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Möchtegern-Philosoph Phil Knight (Ben Affleck) hat sein Nike-Imperium auf den Grundlagen des Buddhismus errichtet.

© Courtesy of Prime/Warner Bros.

„Air: Der große Wurf“ im Kino: Der Schuh, der Michael Jordan zur Marke machte

Regisseur Ben Affleck erinnert an den Moment, als Basketball ein popkulturelles Phänomen wurde. An der Sportart selbst zeigt seine Komödie aber nur wenig Interesse.

Von Andreas Busche

Verfilmte Aktienkurse sind allenfalls interessant, wenn kulturelles Kapital im Spiel ist. Dramaturgisch erweist sich die unternehmerische origin story – Steve Jobs mythenumwobene Garage im Silicon Valley, Mark Zuckerbergs Incel-Studentenbude in Stanford – meist als ergiebiger als der spätere Börsengang: Das Kino liebt die Underdogs, nicht die dubiosen Kapitalisten, zu denen sie später werden.

Darum klingt ein Film über die Marketingkampagne eines Schuhs zunächst nach einer abwegigen Idee. Zumal die Geschichte hinter dem Nike Air Jordan bereits vor drei Jahren in unser aller Lieblings-Pandemie-Bingewatch „The Last Dance“ über die Karriere von Michael Jordan umfassend erzählt worden ist; produziert hatte die Personality-Serie der Basketball-Millionär höchstpersönlich.

Sport trifft auf Popkultur

Ben Afflecks fünfte Regiearbeit „Air: Der große Wurf“ will aber auch weniger Sportkomödie sein, sondern vor allem ein Film über eine Markenwerdung. Selbst Michael Jordan bleibt letztlich nur eine Randfigur, den gesamten Film über gibt es den damals 21-Jährigen kurz vor seinem Profi-Debüt 1984 nur in der Rückansicht. Eine kluge Entscheidung, um die Legende nicht zu banalisieren.

Die eigentlichen Hauptrollen sind in „Air“ Anzugträger (CEOs, Agenten, Sportvermarkter) – und eine protektive Mutter (Viola Davis, auf Wunsch von Jordan engagiert), die sich auf die „Art of the Deal“ versteht und dafür sorgt, dass ihr Junge nicht von ein paar Weißen über den Tisch gezogen wird. Matt Damon spielt den „Basketball-Guru“ Sonny Vaccaro, der das stagnierende Joggingschuh-Imperium von Phil Knight (der Regisseur selbst mit Minipli-Perücke) als neue Zeitgeist-Ikone entwickeln soll. Der passionierte Zocker will dafür das gesamte Marketingbudget auf einen Namen setzen – auf den Newcomer Michael Jordan.  

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Des Dilemmas, dass ein Film über den Sportkapitalismus der 1980er Jahre – als Sport und Popkultur zum profitablen Unterhaltungszirkus verschmolzen – primär eine weiße Geschichte ist, sind sich Affleck und sein Autor Alex Convery immerhin bewusst. Schließlich war Nikes größter Konkurrent auf dem Sportschuhmarkt – und um die Gunst des kommenden Superstars Michael Jordan – damals ein Nazi-Profiteur namens Adolf. Barbara Sukowa hat einen großartigen Kurzauftritt als Adidas-Matriarchin, die sich ihrerseits in Scharmützel mit den Anzugträgern in ihrem Konzern verwickelt.

Die gute alte Basketball-Ära

Die 1980er waren in Amerika die Zeit der großen Markenkriege: Apple gegen IBM, Coca Cola gegen Pepsi, Adidas gegen Nike. In „Air“ wird auch der Mythos weiter gesponnen, dass die Kooperation von Nike mit Michael Jordan eine Reaktion auf den Hip-Hop-Hit „My Adidas“ von Run DMC gewesen sein soll. Der kam allerdings erst ein Jahr nach der Veröffentlichung des Schuhs raus – als Nike mit dem Air Jordan bereits 162 Millionen Dollar Umsatz erzielt hatte. Turnschuhe waren das neue Statussymbol unter Jugendlichen.

Affleck kokettiert mit dieser popkulturellen Aufladung seines „Wirtschaftsthrillers“, der zu einem nicht geringen Teil aus Board-Meetings, Telefonaten und Autofahrten besteht. Gleich die Eröffnungsmontage zwischen Ridley Scotts Apple-Werbespot beim Superbowl, Zauberwürfel-Hype und Cornflakes-Packungen mit Sportlergesichtern stellt Zeitkolorit her, das in die aktuelle Basketball-Nostalgie passt, die Jordan mit „The Last Dance“ begründete.

Selbst Peter Moore (Matthew Maher), der legendäre Entwickler des Air Jordan, darf sein Sneaker-Design-Nerdwissen teilen. Wie bei Aaron Sorkin, der unter anderem das Buch zum Steve-Jobs-Biopic geschrieben hat, wird viel im Gehen geredet. Converys schnelle Dialoge sind dabei deutlich dynamischer als die eher illustrative Kamera von Robert Richardson.

Motivationssprech aus Buddhismus-Plattitüden

„Air“ ist schamloses, aber auch sehr unterhaltsames Product-Placement: mehr von Unternehmensbilanzen und den Erfolgsgeschichten seiner Figuren her gedacht als vom kulturellen Einfluss des Air Jordan. Für diese Art von Kintopp ist Affleck als Regisseur seit „Argo“ geradezu prädestiniert; zumal auch in „Air“ wieder ein paar gute, fast vergessene Geschichten stecken, die sich vereinnahmen lassen.

Etwa dass der damalige Nationalcoach George Raveling (Marlon Wayans) das Originalmanuskript von Martin Luther Kings „I Have a Dream“-Rede besaß, die sich wunderbar als Motivationsansprache für Entrepreneure eignet. Oder die Buddhismus-Plattitüden von Phil Knight, dessen zehn Regeln, die an der Wand seines Büros hingen, „Air“ seine Kapitelüberschriften leihen. Regel drei: „Verstoße gegen die Regeln“.

Die Pointe ist natürlich, dass sich Deloris Jordan am Ende als bessere Verkäuferin erweist als all die Business-School-gestählten Yuppies. Denn ein Schuh, sagt sie, sei eben nur ein Schuh – bis ihr Sohn ihn sich anzieht. Und der Name Jordan draufsteht.

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