zum Hauptinhalt
Merve Dizdar wurde Ende Mai in Cannes für ihre Hauptrolle in „About Dry Grasses“ mit einer Palme ausgezeichnet.

© REUTERS/ERIC GAILLARD

Kritik an Cannes-Gewinnerin Merve Dizdar : Die Stimme einer anderen Türkei

Für ihre Dankesrede auf dem Cannes Filmfestival wird die türkische Schauspielerin Merve Dizdar von Konservativen stark kritisiert. Der Ton wird rauer, mit Konsequenzen für die Kultur.

Von Andreas Busche

Am letzten Mai-Wochenende durchlebte Merve Dizdar binnen weniger Stunden Höhen und Tiefen. Samstagabend wurde die 36-Jährige beim Cannes Filmfestival als erste türkische Schauspielerin für die beste weibliche Hauptrolle in Nuri Bilge Ceylans „About Dry Grasses“ ausgezeichnet. Doch am Tag drauf musste sie erleben, dass Recep Tayyip Erdogan in der Stichwahl als Präsident der Türkei wiedergewählt wurde.

Und als hätte sie bereits geahnt, dass ihrem Land langfristig eine düstere Zukunft bevorsteht, hat sie sich in ihrer Dankesrede mit den Millionen türkischer Frauen solidarisiert, die unter der zunehmend frauenfeindlichen Politik der neuen und alten Regierung zu leiden haben: „Ich möchte diese Auszeichnung allen Frauen widmen, die darum kämpfen, die Schwierigkeiten des Daseins in dieser Welt zu überwinden.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Der Backlash ließ nicht lange auf sich warten. In der vergangenen Woche stand Dizdar im Mittelpunkt eines erbitterten Kulturkampfs, der keinen Zweifel daran lässt, welche Politik Erdogan immer rigoroser verfolgen wird: Es gibt die, dem Regierungskurs folgen, und die, die die Türkei im Ausland kritisieren. Künstlerinnen wie Merve Dizdar, deren internationaler Erfolg von konservativer Seite stark kritisiert wird.

Beispielhaft dafür steht Serdar Cam, ein hoher Angestellter im Kulturministerium, der Dizdar vorwarf, ihr Heimatland zu „verfluchen“ und ihre Haltung mit der einer „Terroristin“ verglich, die die Türkei zu zerstören versuche. Als die Frau des Kulturministers Mehmet Nuri Ersoy Dizdar zu gratulieren wagte, wurde prompt der Ehemann zur Ordnung gerufen. Die patriarchalen Strukturen in der Türkei erleben schon seit einigen Jahren eine Renaissance.

Diese Politik ist inzwischen existenzgefährdend. Zu Beginn des Jahres forderte das Kulturministerium von Regisseur Emin Alper die staatliche Förderung seines preisgekrönten Films „Burning Days“ zurück, weil dieser „LGBTQ-Propaganda“ verbreite. (Die Hauptfigur ist homosexuell.)

Merve Dizdar befindet sich mit ihren deutlichen Worte auf dem wichtigsten Filmfestival der Welt übrigens in bester Gesellschaft. Ihre Vorgängerin, die 2022-Preisträgerin Zar Amir Ebrahimi aus dem Iran, lebt seit vielen Jahren schon in Frankreich. Auch Nil Kural, die Leiterin des feministischen Filmfestivals „Flying Broom“ in Ankara macht sich Sorgen um die Türkei: „Es wird künftig nicht leicht für Frauen und LGBTQ-Personen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false