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Migranten warten am Hafen von Lesbos, Griechenland, auf den Transport auf das Festland.

© AFP/Stringer

Zukunft der Flüchtlingspolitik: Zurück zum Kern des Asylgedankens!

Der CDU-Politiker Frei hat eine überfällige Debatte zur Asyl-Politik provoziert. Deutschland muss sich ehrlich machen, was die Wunschwelt von der Wirklichkeit unterscheidet.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

| Update:

Wenn Wunsch und Wirklichkeit weit auseinanderklaffen, geht das nach aller Erfahrung schlecht für die Theorie aus. Beim deutschen Asylrecht hat der gelebte Alltag kaum noch etwas mit der ursprünglichen Idee zu tun. Ein verschwindend geringer Teil der Bewerber wird anerkannt. Die Abgelehnten bleiben dennoch.

Man kann förmlich zusehen, wie der Rückhalt für das Asylrecht in der Bevölkerung erodiert und Bürger zur AfD wandern. Dagegen helfen weder moralische Appelle noch die Berufung auf Lehren aus der Nazizeit oder die Genfer Flüchtlingskonvention.

Der CDU-Politiker Thorsten Frei hat mit seinem Vorstoß, das individuelle Asylrecht durch eine institutionelle Garantie zu ersetzen, breite Empörung links der Mitte ausgelöst. Er hat recht, den Missstand zum Thema zu machen. In der juristischen Fachwelt werden solche Vorschläge schon lange diskutiert und gelten dort weder als abwegig noch als anstößig.

Zwei Fehler Freis in der Kommunikation

Frei hat zwei kommunikative Fehler gemacht. Mit abstrakten Begriffen wie Individualrecht oder institutionelle Garantie können Bürger wenig anfangen. Kern der Debatte sollte sein, was Asyl meint und wer es unter welchen Umständen beanspruchen kann.

Die Mütter und Väter des Grundgesetzes wie auch der Genfer Flüchtlingskonvention hatten klare Vorstellungen. Menschen, die in ihrer Heimat Gefahr für Leib und Leben riskieren, dürfen fliehen und im nächsten Land, in dem sie sicher sind, um Asyl bitten. Zwar ist die unerlaubte Überquerung einer Staatsgrenze eine Straftat, aber hier bleibt sie straffrei.

Wenn Menschen jedoch nicht im ersten sicheren Staat Asyl beantragen, sondern weiterziehen, zum Beispiel, weil sie in der EU auf ein besseres Leben hoffen, sind sie keine Flüchtlinge mehr, sondern werden zu Migranten.

De facto gibt es keinen Asylanspruch mehr

Übersetzt in die deutsche Wirklichkeit heißt das: Bis auf wenige Sonderfälle hat niemand hier einen Anspruch auf Asyl. Deutschland ist in allen Himmelsrichtungen von sicheren Staaten umgeben. Menschen, die aus den heute üblichen Verfolgungsländern wie Afghanistan, Syrien, Somalia, Eritrea kommen, haben auf dem Weg mehrere sichere Länder durchquert.

Das ist einer der Hintergründe für Freis Vorstoß, das individuelle Asylrecht habe sich überlebt. Ein anderer ist der offenkundige Missbrauch, der viele Bürger wütend macht. Ein funktionierender Rechtsstaat müsste abgelehnte Asylbewerber abschieben. Das entscheidende Hindernis ist nicht das Völkerrecht, wie oft behauptet wird, sondern die Weigerung vieler Staaten, ihre Pflichten zu erfüllen.

Gewiss darf ein Afghane, Syrer, Eritreer, dem in seiner Heimat Verfolgung droht, nicht dorthin abgeschoben werden. Aber jedes der sicheren Länder, das eine Person auf dem Weg hierher durchquert hat, hat die Pflicht, sie wieder aufzunehmen – sofern Deutschland die Route belegen kann.

Doppelte Kooperationsverweigerung samt Belohnung

Doch die Transitstaaten und betroffenen Personen kooperieren meist nicht. Daher nun der diplomatische Vorstoß, mit möglichst vielen Staaten an der Außengrenze der EU Rückführungsabkommen zu schließen. Und Asylbewerber erst gar nicht einreisen zu lassen, sondern die Verfahren an die Außengrenze zu verlagern.

Die Betroffenen weigern sich, über ihre Migrationsrouten Auskunft zu geben und ihre Handydaten auslesen zu lassen. Das kann man verstehen. Für einen Rechtsstaat – und für die Akzeptanz in der Bevölkerung – ist es jedoch problematisch, wenn Kooperationsverweigerer mit Duldung belohnt werden.

Selbst wenn die Rückführungsabkommen Erfolg haben und Druck auf Verfolgte ausüben, im ersten sicheren Land zu bleiben, wäre Deutschland nicht aus der Verantwortung entlassen. In der Praxis würden die unmittelbaren Nachbarn der Diktaturen und Kriegsgebiete überfordert.

Das war einer der Auslöser der Massenmigration 2015 mitten im Syrienkrieg. Die Lebensverhältnisse in den unterfinanzierten Flüchtlingslagern in der Umgebung wurden untragbar. Die Menschen machten sich auf den Weg.

Selbst wenn Deutschland kaum noch jemandem Asyl gewährt, weil es von sicheren Staaten umzingelt ist und es die Abgelehnten eines Tags dank vieler Abkommen abschieben kann, wird es Staaten, die dann die größte Last tragen, Kontingente abnehmen müssen. Das gilt auch für die EU.

Ob am Ende Freis Vorschlag Realität wird oder eine andere Lösung: Deutschland sollte nüchtern und ergebnisoffen über Wunsch und Wirklichkeit des Asylrechts reden.

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