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Palästinenser fliehen nach israelischen Luftangriffen am 13. Oktober 2023 mit ihrem Hab und Gut in sicherere Gebiete in Gaza-Stadt.

© AFP/MAHMUD HAMS

Update

Bodenoffensive erwartet: Israel fordert 1,1 Millionen Palästinenser auf, sich in den Süden von Gaza zu begeben – Hamas hält sie auf

Die Vereinten Nationen warnen vor den „verheerenden humanitären Folgen“ einer solchen Bewegung. Die Hamas hindert Menschen laut Augenzeugenberichten am Verlassen des Nordens.

Nach dem Willen des israelischen Militärs sollen etwa 1,1 Millionen Palästinenser die Stadt Gaza verlassen und sich in den Süden des Gazastreifens zu begeben. Das wäre fast die Hälfte der Bevölkerung in dem eng besiedelten Gebiet.

Nach Angaben der Vereinten Nationen sind 24 Stunden vorgesehen. In den Erklärungen der israelischen Armee fehlte diese Zeitvorgabe. 

Das Militär ruft alle Zivilisten von Gaza auf, ihre Häuser zu ihrer eigenen Sicherheit und zu ihrem Schutz nach Süden zu verlassen“, teilte die Armee am Freitagmorgen mit. Demnach sollten sich die Menschen in ein Gebiet südlich des Wadis Gaza begeben, das etwa in der Mitte des nur 40 Kilometer langen Gebiets liegt.

Beobachter gehen davon aus, dass in dem Gebiet am Mittelmeer eine Bodenoffensive Israels nach dem Großangriff der islamistischen Hamas bevorstehen könnte. Eine solche dürfte sich wohl zunächst auf den Norden Gazas konzentrieren.

Vom israelischen Militär hieß es, Hamas-Terroristen versteckten sich in Gaza in Tunneln unter Häusern und in Gebäuden, in denen sich Zivilisten aufhielten.

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Bereits am Freitagmorgen hatte das israelische Militär die Vereinten Nationen von den Plänen unterrichtet. „Die Vereinten Nationen halten es für unmöglich, dass eine solche Bewegung ohne verheerende humanitäre Folgen stattfinden kann“, sagte UN-Sprecher Stephane Dujarric in einer Erklärung.

Die Sperranlage um den Gazastreifen hat drei Übergänge: Erez im Norden, Kerem Schalom im Süden und Rafah in Richtung Ägypten.
Die Sperranlage um den Gazastreifen hat drei Übergänge: Erez im Norden, Kerem Schalom im Süden und Rafah in Richtung Ägypten.

© Grafik: Tsp/Bartel / Quelle: UN Ocha

Massenevakuierungen: Vereinte Nationen warnen

Die Vereinten Nationen appellierten nachdrücklich, dass ein solcher Befehl, sollte er bestätigt werden, zurückgenommen werde, um zu verhindern, dass sich die ohnehin schon tragische Situation zu einer katastrophalen entwickle. Der Befehl des israelischen Militärs gelte auch für alle UN-Mitarbeiter und diejenigen, die in UN-Einrichtungen wie Schulen, Gesundheitszentren und Kliniken untergebracht seien.

Laut „FAZ“ sagte ein israelischer Armeesprecher am Freitagmorgen vor Journalisten nun, man gehe davon aus, dass die Evakuierung der Zivilisten aus dem nördlichen Gazastreifen „einige Tage“ dauern könne.

Es herrscht Chaos, niemand weiß, was zu tun ist.

Inas Hamdan, UN-Organisation für palästinensische Flüchtlinge

Das Palästinenser-Hilfswerk der Vereinten Nationen (UNRWA) verlegt nach eigenen Angaben sein zentrales Einsatzzentrum zusammen mit seinen internationalen Mitarbeitern in den Süden des Gazastreifens. Dort werde die humanitäre Arbeit fortgesetzt, teilt das Hilfswerk auf X, ehemals Twitter, mit. Es ruft die israelischen Behörden dazu auf, alle Zivilisten in UNRWA-Schutzräumen, einschließlich Schulen, zu schützen. 

Kinderschutzorganisation kritisiert Aufruf zur Evakuierung

Die Hilfsorganisation Save the Children hat den Aufruf der israelischen Armee zur Evakuierung des nördlichen Gazastreifens kritisiert.

