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Auch auf Druck Erdogans ändert Stockholm seine Terrorgesetze. Experten warnen vor einer Einschränkung der Demokratie.

© IMAGO/SNA/Alexey Filippov

Schwedens neues Anti-Terror-Gesetz tritt in Kraft: Geschenk für Erdoğans Ja?

Fünf Wochen vor dem Nato-Gipfel in Vilnius tritt Schwedens neues Terrorgesetz in Kraft. Es war eine Schlüsselforderung Erdoğans – doch wird von Experten heftig kritisiert.

Schwedens Außenminister Tobias Billström bleibt hoffnungsvoll, zumindest offiziell. Seit einem Jahr wird der Nato-Beitritt des größten skandinavischen Landes durch das Veto der Türkei blockiert.

Dass sein Land im kommenden Monat als 32. Mitglied zum Nato-Gipfel nach Vilnius reist, sei dennoch „absolut realistisch“. Das sagte Billström am Mittwoch im schwedischen Fernsehen.

Insbesondere Stockholms vermeintlich laxer Umgang mit angeblichen Terroristen ist Ankara ein Dorn im Auge. Zeitgleich mit einem informellen Treffen der Nato-Außenminister:innen in Oslo tritt am Donnerstag Schwedens neues Anti-Terror-Gesetz in Kraft. Für Billström ist es das „letzte Puzzleteil“ der Vereinbarung mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan.

Anti-Terror-Gesetz wird heftig kritisiert

Die rechtskonservative Regierung hatte das Gesetz Anfang März im Schnellverfahren und mit Stimmen der oppositionellen Sozialdemokrat:innen im Parlament verabschiedet. Schon 2019 plante die damalige sozialdemokratische Regierung ein ähnliches Gesetz, nach heftiger Kritik des schwedischen Gesetzgebungsrats zog Stockholm die Vorschläge aber zurück.

Konkret wird die Beteiligung an sowie die Förderung, Stärkung und Unterstützung einer terroristischen Organisation im In- und Ausland mit Gefängnis mit bis zu acht Jahren bestraft.

„Das Gesetz enthält verschiedene Definitionen, die unklar sind“, sagt Patrik Bremdal, Professor für Verfassungsrecht an der Universität Uppsala dem Tagesspiegel.

Zunächst stellt sich die Frage, was eine terroristische Organisation ist. Dies ist eine Definitionsfrage, die in allen Terrorismusgesetzen problematisch ist, da es keine klar akzeptierte Definition von Terrorismus und terroristischer Organisation gibt.“

Auch trenne das Gesetz nicht eindeutig zwischen Terror- und Freiheitsbewegungen.

Wenn illiberale Kräfte an die Macht kommen, besteht die Möglichkeit, die Unklarheit des Gesetzestextes auszunutzen.

Patrik Bremdal, Professor für Verfassungsrecht an der Universität Uppsala

Es ist Bremdal zufolge diese Ungenauigkeit, die für die Demokratie besonders gefährlich ist. „Wenn illiberale Kräfte an die Macht kommen, besteht die Möglichkeit, die Unklarheit des Gesetzestextes auszunutzen.“ Dann könne es darum gehen, „Organisationen, die gegen die Regierung arbeiten, als terroristisch zu bezeichnen, um so die Unterstützer zu bestrafen“.

Möglichkeit der Kehrtwende für die Türkei

Das Gesetz eröffnet Ankara die Möglichkeit einer Kehrtwende ihrer bisherigen Blockadehaltung, meint Aras Lindh, Türkeiexperte beim Schwedischen Institut für Auswärtige Politik.

„Die Türkei ist sich sehr wohl bewusst, dass Schweden mit dem neuen Terrorgesetz, alles getan hat, was es tun kann, ohne die eigene Rechtsstaatlichkeit zu gefährden.“ Zusätzliche Forderungen wie Auslieferungen von mutmaßlichen Terrorist:innen seien dagegen ein Druckmittel, „um sich vor Verhandlungen über andere Themen zu positionieren“.

Auslieferungen sind für die Türkei ein zusätzliches Druckmittel, um sich vor Verhandlungen über andere Themen zu positionieren.

Aras Lindh, Türkeiexperte beim Schwedischen Institut für Auswärtige Politik

Ob Erdoğan sich mit seiner Blockadehaltung nur im Wahlkampf profilieren wollte, bleibe weiterhin ungewiss. „Jetzt ist es wichtig, in den kommenden Tages jedes Signal zu lesen, um zu verstehen, was hinter Erdoğans Nein steckt.“

Den Besuch beim Nato-Treffen in Oslo hat der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu am Mittwochmorgen kurzfristig abgesagt.

Fast zeitgleich als sich sein Amtskollege im schwedischen Fernsehen hoffnungsvoll über den Beitrittsprozess äußerte.

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