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Höchstleistungen hoch zu Kopfe. Der ghanaische Mehrfachdutt konkurriert um die beste Frisur.

© Mubi

„Medusa Deluxe“ im Kino: Wenn Frisuren zu Waffen werden

Thomas Hardiman stellt in seinem überdrehten Krimi „Medusa Deluxe“ einen interessanten Zusammenhang zwischen Haaren und Gewalt her. Der Stilwille kommt dabei nicht zu kurz.

Auf einem Schwabinger Dachboden drehten Erich Engel und Bertolt Brecht im Jahr 1922 den surrealen Stummfilm „Mysterien eines Frisiersalons“. Darin liest Karl Valentin in der Rolle des Figaro lieber Zeitung, als zur Schere zu greifen, während seine Kollegin (Blandine Ebinger) eine missliebige Kundin mit einer Turmfrisur verunstaltet. Als diese protestiert, stopft sie ihr einen Wattebausch in den Mund. Schließlich läuft im Salon alles aus dem Ruder.

Der britische Regisseur Thomas Hardiman trägt einen pflegeleichten blonden Kurzhaarschnitt. Das Ensemble seines Spielfilmdebüts „Medusa Deluxe“ umschwebt ebenfalls den schmalen Grat zwischen Talent und Wahnsinn, es würde aber niemals die Arbeit verweigern oder die Kundschaft bewusst malträtieren.

Im Bann von Fixierlösungen und Ondulierscheren

Dafür lieben die Friseurinnen Divine, Cleve und Kendra ihren Beruf zu sehr. An den Köpfen duldsamer Modelle laufen sie zu Höchstleistungen auf, erschaffen Haarskulpturen wie „Inverted Pear“ (umgedrehte Birne) oder einen ghanaischen Mehrfachdutt. Es gilt einen regionalen Friseurwettbewerb zu gewinnen.

Bereits mit der ersten Einstellung von Robby Ryans eleganter, fließender Kameraführung zieht „Medusa Deluxe“ in den Bann von Fixierlösungen, Ondulierscheren und einem ungeheuren stilistischen Ehrgeiz. Gedreht wurde nach den drei Einheiten des Aristoteles von Ort, Zeit und Handlung in scheinbarer Echtzeit. Und fast ausschließlich in den Kellerräumen einer brutalistischen Mehrzweckhalle aus den Siebzigern, der Preston Guild Hall in der nordwestenglischen Grafschaft Lancashire.

Der Londoner Hardiman sagt, er schätze es sehr, im Norden Englands zu arbeiten: Das dortige Gemeinschaftsgefühl habe den Film wesentlich getragen. Das spürt man.

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Doch die Entdeckung eines grausigen Mordes droht den überdrehten Wettbewerb zu sprengen: Der Teilnehmer Mosca wurde am Vorabend von unbekannter Hand skalpiert, wie sein letztes Modell Etsy aufgeregt berichtet. Von da an brodelt die berufsspezifische Gerüchteküche, und die Scheren klappern umso hektischer. Das Friseurhandwerk könne nun mal ein gefährliches Business sein, meint Cleve ungerührt, die angeblich einen Assistenten durch eine Wasserstoffperoxid-Explosion verloren hat.

Die Schauspielerin Clare Perkins verleiht ihrer Cleve ein brachiales Schandmaul („He’s been fucking butchered“), das in Kontrast zu ihrem gepflegten blondierten Bob steht. Im Dialog mit der religiösen Divine (Kayla Meikle) entfaltet sich ein ausgesprochen britischer Whodunnit-Schlagabtausch, der in der Originalfassung für Nicht-Inselbewohner eine kleine sprachliche Herausforderung darstellt.

Aristotelische Einheit von Ort, Zeit und Handlung

Als die dominante Kendra auftaucht – Harriet Webb wuchs in Lancashire auf und spricht den entsprechenden Dialekt -, ist der abstrus-reizvolle Diskurs über den Zusammenhang von Haaren und Gewalt endgültig eröffnet. Ob sie niemals an den Haaren gezogen worden sei, fragt sie ein Modell, dem sie eine „Frisur wie eine Waffe“ verpassen will. Vom grab and drag (Greifen und Ziehen) der Haare auf dem Schulhof ist es dann nicht weit zum cut and pull (Schneiden und Ziehen) beim Skalpieren.

Der herbeigeeilte Veranstalter René (Darrell D‘Silva) hat die undankbare Aufgabe, dem schluchzenden Lebensgefährten des Verstorbenen die Todesnachricht zu überbringen. René trägt ein Reptilienmuster, das zusammen mit dem titelgebenden Schlangenhaupt der Medusa Unheil verheißen könnte. Eine besonders kunstvolle Frisur geht in Flammen auf, während mit dem sanft entrückten Wachmann Gac ein weiterer Verdächtiger auf der Bildfläche erscheint.

Der überaus diverse Darstellerreigen wurde von keinem Geringeren als dem Londoner Star-Figaro Eugene Souleiman phantastisch farbenfroh frisiert und von Cynthia Lawrence-John entsprechend eingekleidet. Der vibrierende Sound von Lewis Roberts alias Koreless treibt ein wunderbar exzentrisches Fluidum voran, dem auch einige Längen nichts anhaben können.

Stets ist Thomas Hardimans an Robert Altman geschulte Hingabe an sein Ensemble zu spüren, dem er die scharfzüngigen Dialoge auf den Leib schrieb. Wie formuliert Cleve so treffend ihr Credo: Dein Haar ist die Krone, die du niemals abnimmst.

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