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Mit Ritualen aus ihrer Kindheit versuchen Eric (Michael Cera) und Maggie (Sophia Lillis), wieder Kontakt zueinander zu finden.

© Universal

Erwachsenwerden tut weh: Eine schrecklich sprachlose Familie

In Dustin Guy Defas melancholischer Slacker-Komödie„The Adults“ ringen drei Geschwister damit, ihre Gefühle füreinander zu sortieren. Das ist zum Fremdschämen bezaubernd.

Von Andreas Busche

Flexibilität ist heutzutage die wichtigste Anforderung des gesellschaftlichen Lebens: Voraussetzung für das Funktionieren im Selbstoptimierungs-Kapitalismus, im Privatleben allerdings auch Menetekel unserer Aufmerksamkeitsökonomie. Der selbstauferlegte Zwang zur Spontanität ist genauso Ausdruck der zeitgeistigen Neurose FOMO, dem Phänomen der fear of missing out. Denn natürlich ist es immer da schöner und interssanter, wo man gerade nicht ist. Schon die Möglichkeit, an einem anderen Ort etwas zu verpassen, kann einen kirre machen.

Auch Eric ist stolz auf seine vermeintliche Unabhängigkeit, jedenfalls wird er nicht müde zu betonen, dass seine Reisepläne flexibel sind. Dabei ist er gerade erst aus Portland an seinem Geburtsort angekommen – aber hat natürlich nicht vor, lange zu bleiben. Obwohl in Dustin Guy Defas melancholischer Slacker-Komödie„The Adults“, der im Februar in der Berlinale-Reihe Encounters seine Weltpremiere hatte, nie ganz klar wird, was er eigentlich Besseres zu tun haben könnte.

Rückzug im Schildkrötenkörper

Niemand scheint Eric dort, wo er gerade nicht ist, zu vermissen. So wie auch niemand am Ort seiner Kindheit auf ihn gewartet hat. Der beste Jugendfreund hat inzwischen ein Baby, an dem Eric aber auch nur ein Alibi-Interesse zeigt. Die Einzige, die seine Rückkehr kaum erwarten kann, ist seine etwa zehn Jahre jüngere Schwester Maggie, deren ungestüme Begrüßung Eric buchstäblich aus dem Gleichgewicht wirft.

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Maggie, so verletzlich wie impulsiv gespielt von „Es“-Star Sophia Lillis, ein permanenter Herd von entropischen Gefühlen, ist sozusagen das Gegenteil von Eric, der das Motto der Serie „Arrested Development“, mit der Michael Cera vor fast zwanzig Jahren bekannt wurde, verinnerlicht hat. Eric versteckt sich geradezu in dem schildkrötigen Körper Ceras; wenn er sich mit Witzen oder ziellosen Dialogen mal aus seinem Panzer wagt, ist sein Auftritt zum Fremdschämen.

Eigentlich wollte Eric nur kurz an seinem Geburtsort nach dem Rechten sehen. Drei Jahre sind seit dem Tod der Eltern vergangen, entsprechend feindselig reagiert seine fast gleichaltrige Schwester Rachel (Hannah Gross), die er mit dem Elternhaus sitzen gelassen hat, auf Erics Rückkehr. Maggie aber, die gerade das College geschmissen hat, stürzt sich auf den älteren Bruder in der verzweifelten Hoffnung, dass die Geschwister noch einmal die verlorenen Kindheitsjahre wiederaufleben lassen können.

Stillstand aus Überforderung

Das Erwachsenwerden ist eine der kompliziertesten Lebensphasen. Das gilt besonders für nicht mehr ganz junge Menschen in ihren Dreißigern, die sich vehement dem Älterwerden zu entziehen versuchen. Der Titel „The Adults“ ist natürlich hochgradig ironisch. Ahnlich lakonisch sind auch Defas Beobachtungen dieser Prachtexemplare einer permanenten adoleszenten Arretierung (sei es aus Lebensangst oder schlicht aus Überforderung) – von denen Eric zweifellos das prächtigste ist. Kaum angekommen, ist er auch schon abwesend; unfähig, sich mit seinen Geschwistern ernsthaft zu unterhalten.

Eine seltene Aussprache zwsichen den Geschwistern Rachel (Hannah Gross), Maggie (Sophia Lillis) und Eric (Michael Cera).
Eine seltene Aussprache zwsichen den Geschwistern Rachel (Hannah Gross), Maggie (Sophia Lillis) und Eric (Michael Cera).

© Universal

Die Erwartungshaltungen sind so verschieden, dass die Kommunikation zwischen den Dreien ständig ins Stocken gerät. Selbst Erics Ankündigung, noch einen Tag länger zu bleiben, um mit seinen Schwestern etwas mehr Zeit zu verbringen, sorgt bei der leicht depressiven Rachel für Skepsis. Zu recht.

Tatsächlich hat Eric in seinem alten Freundeskreis, der ihm eher gleichgültig gegenübersteht, eine Pokerrunde ausgemacht, die die alten Laster reaktiviert. Zwischen dem schlechten Gewissen gegenüber seinen Schwestern und seiner Spielsucht, die ihn immer wieder aus dem Haus treibt (er verlängert seinen Kurzabstecher in die Heimat Tag um Tag), verstrickt sich Eric immer mehr in seinen Lebenslügen.

Rituale der Kindheit

Dustin Guy Defa, ein Vertreter der amerikanischen Mumblecore-Szene, in der die soziale Verhaltensauffälligkeit sozusagen eine habituelle Voreinstellung ist, kommt seinen Figuren fast schmerzhaft nah, ohne dass ihre skurrilen Eigenarten einer Sentimentalität Platz machen.

Herzzerreißend sind vor allem Maggies verzweifelte Versuche, zwischen den Geschwistern zu vermitteln. Aber die alten Kindheitsrituale – Reime, Gesangseinlagen, Rollenspiele mit verstellten Stimmen – reichen nicht mehr aus, das Gefühl von Vertrautheit zu reaktivieren. Auch Maggie steckt in der Vergangenheit fest, aber vor allem, weil an diesem sicheren Ort die familiäre Bande noch intakt war.

So beschreibt „The Adults“ mit beredtem, gelegentlich auch betretenem Schweigen (vor allem nach komischen Dialogen, die im Nichts ausfransen) einen Abnabelungsprozess, in dem die Liebe zwischen den ungleichen Geschwistern sich andere Wege bahnt als zwischen Menschen, die noch nicht verlernt haben, emotional zu kommunizieren. Eric, Rachel und Maggie tanzen ihre Gefühle einfach.

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