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Menschen nehmen am Russland-Tag an einem Autokorso im besetzten Melitopol teil (Symbolbild).

© IMAGO/ITAR-TASS/Alexei Konovalov

Tag 476 der Ukraine-Invasion: Wie es sich unter russischer Besatzung lebt

Kadyrow-Cousin offenbar doch nicht verschollen, Ex-Mitarbeiterin von Nawalny verurteilt, Deutscher soll für Russland gekämpft haben. Der Überblick.

Melitopol ist bereits sehr früh nach Beginn des Krieges von den Russen besetzt worden. Aber wie lebt es sich unter diesen Bedingungen? Der US-Sender CNN hat vor wenigen Tagen den Bericht einer pro-ukrainischen Einwohnerin veröffentlicht, die sich geweigert hat, aus der Stadt zu fliehen.

Die junge Frau Anfang 30 möchte ihren Namen aus Sorge um ihre Sicherheit nicht nennen. Sie schreibt: „Es gibt Terror in Melitopol. Aber man sieht ihn nicht auf der Straße.“ Was sie meint: Wenn man auf den Markt gehen würde, würde man nicht merken, was in der Stadt geschehe. Alle würden so tun, als führten sie ein ganz normales ziviles Leben. 

Die Einwohnerin berichtet, dass die Russen versuchten, jeden zur Annahme eines russischen Passes zu zwingen. So habe es bis Februar noch Sozialhilfe in bar gegeben, nun bekämen nur noch Menschen mit russischen Pässen diese. Auch der Zugang zu Krankenhäusern werde etwa für Menschen ohne russischen Pass verweigert. 

Die Frau sagt, sie komme aus einer Bauernfamilie und diese würde ihr Land verlieren, wenn sie die russischen Pässe nicht annehme. Aber ihre Familie versuche, den Moment so weit wie möglich hinauszuzögern. Wer keinen habe, gelte als schwarzes Schaf und könne durchsucht werden. 

Sie sagt aber auch, dass der Großteil der Einwohner bereits einen russischen Pass habe – und dass diejenigen, die nach der Besatzung geblieben seien, zum großen Teil die pro-russische Verwaltung unterstützten und überzeugt davon seien, dass diese auch bleibe. 

Die Frau berichtet auch, dass sich die Stimmung in der Stadt im vergangenen Monat stark verändert habe. Es gebe nicht mehr so eine Siegesstimmung. Vielmehr nehme sie wahr, dass die Besatzer über die ukrainische Gegenoffensive besorgt seien. Den Krieg selbst, den nenne man in der Stadt übrigens eine „Situation“.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Entgegen früherer Aussagen ist der Cousin von Tschetscheniens Machthaber Ramsan Kadyrow offenbar doch nicht in der Ukraine verschollen. Adam Delimchanow sei „nicht mal verletzt“, schrieb der Chef der russischen Teilrepublik am Mittwoch auf Telegram. Mehr dazu hier.
  • Eine Ex-Mitarbeiterin von Alexej Nawalny ist laut einer Menschenrechtsorganisation zu siebeneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Lilija Tschanyschewa, die frühere Wahlkampfleiterin Nawalnys in Ufa, sei der „Gründung einer extremistischen Organisation“ für schuldig befunden worden, so die Organisation OVD-Info. Mehr hier.
  • Der Deutsche Alexander F. soll für Russland im Krieg in der Ukraine gekämpft haben. Nun ermittelt nach Recherchen von NDR und WDR die Generalbundesstaatsanwaltschaft in dem Fall. Mehr dazu erfahren Sie hier.
  • Die Ukraine ist laut Recherchen mehrerer Medien Monate vor den Explosionen an den Nord-Stream-Gaspipelines davor gewarnt worden, Anschlagspläne in die Tat umzusetzen. Der US-Geheimdienst CIA habe eine Warnung an Kiew ausgesprochen, berichteten unter anderem „Die Zeit“ und die ARD. Mehr hier.
  • Der Ausgang der aktuellen ukrainischen Offensive ist nach Einschätzung von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg noch völlig offen. „Es ist noch früh und wir wissen nicht, ob das ein Wendepunkt im Krieg sein wird“, sagte der Norweger. Man sehe aber, dass die Ukrainer Fortschritte machten und mehr Land befreiten. Mehr im Newsblog.
  • Die ukrainischen Streitkräfte haben eigenen Angaben zufolge ihre Offensive im Süden und Osten des Landes fortgesetzt. Die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar berichtete auf Telegram über heftige Gefechte bei gleichzeitiger Luft- und Artillerieüberlegenheit des Gegners.
  • Nach den jüngsten russischen Angriffen auf die Ukraine ist die Zahl der Todesopfer weiter gestiegen. In der Region Donezk seien in den Städten Kramatorsk und Kostjantyniwka sowie in der Umgebung drei Menschen von russischen Raketen getötet und sechs weitere verletzt worden, teilte der Leiter der lokalen Militärverwaltung mit.
  • Wie der diplomatische Korrespondent des britischen „Guardian“, Patrick Wintour, berichtet, wird die Ukraine beim Nato-Gipfel keine konkreten Zusagen für eine Mitgliedschaft bekommen. Stattdessen soll ihr ein verkürztes Beitrittverfahren angeboten werden, das greift, wenn die Nato-Mitglieder die Ukraine einladen, Mitglied zu werden. 
  • Die Zahl der Einsatzflüge russischer Kampfflugzeuge in der Ukraine hat nach Angaben britischer Militärexperten in den vergangenen zwei Wochen zugenommen, vor allem im Süden des Landes. Das sei beinahe sicher eine Reaktion auf eine Zunahme ukrainischer Offensiv-Einsätze, hieß es. 
  • Die Zahl der Einreisen von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine nach Deutschland geht weiter zurück. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung hervorgeht, wurden laut Ausländerzentralregister im April rund 19.300 Einreisen erfasst. Im Mai kamen demnach rund 15.600 Menschen nach Deutschland. 
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dringt auf umfassendere Maßnahmen gegen die Zulieferung von Bauteilen für russische Raketen. „Es ist eindeutig billiger, den Terroristen ein für alle Mal die Versorgungswege für die Komponenten des Terrors zu verschließen, als ständig neue Raketen für die Luftabwehr zu kaufen“, sagt er in seiner Videoansprache.
  • Bei einem russischen Luftangriff auf die südukrainische Hafenstadt Odessa sind nach Behördenangaben mindestens drei Menschen getötet worden. 13 weitere Menschen wurden verletzt, wie Serhij Bratschuk, Sprecher der Militärverwaltung von Odessa, am Mittwoch im Messengerdienst Telegram mitteilte.

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