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Adam (Tawfeek Barhom) in Die Kairo Verschwörung von Tarik Saleh

© Atmo / X Verleih

„Die Kairo-Verschwörung“ im Kino: Eine Intrige im Zentrum des politischen Islam

Im Spionage-Thriller „Die Kairo-Verschwörung“ ist die Al-Azhar-Moschee Schauplatz eines Komplotts. Der schwedische Regisseur Tarik Saleh gilt in Ägypten als Persona non grata.

Vom Minarett der Al-Azhar-Moschee hat man nicht nur einen exklusiven Blick auf das Stadtzentrum Kairos, sondern auch in das Herz der islamischen Welt, auf über tausend Jahre frommer Gelehrsamkeit – und mitunter auf einen Mord. Er ereignet sich unter den Augen von Adam (Tawfeek Barhom), Sohn eines Fischers, der aus der Provinz an diesen „Leuchtturm“ der islamischen Wissenschaften berufen wurde. Als kluger, scheuer, junger Mann steht er also auf dem Turm und sieht, wie tief unter sich sein Freund erschlagen wird. Die Leiche lassen die Täter auf dem Marmorboden zurück. Als Warnung.

Der gewaltsame Tod des einzigen Menschen, zu dem Adam in dem von starren Regeln beherrschten Universitätsalltag aus Lehre und Gebeten Vertrauen gefasst hatte, zieht den Koranschüler in eine politische Intrige hinein, über deren Ausmaß er sich lange keine Vorstellung macht. Er, der Junge von der Küste, fühlte sich „auserwählt“ von den Azhari, die das geistige Zentrum Ägyptens bilden; und nun muss er um sein eigenes Leben fürchten.

Ein gutes Gespür für religiöse Autorität

Mit „Die Kairo-Verschwörung“ hat der schwedische Autor und Regisseur Tarik Saleh nach „Die Nile-Hilton-Affäre“ von 2017 einen weiteren klassischen Polit-Thriller im arabischen Raum gedreht; er setzt auch seine Zusammenarbeit mit dem libanesisch-stämmigen Landsmann Fares Fares fort. Wie bei Filmen dieses Genres üblich, sind sie besser, je weniger originell sie sein wollen. Tief einzutauchen in eine ebenso verschlossene wie rätselhafte Institution, in deren Kulissen erbitterte Machtkämpfe toben, entspricht den Genre-Konventionen vollauf.

Der Reiz von Salehs Schauplatz besteht darin, dass die Al-Azhar-Universität mit ihrer in graue Gewänder und rote Kappen gekleideten männlichen Studentenschaft nicht wie das Pentagon, das Weiße Haus oder andere westliche Institutionen für glanzvolle Deep-State-Fantasien taugt. Macht wird im Schatten eines autokratischen Regimes wie am Nil anders geformt. Und dafür interessiert sich Saleh mit einem guten Gespür für Autorität. Mit Handkamera, rohem Licht und Ton folgt er der Verschwörungsgeschichte in die Hinterzimmer hinein, durch verwinkelte Gassen und bis hinauf zu jener Plattform des Minaretts, die zu betreten jedes Mal eine neue Wendung bringt. Das verstärkt den Effekt, es mit einer schonungslosen Dynamik zu tun zu haben, die vom Machtkampf von Innenministerium, Geheimdienst und religiöser Elite angetrieben wird. Was kann der unbedarfte Neuling Adam ihr entgegensetzen?

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Auslöser ist der unerwartete Tod des Großimams, der einen Machtkampf um seine Nachfolge in Gang setzt. Obwohl die Universität sich ihr Oberhaupt selbst gibt, will die Regierung einen speziellen Kandidaten ins Amt gehoben sehen, um den sozialen Frieden im Lande zu wahren. In einem Staat, in dem das Porträt des Präsidenten allgegenwärtig ist, der aber die Religionsführer braucht, um für Zusammenhalt zu sorgen.

