zum Hauptinhalt
Thorsten Frei (CDU), Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, spricht bei der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Kritik am Vorstoß der Union: Verfassungsänderung beim Grundrecht auf Asyl wohl chancenlos

„Realitätsfremd“ – so urteilt die SPD über den Asyl-Vorstoß von CDU-Politiker Thorsten Frei. „Offensichtlich sind wir schon im Sommerloch“, spottet Annalena Baerbock.

„Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“ – so lautet Artikel 16a des Grundgesetzes. Dieses Grundrecht auf Asyl war für die Mütter und Väter des Grundgesetzes eine Konsequenz aus dem Nazi-Terror, währenddessen viele politisch oder religiös verfolgte Menschen keine Zuflucht im Ausland fanden.

„Unser Asylrecht gründet auf einer Lüge“ - diese Überschrift prangt über einem Gastbeitrag von Union-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei in der „FAZ“. Darin fordert Frei eine europäische Lösung mit einer Abschaffung des individuellen Asylrechts und der Einführung einer „Institutsgarantie“.

Frei ist die rechte Hand von CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz, der nach einem neuen Kurs seiner Partei in der Migrationspolitik sucht und parteiintern wegen mieser Umfragewerte unter Druck steht. Merz wollte sich am Dienstag auf Tagesspiegel-Anfrage nicht zu Freis Vorschlag äußern.

Die von ihm vorgeschlagene Institutsgarantie, schreibt Frei in seinem Gastbeitrag, könne es Europa ermöglichen, „jährlich ein Kontingent von 300.000 oder 400.000 Schutzbedürftigen direkt aus dem Ausland aufzunehmen und auf die teilnehmenden Staaten zu verteilen“.

Widerstand bei den Ampel-Parteien

Und weiter: „Der Konstruktionsfehler des europäischen Asylrechts und damit auch der deutschen Asylpraxis besteht darin, dass beide auf einer Lüge gründen: Wir gestalten unser Asylrecht als Individualrecht aus und sind zugleich nicht bereit, den Anspruch in unbegrenztem Umfang einzulösen, der daraus resultiert.“

In seinem Gastbeitrag verzichtet Frei auf den Hinweis, dass sein Vorschlag eine Änderung des Grundgesetzes nötig machen würde – die wiederum eine Zwei-Drittel-Mehrheit des Bundestages und des Bundesrates erfordert. Diese ist politisch nicht erkennbar. Bei SPD, Grünen und FDP nämlich stieß Freis Vorschlag sogleich auf Widerstand.

„Realitätsfremd“ – befand der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese. Der Vorstoß gehe ins Leere, da er illegale Migration nicht stoppen werde.

Eine Institutslösung klinge geordnet, sei es aber ganz und gar nicht, sagte Wiese dem Tagesspiegel: „Welcher vor Gewalt und Verfolgung Flüchtende verharrt schon, wo er ist und meldet sich ordentlich an? Wer soll in Bürgerkriegsländern unter welchen Bedingungen über das Kontingent entscheiden?“

Welcher vor Gewalt und Verfolgung Flüchtende verharrt schon, wo er ist und meldet sich ordentlich an? 

Dirk Wiese, SPD-Fraktiosnvize

Außerdem schleife der Vorstoß das individuelle Recht auf Asyl, „eine wichtige humanitäre Errungenschaft in unserem Grundgesetz, die die Mütter und Väter des Grundgesetzes aus gutem Grund nach dem Zweiten Weltkrieg dort installiert haben“, sagte Wiese.

Nötig seien „weitere Migrationsabkommen auf Augenhöhe, national und europäisch, auch um wieder deutlich zwischen Asyl und Arbeitskräfte-Zuwanderung trennen zu können“. Um derlei Abkommen bemühen sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und, parallel, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).

Wiese verlangte „klare Regeln, wer bleiben darf und wer Europa wieder verlassen muss, kombiniert mit einem sicheren Außengrenzschutz und mobilen Kontrollen an den Binnengrenzen“. Im Koalitionsvertrag hatte die Ampel eine „Rückführungsoffensive“ für nicht-bleibeberechtigte Flüchtlinge angekündigt. Bisher indes ist die Zahl der Rückführungen nur kaum gestiegen.

Baerbock verortet Vorstoß im „Sommerloch“

Irritiert reagierte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auf Freis Vorstoß. „Offensichtlich sind wir schon im Sommerloch“, antwortete die Grünen-Politikerin am Dienstag süffisant am Rande ihrer Sommertour in Bonn, von einem Reporte auf die Sache angesprochen.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai kritisierte den CDU-Vorschlag als unseriös. „Nach ihrer katastrophalen Flüchtlingspolitik von 2015 ist die CDU derzeit offenbar auf der Suche nach einem Kurs in der Migrationsdebatte“, sagte Djir-Sarai dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. 

Amthor (CDU) will „System vom Kopf auf Füße stellen“

Während Merz, wie erwähnt, auf den Vorstoß Freis zunächst schwieg, äußerten Unionspolitiker Zustimmung. „Das ist ein kluger und zugleich mutiger Vorschlag von Thorsten Frei, den ich uneingeschränkt unterstütze“, sagte der CDU-Innenpolitiker Philipp Amthor dem Tagesspiegel: „Mit dieser Idee könnten wir planbare Kontingente für tatsächlich Schutzbedürftige aufnehmen und andererseits die notwendige Begrenzung ungesteuerter Zuwanderung ermöglichen.“

Amthor, der zu den Anhängern von Merz zählt, sagte, „die derzeit überbordende Migration unter dem Etikett des Asylrechts hat sich leider ohnehin schon seit Jahren vom Grundgedanken des Artikels 16a unseres Grundgesetzes entfernt, weshalb es jetzt folgerichtig wäre, das System wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false