin dennoch ein Erfolg, wie sie sagt. Sie habe den Auftritt so gestalten können, wie sie sich das vorgestellt habe.

Nun also die Fête de la Musique. Nach den Corona-Jahren genießt es Anica Russo, wieder live singen zu können. Das ist für eine unabhängige Künstlerin wie sie lebensnotwendig. Nicht immer ein einfaches Dasein, wie sie erklärt: „Es bedeutet viel Pasta mit Pesto, aber solange ich machen kann, was ich liebe, fühle ich mich unglaublich dankbar.“

Viele junge Menschen wünschen sich dieses Leben, das weiß Anica Russo. Bei ihren Auftritten sagt sie ihnen: „Träumt groß und glaubt an eure Träume.“ Man dürfte noch anfügen: Wenn jemand von „The Voice Kids“ anruft, sagt ruhig mal nein. Es könnte die Absage werden, die ein Leben für immer verändert.

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