Ein neuer Großimam wird dem Hintergrund installiert

So gerät Adam ins Visier des Geheimdienstlers Ibrahim, den Fares Fares mit dem verlotterten Charme eines übergangenen Insiders spielt. Ein bisschen schwermütig, ungekämmt und langsam, aber zur rechten Zeit zur Stelle und skrupellos. Natürlich hat dieser Ibrahim auch mit einem Vorgesetzten zu kämpfen, der mit Brutalität weiter zu kommen glaubt als er, der Adams Aufstieg zu einem Assistenten des vermeintlichen nächsten Großimams aus dem Hintergrund steuert.

Welches Schicksal einem Informanten des Geheimdienstes blüht, hat Adam von seinem Turmplatz aus erlebt. Allah habe ihn mit mehr Verstand gesegnet als ihm guttue, waren die Abschiedsworte seines Vaters gewesen. Aufgenommen in den Orden der Azhari führt der Fischersohn zunächst ein unscheinbares Leben in engen Schlafsälen, schärft seinen Verstand an den Reden der Imame, die den rechten Glauben lehren, manchmal in Hörweite voneinander, sodass sich spannende Duelle der Koranauslegung entwickeln. Adam versucht nicht weiter aufzufallen. Der ideale Verräter?

Religiöse Kräfte wollen Beblawi (Jawad Altawil) zum nächsten Großimam machen.

© Atmo / X Verleih

Seine Lust am intellektuellen Disput hat Regisseur Saleh offenkundig von Arthur Koestlers Stalinismus-Roman „Sonnenfinsternis“ und von „Der Namen der Rose“ entliehen, wo ebenfalls in klösterlicher Strenge um die Deutungshoheit einer heiligen Schrift gerungen wurde. Und was war das für eine Entdeckung 1986, einen mittelalterlichen Polit-Thriller präsentiert zu bekommen, der sich auf dem Niveau der postmodernen Diskurskultur bewegte und das christliche Verbot des Lachens vor Gott mit Aristoteles‘ verschollener Komödientheorie verknüpfte!

Für Regisseur Tarik Saleh ist es in Ägypten zu gefährlich

Von „Die Kairo-Verschwörung“ geht ein ähnlicher Reiz aus, wobei der im Vergleich zum Christentum jüngere Islam dieselben Themen nun in der arabischen Gegenwart behandelt. „Der Koran verbietet Gesang“, heißt es einmal, als Adam eine Sure zu sinnlich rezitiert. Wie man es richtig machen muss, klärt ein Rezitationswettbewerb, den Adams Freund zwar gewinnt, aber um den Preis, von einer Clique konspirativer Muslimbrüder in die Flucht getrieben zu werden.

Dazu muss man wissen, dass Salehs Großvater als erster seiner Familie an der Al-Azhar-Universität studieren durfte. Der Regisseur kann – oder besser: sollte – jedoch nicht mehr nach Ägypten einreisen, seit er die Korruption in dem Land in „Die Nile-Hilton Affäre“ thematisierte. Mit dem Nachfolgefilm zieht der in Schweden geboren und aufgewachsene Saleh die Konsequenz aus der enttäuschten Liebe zur Heimat seines Vaters.

„Die Kairo-Verschwörung“ würde als Thriller allerdings nicht funktionieren, könnte er dem Islam nicht auch etwas abgewinnen. Salehs eigentliche Leistung besteht darin, die Rivalitäten der Azhari nicht als obskure Diadochenkämpfe, sondern als Ringen um Redlichkeit zu inszenieren. In seinem Drama gibt es Menschen mit Haltungen und Menschen mit Schwächen, Gewinner und Verlierer. Wenn der Held am Ende auf die Frage „Und was hast du gelernt?“ keine Antwort weiß, heißt das nicht, dass es sie nicht gibt. Die Antwort ist der Film selbst.

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