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Israelische Panzer auf dem Weg zur Gaza-Grenze.

© AFP/Aris Messinis

Vor möglicher Bodenoffensive: Die bisherigen israelischen Einmärsche nach Gaza und wie sie abliefen

Fünfmal schon startete Israel Bodenoffensiven im Gazastreifen. Bei den jüngsten war der Gegner die Terrororganisation Hamas. Die Operationen haben Parallelen.

Im Gazastreifen wird es aller Voraussicht nach eine Bodenoffensive der israelischen Armee geben. Anders ist der Aufruf Israels an die mehr als eine Million Bewohner von Gaza-Stadt, das Gebiet Richtung Süden zu verlassen, kaum zu verstehen. Und noch am Freitagabend wurde bekannt: Schon in den vergangenen Stunden operierten Bodentruppen im Gazastreifen.

Es wäre nicht das erste Mal, dass die israelische Armee im Gazastreifen einrückt, in den jüngsten drei der bedeutendsten fünf Fälle war der Grund bereits die Hamas.

Die Terrororganisation hatte am vergangenen Wochenende einen Angriff auf Israel gestartet, der bereits mehr als 1000 Menschen auf beiden Seiten das Leben gekostet hat. Viele davon sind palästinensischen Angaben zufolge Zivilisten in Gaza, die durch israelische Luftangriffe gestorben sein sollen. Doch wie liefen die bisherigen israelischen Operationen im Gazastreifen überhaupt ab?

Die Sperranlage um den Gazastreifen hat drei Übergänge: Erez im Norden, Kerem Schalom im Süden und Rafah in Richtung Ägypten.
Die Sperranlage um den Gazastreifen hat drei Übergänge: Erez im Norden, Kerem Schalom im Süden und Rafah in Richtung Ägypten.

© Grafik: Tsp/Bartel / Quelle: UN Ocha

1 Sueskrise, 1956/57

Die Sueskrise fiel in eine Zeit zwischen der israelischen Unabhängigkeitserklärung von 1948 und dem Sechstagekrieg 1967, als der Gazastreifen von Ägypten verwaltet wurde. Die arabischen Nachbarn Israels hatten nach dem Palästinakrieg 1948/49 zwar Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet, erkannten den Staat Israel allerdings weiterhin nicht an.

Aus den Palästinensergebieten vertriebene, sogenannte radikale „Fedajin“ griffen – teils ausgebildet und bewaffnet vom ägyptischen Staat – Israel von der ägyptischen Sinai-Halbinsel und vom Gazastreifen aus an. Das, und die Blockade des Sueskanals für israelische Schiffe durch Ägypten, führte zur israelischen Invasion des Gazastreifens am 29. Oktober 1956. Unterstützt wurde Israel dabei von Frankreich und Großbritannien.

Israel besetzte den Gazastreifen dabei allerdings nur vorübergehend. Auf internationalen Druck, unter anderem der USA und Vereinten Nationen (UN), trat Israel das Gebiet wieder an Ägypten ab. Zur Sicherheit postierten die UN Truppen an der Grenze Israels zum Gazastreifen.

2 Sechstagekrieg, 1967

Der Sechstagekrieg im Juni 1967 war nach dem Palästinakrieg und der Sueskrise der dritte Arabisch-Israelische Krieg. Er stellte den Beginn der 38-jährigen israelischen Besatzung des Gazastreifens dar.

Auslöser war erneut unter anderem eine ägyptische Blockade einer Schiffsstraße, in diesem Fall der Meerenge von Tiran. Zudem forderte Ägypten die UN auf, seine Truppen abzuziehen und ließ 1000 Panzer und fast 100.000 Soldaten an der Grenze zu Israel zusammenziehen. Unterstützung erhielt Ägypten von Jordanien und Syrien.

Beim Einmarsch der israelischen Armee in den Gazastreifen erlitten die arabischen Armeen eine heftige militärische Niederlage. So verloren sie nicht nur die Kontrolle über den Gazastreifen, sondern vorübergehend auch über die Sinai-Halbinsel, die Golanhöhen, das Westjordanland und Ostjerusalem. Allein Ägypten soll an den sechs Tagen 80 Prozent seines militärischen Materials verloren haben.

Israelische Soldaten feiern im Juni 1967 das Ende des Sechstagekrieges.
Israelische Soldaten feiern im Juni 1967 das Ende des Sechstagekrieges.

© dpa/Uncredited

3 Operation „Sommerregen“, 2006

Ein Jahr, nachdem sich Israel aus dem Gazastreifen zurückgezogen hatte, kam es zur ersten Konfrontation der israelischen Armee auf dem Boden mit der Terrororganisation Hamas. Hauptgründe waren der zunehmende Raketenbeschuss des Südens Israels und die Entführung eines jungen israelischen Soldaten am 25. Juni 2006.

Drei Tage später warnte Israel die Bevölkerung im Gazastreifen mit Flugblättern vor einem bevorstehenden Einmarsch und startete noch am gleichen Tag die Operation „Sommerregen“. Kurz vor der Bodenoffensive zerstörte die israelische Armee das einzige Elektrizitätswerk und mehrere Brücken, um den Geiselnehmern mögliche Fluchtwege abzuschneiden.

Dann rückten erst tausende Soldaten bei Chan Yunis im Süden des Gazastreifens ein, zudem tauchten Truppen und Panzer an der nördlichen Grenze auf. Die israelische Armee zerstörte Waffenlager der militanten Palästinenser und beschossen die Abschussbasen der reichweitenstärksten Raketen. Im Westjordanland nahmen die Israelis parallel mehr als 60 führende Hamas-Mitglieder fest.