„Wir sind extrem besorgt über die Anweisungen des israelischen Militärs, eine Million Menschen innerhalb von 24 Stunden aus dem nördlichen Gazastreifen zu bringen“, teilte die Organisation am Freitag auf der Plattform X mit.

Der Aufruf werde enorme Konsequenzen für Kinder haben und müsse zurückgenommen werden. Nach Angaben der Organisation leben in der Region besonders viele Kinder.

Von geschätzt rund 2,4 Millionen Menschen im Gazastreifen seien die Hälfte Kinder, sagte James Denselow von Save the Children UK dem britischen Fernsehsender Sky News. „Es ist eine furchtbar schwierige Zeit.

WHO: Für Schwerkranke kommt Evakuierung einem Todesurteil gleich

Ein Sprecher der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wies in Genf darauf hin, dass die Verlegung von schwer kranken und schwer verletzten Patienten aus dem nördlichen Gazastreifen unmöglich sei. 

Solche Menschen zu transportieren, kommt einem Todesurteil gleich“, sagte Sprecher Tarik Jasarevic.

Panik in Gaza nach Evakuierungsaufforderung

Die Agentur „AP“ berichtet nach der Evakuierungsaufforderung von Panik unter den Bewohnern von Gaza-Stadt und unter Mitarbeitern von Hilfsorganisationen.

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Vergesst Lebensmittel, vergesst Elektrizität, vergesst Treibstoff. Jetzt geht es nur noch darum, zu überleben“, sagte Nebal Farsakh von der palästinensischen Rothalbmond-Gesellschaft, einer Hilfsorganisation.

Es herrscht Chaos, niemand weiß, was zu tun ist“, so Inas Hamdan von der UN-Organisation für palästinensische Flüchtlinge in Gaza-Stadt.

Nach Angaben der Vereinten Nationen sind seit Beginn der israelischen Vergeltungsschläge mehr als 400.000 Menschen aus ihren Wohnungen im Gaza-Streifen geflohen. 23 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen seien getötet worden, teilt das Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der UN (OCHA) mit.

Hamas wirft Israel „Propaganda“ vor – und hindert Menschen offenbar am Verlassen des Nordens

Die Hamas nennt die Evakuierungsaufforderung „Propaganda“ und fordert die Bewohner auf, den Norden des Gazastreifens nicht zu verlassen. Aus Sicherheitskreisen aus dem Gazastreifen hieß es, dass Bewohner am Verlassen des Nordens gehindert werden sollten.

Die Terrororganisation schreibt in einer Stellungnahme: „Wir bleiben standhaft auf unserem Land, in unseren Häusern und unseren Städten. Es wird keine Vertreibung geben.“

Augenzeugen im Gazastreifen berichteten, mehrere Bewohner seien bereits von der Hamas gestoppt und zur Rückkehr in den Norden aufgefordert worden. Generell herrsche große Panik in dem Gebiet, es gebe keine klaren Anweisungen.

Die Krankenhäuser, denen der Strom ausgeht, sind nach Angaben der Gesundheitsbehörden überfüllt. Medikamente würden ebenso wie Trinkwasser und Nahrungsmittel wegen der Abriegelung durch Israel knapp.

Abbas lehnt „Vertreibung“ ab

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas erklärte, er lehne „die Vertreibung unseres Volkes aus dem Gazastreifen strikt ab“. Dies käme einer „zweiten Nakba“ gleich, betonte er laut einer von der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa veröffentlichten Erklärung.

Er bezog sich mit dem Begriff „Nakba“ (Katastrophe) auf die Flucht von rund 760.000 Palästinensern nach Israels Staatsgründung im Jahr 1948. 

Am 7. Oktober 2023 erlitt Israel den blutigsten Angriff seit der Gründung. Bei israelischen Gegenschlägen starben bisher im Gazastreifen nach Angaben von Hamas-Behörden bislang mehr als 1530 Menschen. Unterdessen stieg die Zahl der Todesopfer auf israelischen Seite auf 1300, darunter laut israelischer Armee mehr als 250 Soldaten. (Reuters/dpa/AP/AFP/Tsp)

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