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Die Ärzte beim Greenfield Openair Festival im Juni in Interlaken.

© picture alliance/KEYSTONE/Peter Klaunzer

Die Ärzte in der Columbiahalle: „Potsdam war lauter!“

Bei dem ersten von zwei ausverkauften Konzerten in Berlin spielten die Ärzte gewohnt leidenschaftlich auf. Witze machten sie über das Berliner Publikum, die AfD und Günther Jauch.

Die Ärzte könnten es langsam mal so machen, wie einst der späte Elvis in Las Vegas. Sie könnten sich irgendeine Eventbude in Berlin anmieten und dort einfach täglich auftreten. Wahrscheinlich wäre der Saal immer voll. Im vergangenen Jahr waren beide Konzerte auf dem Tempelhofer Feld ausverkauft, so wie auch sämtliche Gigs der aktuellen „Herbst des Lebens“-Tour. Und klar, auch für die beiden in der Berliner Columbiahalle anberaumten Auftritte gibt es schon lange keine Tickets mehr.

Ein wenig scheint sich die Band ja auch schon selbst in den Fußstapfen von Elvis zu sehen. Das riesige illuminierte Bandlogo mit dem Buchstaben „Ä“, das beim ersten Konzert in der Columbiahalle hinter der Bühne angebracht wurde, hat gewisse Ähnlichkeiten mit dem berühmten „Elvis“-Schriftzug aus den Las-Vegas-Jahren des Kings. Die im letzten Jahr erschienene Platte „Nummus Cecidit“, die ausschließlich auf Konzerten verkauft wird, persifliert das Debütalbum des Sängers aus Memphis. Und Bela B sieht mit seiner Haartolle und seinem schwarz-weißen Harlekin-Anzug sowieso ein wenig so aus wie der Elvis aus Spandau.

Sind Die Ärzte so bedeutsam wie Richard Wagner?

Elvis also. Bei den Ärzten, die es nun schon mehr als 40 Jahre lang gibt, ist kein Vergleich mehr zu hoch gegriffen. Das konnte man auch bei einem vor kurzem in der Süddeutschen Zeitung erschienen überraschenden Essay des altehrwürdigen Ulrich Wickert lernen. Der eigentlich als frankophil bekannte ehemalige Moderator der „Tagesthemen“ entpuppte sich hier als echter Fan der Berliner. Und verglich diese mit Hans Fallada und Christian Morgenstern, nahm Kierkegaard zur Hilfe, um ihr Werk zu erklären. Und wies ihnen eine kulturpolitisch ähnliche Bedeutung wie Thomas Mann und Richard Wagner zu. So weit haben es die drei gealterten Punks also schon gebracht.

Um ihre Lieder zu verstehen, sollte man Ahnung von deutscher Kultur haben.

Ulrich Wickert über Die Ärzte

Gut zu wissen eigentlich, dass ordentliche Schrammelmusik, eine Portion Humor und eine klare Haltung gegen rechts derartige Wertschätzung in diesem Land genießt. Beim Publikum in der Columbiahalle sowieso. Das erweist sich als extrem begeisterungsfähig und textsicher. Nicht wenige haben die Texte so drauf wie Farin Urlaub, Bela B und Rodrigo González selbst, von denen jeder mal den Sänger der Band geben darf. Ganz egal, ob da gerade das „Lied vom Scheitern“, „Noise“, „Unrockbar“ oder sonst ein Stück aus dem inzwischen ziemlich großen Werk der Band dargeboten wird.

Ulrich Wickert wäre angetan gewesen

Zwischendurch gibt es die Ärzte-typischen Showeinlagen, eine Mischung aus Stand-Up-Comedy und Pennäler-Humor. Das Publikum wird geärgert mit der Aussage, bei den zwei Konzerten im benachbarten Potsdam vor ein paar Tagen seien die Leute aber lauter und viel besser drauf gewesen als in der viel zu leisen Columbiahalle. Ein paar Witze über den Potsdamer Günther Jauch werden gleich noch miteingebaut. Später wird räsoniert, ob es wirklich einen Ärzte-Song gibt, der ursprünglich einmal „Titten“ hätte heißen sollen und was wohl Farin Urlaubs Mutter zu solch einem Titel gesagt hätte.

Wie bissig der Humor der Band aber auch sein kann, zeigt sie bei „Abschied“, einem Lied über das Sterben, wie Bela B sagt, der danach gleich auf Alexander Gauland von der AfD rekurriert und ganz sachlich feststellt: „Lang wird es der über 80-jährige Mann aus rein biologischen Gründen auch nicht mehr machen.“ Daraufhin wird der unverhohlene Anti-AfD-Song „Doof“ gespielt.

Die beste Band der Welt ist wirklich in bester Spiellaune an diesem Abend. Fast drei Stunden lang ackert sie sich durch ihr Programm, wobei sie die größten Gassenhauer der Kategorie „Männer sind Schweine“ noch nicht einmal zum Besten gibt. Hits wie „Teenagerliebe“ und „Du willst mich küssen“ muss das Publikum dann sogar selbst singen und zwar gleichzeitig, was in einer wahren Kakophonie endet.

Wäre Ulrich Wickert hier, er wäre bestimmt auch ziemlich angetan von diesem Auftritt.

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