Die israelische Armee nahm in wenigen Wochen mehrere Siedlungen ein und rückte am 8. Juli auch in die Vororte von Gaza-Stadt vor. Israelische Medien äußerten die Hoffnung, „endgültig mit der Hamas aufräumen“ zu können.

Libanonkrieg bewegt Israel zum Rückzug

Als am 12. Juli der Libanonkrieg begann, zog sich die israelische Armee größtenteils aus den besetzten Gebieten im Gazastreifen zurück. Im Zuge der Operation „Sommerregen“ soll es offiziellen Angaben zufolge fast 300 Tote und mehr als 800 Verletzte im Gazastreifen gegeben haben, der Großteil davon militante Palästinenser.

Zwar gab es weitere Operationen der israelischen Streitkräfte bis zum Waffenstillstand Ende November, bei denen auch gezielt Mitglieder der Hamas getötet wurden. Allerdings kam Israel der Freilassung des jungen Soldaten nicht näher. Er wurde erst im Oktober 2011 im Rahmen eines Gefangenenaustauschs freigelassen.

4 Operation „Gegossenes Blei“, 2008/09

Als der Raketenbeschuss der Hamas auf Israel Ende 2008 stark zunahm, griff die israelische Armee am 27. Dezember 2008 den Gazastreifen erneut massiv aus der Luft an. Israel begründete das Vorgehen mit den nicht enden wollenden Angriffen in den zwei Jahren seit der letzten Operation.

Vor Beginn der Angriffe wurde die Bevölkerung im Gazastreifen, wie schon zwei Jahre zuvor, mit Flugblättern gewarnt. Erst am 3. Januar 2009 rückte das israelische Militär zu Fuß mit Unterstützung von Kampfhubschraubern ein. Der Armee gelang es, den Gazastreifen zu teilen und in Gaza-Stadt einzudringen. Sie stand unter dem Kommando von Generalmajor Yoav Gallant, dem heutigen Verteidigungsminister Israels.

Israels Soldaten rückten im Laufe der drei Wochen immer tiefer nach Gaza-Stadt vor, zudem gab es regelmäßige Raketenangriffe auf Häuser, in denen Hamas-Mitglieder vermutet wurden.

Auch nahmen die israelischen Angriffe auf das Tunnelsystem der Hamas, durch die Waffen aus Ägypten ins Land geschmuggelt werden sollten, zu. Am 18. Januar verkündete ein Sprecher der Hamas einen Waffenstillstand, Israel zog daraufhin seine Truppen nach und nach zurück.

Laut Berichten des „Spiegel“ sank die Akzeptanz der Terrororganisation im Gazastreifen infolge des Krieges. Die Hamas hob demnach auch direkt nach dem Ende wieder neue Schmugglertunnel aus. Weit mehr als 1000 Palästinenser sollen nach offiziellen Angaben in den drei Wochen ihr Leben verloren haben, davon mindestens ein Viertel Zivilisten.

5 Operation „Protective Edge“, 2014

Bis zum nächsten und bislang letzten Einmarsch der israelischen Armee in den Gazastreifen vergingen fünfeinhalb Jahre. Dann startete die Armee die Operation „Protective Edge“. Am 8. Juli 2014 zunächst mit Luftangriffen. Als Begründung nannte Israel erneut den anhaltenden Raketenbeschuss der Hamas auf israelisches Staatsgebiet – und zudem den Mord an drei israelischen Jugendlichen.

Am 17. Juli zog Israel, nachdem bereits zuvor Truppen im Gazastreifen operiert hatten, massiv Soldaten für eine Bodenoffensive zusammen. Ziel war es, das Tunnelsystem der Hamas zu zerstören, das in israelisches Gebiet führt. Zuvor sollen palästinensische Kämpfer versucht haben, durch den Tunnel vom Norden Gazas nach Israel vorzudringen.

Wir gehen auch gegen die Raketen vor, aber das Hauptziel sind die Tunnel.

Naftali Bennett, damaliger Wirtschaftsminister

„Wir gehen auch gegen die Raketen und alle anderen Bedrohungen vor, aber das Hauptziel sind die Tunnel“, sagte Naftali Bennett, damaliger Wirtschaftsminister, der auf eine Ausweitung des Krieges gedrängt hatte. Die Raketen aus Gaza hatte Israel durch den „Iron Dome“ gut im Griff.

Am 19. August griff Israel gezielt das Haus des Hamas-Chefs Mohammed Deif an. Während seine Frau und eines seiner Kinder getötet wurden, soll er überlebt haben. Berichten zufolge hat Deif bei mittlerweile mehreren Tötungsversuchen beide Beine und einen Arm verloren.

Zwei Tage später tötete Israel drei hochrangige Kommandeure, die für die Entführung des jungen israelischen Soldaten und die Architektur des Tunnelsystems im Gazastreifen verantwortlich gewesen sein sollen. Kurz darauf wurde Israel erstmals auch von Syrien und dem Libanon aus mit Raketen beschossen.

Am 26. August trat eine unbefristete Waffenruhe in Kraft, nachdem zuvor mehrere Waffenruhen gebrochen worden waren. Israel erklärte, das Ziel, ein Ende des Raketenbeschusses, erreicht zu haben. Auch die Angriffstunnel seien teilweise zerstört worden.

Die Vereinten Nationen berichteten am Ende von 64 getöteten israelischen Soldaten und mehr als 600 toten militanten Palästinensern. Zudem seien fast 1500 Zivilisten im Gazastreifen getötet worden.

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