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 Alexander Skarsgård und Mia Goth in Brandon Cronenbergs Film "Infinity Pool".

© Neon and Topic Studios

Bodyhorror „Infinity Pool“ im Kino: Schöner die Klone nie büßen 

Brandon Cronenberg macht seinem berühmten Vater alle Ehre. Ein so bizarres Moralstück wie „Infinity Pool“ hat man im Kino lange nicht mehr gesehen.

Auf Youtube erfreuen sich „Reaction Videos“ seit einer Weile besonders unter jüngeren Usern großer Beliebtheit. In diesen Internet-Clips sieht man nicht den Film selbst, sondern nur die Reaktionen der Zuschauenden. Als Grundlagenmaterial stehen Filme mit haarsträubenden „What-the-fuck?-Momente“ hoch im Kurs; Filme wie Brandon Cronenbergs Science-Fiction-Satire „Infinity Pool“.

Skarsgårds statuenhafter Körper wird ramponiert

Im Anbetracht der Vorgänger „Antiviral“ (2012) und „Possessor“ (2020) überrascht das nicht. Cronenberg testet mit Vorliebe die Grenzen der Körper aus und zoomt ganz nah heran, wenn er die menschliche Hülle durchbricht. Das liegt in der Familie: Sein Vater David Cronenberg ist der Grandseigneur des Bodyhorrors.

Doch auf der nach oben offenen Irrsinns-Skala stößt Cronenberg Junior mit „Infinity Pool“ allerdings in völlig neue Dimensionen vor. Auch diesmal ramponiert er nach Herzenslust den statuenhaften Körper seines Protagonisten Jason, gespielt von Alexander Skarsgård (dessen Torso schon in „Legend of Tarzan“ und „The Northman“ zu bewundern war). Der gescheiterte Autor macht mit seiner Frau Em (Cleopatra Coleman) Urlaub in einem Luxusressort auf der Inselrepublik La Tolqa – von Cronenberg komplett ersonnen mitsamt Schrift, Flagge und archaischen Traditionen. 

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Auf den ersten Blick sieht das idyllisch aus: Himmel und Meer leuchten blau, strahlend weiß davor die Gemäuer und Sonnenschirme. Ein bisschen wie ein osteuropäisches „The White Lotus“; tatsächlich wurde „Infinity Pool“ größtenteils in Kroatien gedreht. Wären da nicht die zombiehaften Masken, die die hoteleigene Band anlässlich eines Insel-Feiertages trägt. Auch die Stacheldrahtzäune verheißen nichts Gutes.

Grollen und Heulen auf der Tonspur

Cronenberg, der auch das Drehbuch geschrieben hat, versteht es, eine morbide Stimmung heraufzubeschwören. Der Score von Tim Hecker gleicht einem Grollen und verzerrten Heulen. Und Karim Hussains Kamera verliert immer wieder den Halt und lässt das sonnengebleichte Paradies ins Kippen geraten.

Natürlich passieren Jason und Em heimlich die Absperrung der Anlage, angestiftet von einer Zufallsbekanntschaft, dem Paar Gabi (völlig maßlos aufspielend: Mia Goth) und Alban (Jalil Lespert). Gemeinsam machen sie einen Ausflug in den bettelarmen Teil der Insel. Dort kommt es, wie es kommen muss: Auf dem Heimweg überfährt Jason einen Bauern. Bald schon sieht er sich mit dem drastischen Rechtssystem der Republik konfrontiert – und das Publikum mit Cronenbergs abgründiger Fantasie.

"Infinity Pool" Mia Goth, Alexander Skarsgård

© Universal

Reiche Urlaubende haben nämlich die Wahl: Entweder sie akzeptieren die Todesstrafe, die auf La Tolqa auf nahezu jedes Vergehen zu stehen scheint; oder sie lassen gegen horrende Summen einen Klon von sich erstellen, der dann an ihrer Stelle exekutiert wird. So beginnt Jasons Abstieg in eine Hölle der Entmenschlichung. Denn warum nicht alles ausprobieren, was Moral und Insel-Gesetz verbieten, wenn man mit genügend Geld der Strafe entgehen kann?

Cronenberg tippt etliche Gedanken mit philosophischem Potential an, um dann zügig den nächsten „What the fuck?“-Moment draufzusetzen. Zu den bizarren Höhepunkten gehören unter anderem ein Wrestling-Kampf mit einem nackten Alter Ego sowie eine Orgie im Drogenrausch mit albtraumhaft mutierenden Geschlechtsteilen.

Spannend ist das nicht unbedingt; will es aber auch gar nicht sein. Aber es fällt schwer, den Blick abzuwenden. Cronenberg und Hussain finden faszinierend-obszöne Bilder: ein Kaleidoskop aus Farben, Formen, Überblendungen und Strobo-Geflacker, um der zunehmenden Enthemmung eine visuelle Form zu geben. Man muss sich auf diesen Bilderrausch schon einlassen wollen, die philosophischen Fragen allein tragen die Handlung nicht. Aber auf die kommt es ja auch in „Reaction Videos“ nicht an.

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