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Claude Monet, London 1903. Aus der Serie „Waterloo Bridge“

© Google_Art_Project/Claude Monet

Folge 170 „Wochniks Wochenende“: Künste und Klima

Die Kunst ist schon immer ein sensibler Fühlerapparat, der noch der feinsten gesellschaftlichen Erschütterungen registriert – und dem es lohnt, zuzuhören, meint unser Autor.

Eine Kolumne von Thomas Wochnik

Dass die schönen Künste Schönes abliefern und sich ansonsten aus den Dingen raushalten sollen, ist eine der sonderbarsten Erwartungen der l’art pour l’art Anhänger. Dennoch zieht sie sich ebenso durch die Kunst- und Musikgeschichte, wie die offensichtliche Unmöglichkeit – und der Unwille – der Künste, diese Erwartung zu erfüllen. So ist es auch mit der Klimakrise. Nicht erst seit kurzem thematisieren Künste die zerstörerischen Eingriffe des Menschen in die Natur.

Landschaftsmaler, die vielleicht gar nicht auf der Suche nach Kontroversen Sujets waren, malten von Anfang an Bilder der Industrialisierung, die ihnen ihre Landschaften verunstaltete – etwa Claude Monets um 1900 entstandene Serie „Waterloo Bridge“ (Bild oben). Nur wenig später zogen Maschinengeräusche und Sirenen in Form der berühmten Intonarumori in die Musik von Luigi Russolo und Edgar Varése ein.

Als um 1970 aus der Land Art der Sechzigerjahre die kritische Ecological Art hervorging, gründete parallel der Komponist R. Murray Schafer im kanadischen Vancouver das „World Soundscape Project“, das fortan unzählige Musikschaffende für Naturgeräusche sensibilisieren sollte. Knapp zehn Jahre lang hatte er sich da bereits mit der von ihm erdachten Disziplin „Acoustic Ecology“ beschäftigt, die sich mit dem Einfluss der Zivilisation auf natürliche Klangumgebungen – und mit ihrem Verschwinden – befasste.

Mit der Ecological Art und gerade aufkommender ökofeministischer Kunst hatte das Projekt gemein, dass hier nicht mehr in lokalen Problemzonen gedacht wurde, sondern schon so etwas wie die Allverbundenheit von Mensch und Umwelt, worin sich die globale Klimakrise, wie wir sie heute vor Augen haben, bereits ankündigte – lange, bevor der Begriff öffentliche Debatten erreichte.

Es ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel, dass die Künste gesellschaftliche Entwicklungen vorwegnehmen, sei es, weil ihre Sujets betroffen sind, wie bei Monet, oder ihre Arbeitsbedingungen. Ein Großteil der Künstler:innen weltweit arbeitet in prekären Verhältnissen, und prekär lebende Menschen sind die ersten, die von Veränderungen betroffen sind. Im Gegensatz zu den meisten prekär Lebenden, haben Künstler:innen aber eine öffentliche Stimme. Außerdem – darüber kann man von Fall zu Fall durchaus streiten – sind Künstler:innen von Berufswegen für feine Intuitionen, Ängste und Zweifel sensibilisiert – für all das also, was wir im Allgemeinen gerne verdrängen bis es brenzlig wird.

„Time To Listen“ titelt nun die Akademie der Künste ihr Festival zum Thema „ökologische Krise in Klang und Musik“, das eine Ausstellung, Konzerte, Workshopprogramm, Klanginstallationen und Soundwalks, ein Symposium, Präsentationen und mehr umfasst. Und ein beachtliches Aufgebot an teilnehmenden Künstler- und Forscher:innen, die keinerlei Absicht zeigen, sich aus irgendetwas rauszuhalten, stattdessen klingende Dokumente der sich ausbreitenden Wüste Marokkos abgeben, des Planktons im Baltikum oder der verstörenden Realität von Massentierhaltung.

Persönliches Highlight: In Arnold Dreyblatts „Kill The Light“ wird dem Gebäude am Hanseatenweg für 24 Stunden der Strom gekappt. Durch diesen energiekritischen Zustand gibt es Führungen mit künstlerischen Interventionen von u.a. Malte Giesen, Hanna Hartman, Bjørn Melhus und Iris ter Schiphorst.

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