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Der türkische Präsident Erdogan am 8. Juli bei einer Pressekonferenz in Istanbul.

© REUTERS/Umit Bektas

Update

Scholz reagiert irritiert: Erdogan knüpft Schwedens Nato-Beitritt an EU-Zusage für die Türkei

Die Aufnahme Schwedens wird bislang von der Türkei blockiert. Jetzt ist Erdogan zu einem Zugeständnis bereit – knüpft dies jedoch an EU-Beitrittsverhandlungen. Kanzler Scholz lehnt das ab.

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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan knüpft einen Nato-Beitritt Schwedens nun an die weitere Annäherung seines Landes an die Europäische Union bis hin zu einer vollen Mitgliedschaft. Dies werde er beim Nato-Gipfel in Vilnius deutlich machen, sagte Erdogan am Montag in Istanbul. Er erwarte, dass die EU den Weg für die Türkei zur Mitgliedschaft ebne, damit die Türkei den Weg Schwedens in die Nato ebnen könne.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reagierte irritiert auf die Verknüpfung der beiden Themen durch den türkischen Präsidenten. Beide Fragen würden nicht miteinander zusammenhängen, sagte Scholz am Montag in Berlin. „Deshalb, finde ich, sollte man das nicht als ein zusammenhängendes Thema verstehen.“ Scholz bekräftigte, dass Schweden alle Voraussetzung für einen Nato-Beitritt erfülle. „Ich hoffe, dass es uns bald gelingt, dass Schweden Nato-Mitglied werden kann.“

Die Türkei ist offiziell Beitrittskandidat der EU, die Verhandlungen zur Aufnahme des Landes liegen aber seit Jahren auf Eis. Die Türkei blockiert nach wie vor die Aufnahme Schwedens in die Nato, weil das Land nach Auffassung der Regierung in Ankara nicht ausreichend kooperiere im Kampf gegen kurdische Extremisten.

In der litauischen Hauptstadt Vilnius tagen am Dienstag und Mittwoch die Staats- und Regierungschefs der Allianz. Die Türkei hatte der Aufnahme Schwedens auf dem Nato-Gipfel in Madrid vergangenen Sommer grundsätzlich zugestimmt. Die Ratifizierung des Beitritts wird aber von ihr blockiert.

Die Bundesregierung wurde von der Entwicklung offenbar überrascht. Erdogan werde im Zusammenhang mit Schwedens Nato-Beitritt kein plumpes Tauschgeschäft versuchen, hatte es noch am Montagmorgen in Regierungskreisen geheißen.

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Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn lehnte die Bedingung ab. „Das ist schon ein starkes Stück, dass Erdogan mit der Sicherheit der Menschen in Schweden spielt und deren Nato-Beitritt an ein Ja zur türkischen EU-Mitgliedschaft knüpft“, sagte er dem Tagesspiegel. Beide Themen hätten „nichts miteinander zu tun“.

Die Tür der Union stehe der Türkei schon seit 2005 offen. Asselborn weiter: „Sie muss dafür nur die festgelegten Bedingungen erfüllen, insbesondere bei der Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit – nur leider ist sie davon unter Erdogan weiter entfernt denn je.“

Ich habe den Eindruck, dass Erdogan pokert und versucht, das Maximale für sich herauszuholen.

Anton Hofreiter (Grüne), Vorsitzender des Europaausschusses im Bundestag

Auch deutsche Politiker widersprachen. „Erdogan sendet widersprüchliche Signale“, sagte die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley (SPD). Einerseits sei er „konstruktiver Vermittler im Krieg Russlands gegen die Ukraine“. Andererseits baue er Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Grundrechte seit Jahren kontinuierlich ab. „Letztere Werte sind jedoch unerlässlich für eine Aufnahme in die EU“, betonte die SPD-Politikerin.

Der FDP-Außenpolitiker Ulrich Lechte nannte Erdogans Bedingung „lächerlich“. „Erdogan spielt ein gefährliches Spiel“, sagte Lechte der „Welt“. „Der türkische Präsident nimmt mit Schweden ein ganzes Land in Geiselhaft und verhindert nicht nur den Nato-Beitritt, sondern dass Europa insgesamt sicherer wird. Die Forderung nach EU-Beitrittsgesprächen aus dem Mund eines Politikers, der europäische Werte wie Presse, Versammlungs- und Meinungsfreiheit seit Jahren systematisch und dauerhaft untergräbt, ist geradezu lächerlich.“

Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), warnte vor einem kostspieligen Deal. „Ich habe den Eindruck, dass Erdogan pokert und versucht, das Maximale für sich herauszuholen“, sagte der Grünen-Politiker dem Tagesspiegel. „Auf dieses Spiel sollte man sich nicht einlassen.“

Erst wenn die Unabhängigkeit der Justiz und die Medienfreiheit wiederhergestellt seien und die Unterdrückung von Opposition und Zivilgesellschaft ein Ende hab, könne „ernsthaft über eine Wiederaufnahme der Beitrittsgespräche diskutiert werden“, führte Hofreiter aus.

Kampfjets als zur Konfliktlösung?

Um den Nato-Beitritt Schwedens ging es auch in einem Telefonat zwischen Erdogan und US-Präsident Joe Biden am Sonntag, bei dem ein Gespräch zwischen beiden am Rande des Nato-Gipfels vereinbart wurde, wie die türkische Präsidentschaft am Sonntag mitteilte.

Demnach sagte Erdogan in dem Telefonat, dass Schweden „einige Schritte in die richtige Richtung unternommen“ hätte. Zudem habe er Biden für die Unterstützung der Forderung nach US-Kampfjets vom Typ F-16 gedankt. Zugleich habe er deutlich gemacht, dass er es nicht für richtig halte, das Thema F-16 mit dem Nato-Beitritt Schwedens zu verknüpfen.

Biden wiederum habe in dem Gespräch erneut seinen Wunsch zum Ausdruck gebracht, Schweden so schnell wie möglich in die Nato aufzunehmen, teilte das Weiße Haus mit.

Biden hatte sich zuvor bei CNN zuversichtlich zum schwedischen Nato-Beitritt geäußert. Er machte deutlich, dass er in den Kampfjets ein Mittel sehe, um die Blockade zu lösen: Die Türkei strebe eine Modernisierung ihrer F-16-Flotte an und auch Griechenland bitte um Hilfe, sagte er.

„Ich versuche also, offen gesagt, so etwas wie ein Konsortium zusammenzustellen, mit dem wir die Nato mit Blick auf die militärische Fähigkeit sowohl von Griechenland als auch der Türkei stärken und Schweden ermöglichen, reinzukommen“, so Biden.

Neben Ungarn ist die Türkei das einzige der 31 Nato-Länder, dessen Parlament die Beitrittsakte Schwedens noch nicht ratifiziert hat. Die Türkei wirft Schweden vor, Zufluchtsort für „Terroristen“ zu sein, womit vor allem Mitglieder der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gemeint sind. Zudem äußerte Erdogan zuletzt scharfe Kritik an einer Koran-Verbrennung in Stockholm.

Die Türkei hat seit Kriegsbeginn ein gutes Verhältnis sowohl zur Ukraine als auch zu Russland aufrecht erhalten. Am Freitag hatte Erdogan seine Unterstützung für eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine zum Ausdruck gebracht. (mit AFP, Reuters)

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