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Bundeskanzler Scholz bei einem Termin mit Nato-Generalsekretär Stoltenberg Mitte Juni.

© AFP/TOBIAS SCHWARZ

Update

Gemeinsam mit den USA: Deutschland wird Nato-Beitritt der Ukraine offenbar blockieren

Der ukrainische Präsident Selenskyj will „nicht zum Spaß“ zum Nato-Gipfel reisen und hofft auf ein eindeutiges Beitrittsversprechen. Doch sowohl Berlin als auch Washington lehnen dies offenbar ab.

| Update:

Beim Nato-Gipfel im litauischen Vilnius werden die 31 Mitgliedstaaten nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen keine Einladung an die Ukraine in das Bündnis aussprechen.

„Für eine Einladung der Ukraine, für konkrete Schritte in Richtung Mitgliedschaft (ist) der Zeitpunkt nicht da“, hieß es am Montag in Berlin. „Hierfür gibt es auch unter den Verbündeten keinen Konsens.“

Aus deutscher Sicht sollte der Fokus nun darauf liegen, dass man der Ukraine in der jetzigen Situation ganz konkret helfe. Deutschland habe dabei als zweitgrößter Unterstützer der Ukraine bei den Waffenlieferungen eine besondere Rolle. Zudem solle die Partnerschaft mit der Ukraine über die Gründung eines Nato-Ukraine-Rats intensiviert werden, der viermal im Jahr tagen soll.

Zuvor hatte die „Bild“-Zeitung unter Berufung auf Nato-Insider berichtet, dass die Bundesregierung gemeinsam mit der US-Regierung die ukrainische Nato-Mitgliedschaftsanfrage zurückweisen wollten. Demnach wollten „die USA und Deutschland die offizielle Anfrage der Ukraine auf Nato-Mitgliedschaft blockieren“.

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Stoltenberg sieht noch keine Einigung über die ukrainische Nato-Perspektive

Die Nato-Mitgliedstaaten haben nach Angaben von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg noch keine endgültige Entscheidung über die Beitrittsperspektive der Ukraine getroffen. Konsultationen über die Bedingungen für den Weg der Ukraine zur Nato-Mitgliedschaft seien weiterhin im Gange, sagte er am Montag in Vilnius nach einem Treffen mit den litauischen Staatspräsidenten Gitanas Nauseda.

Weiter betonte Stoltenberg, er sei jedoch sicher, dass die Verbündeten beim Nato-Gipfel eine gute, starke und positive Botschaft haben werden. Das zweitägige Spitzentreffen beginnt am Dienstag in Vilnius.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach in Vilnius über die Beitrittsperspektive der Ukraine.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach in Vilnius über die Beitrittsperspektive der Ukraine.

© IMAGO/TT/IMAGO/Henrik Montgomery/TT

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hatte zuvor auf Twitter eine angebliche Einigung der Nato-Mitglieder begrüßt, nach der die Ukraine auf vereinfachtem Weg ähnlich wie zuvor Finnland dem Militärbündnis beitreten könne. Demnach hätten die Nato-Verbündeten einen Konsens darüber erzielt, auf den Aktionsplan zur Mitgliedschaft zu verzichten.

Stoltenberg sagte auf Nachfrage dazu nur, dass die 31 Verbündeten noch diskutieren und über genaue Formulierungen verhandeln. Daher werde er nicht näher darauf eingehen.

Nauseda sagte, dass der Verzicht auf den Aktionsplan ein „sehr positiver Schritt nach vorne“ sei und den Weg der Ukraine zur Nato vereinfachen werde. „Aber wir brauchen auch ein ganz klares Signal, dass die Mitgliedschaft der Ukraine in der Nato wirklich möglich ist, wenn die Bedingungen dies zulassen“, sagte der litauische Staatschef laut englischer Übersetzung.

Kuleba fordert Nato nachdrücklich zu Bündnis-Einladung an die Ukraine auf

In einem Interview mit den ARD-„Tagesthemen“ am Montag sagte Kuleba: „Wir glauben, dass jetzt die beste Zeit ist, um eine solche Entscheidung zu fällen“. Davon hänge auch die Teilnahme des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an dem Treffen ab.

„Wir haben jetzt noch 48 Stunden“, sagte Kuleba. Die Verhandlungen zu diesem Thema „mit unseren Partnern“ seien im Gange. Selenskyj werde „eine finale Entscheidung“ zu seiner Teilnahme „auf der Grundlage des Ergebnisses“ dieser Verhandlungen treffen.

Dmytro Kuleba, Außenminister der Ukraine, fordert die Nato nachdrücklich zu einer Bündnis-Einladung auf.
Dmytro Kuleba, Außenminister der Ukraine, fordert die Nato nachdrücklich zu einer Bündnis-Einladung auf.

© dpa/Ameer Al-Mohammedawi

Westlichen Bedenken, durch eine Einladung in einen Krieg mit Moskau hineingezogen zu werden, erteilte Kuleba eine klare Absage. „Wir glauben, dass die Einladung an sich niemanden in einen Krieg ziehen wird“, sagte er. Eine solche sei vielmehr „eine politische Botschaft an die Ukraine“.

Der den Bündnisfall regelnde Artikel 5 hingegen greife erst dann, wenn die Ukraine Nato-Mitglied sei. „Dessen sind wir uns bewusst.“ Die Bündnisstaaten hätten also „nichts zu verlieren, wenn sie diese Einladung aussprechen“.

Nato-Aufnahme sei der „Weg zum Frieden“

Mit Blick auf einen früheren Nato-Gipfel in Bukarest im Jahr 2008 sagte Kuleba, damals seien die Teilnehmer „nicht mutig genug“ gewesen, „diese historische Entscheidung zu treffen“. Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe sich damals klar gegen die Aufnahme der Ukraine in die Nato ausgesprochen. Dies habe noch aggressiveres Verhalten von Russland etwa in Georgien und die Aggression gegen sein Land zur Folge gehabt.

Kuleba rief die Bundesregierung auf, „die Fehler von Merkel aus dem Jahr 2008 nicht zu wiederholen“.

Eine mögliche Aufnahme seines Landes in das Bündnis bezeichnete Kuleba als „Weg zu Frieden in Europa“. „Sobald die Ukraine der Nato beitreten kann, gibt es keine Kriege mehr in Europa.“ Denn seiner Einschätzung nach würde sich Russland dann „nicht trauen, das Bündnis anzugreifen“. Den derzeitigen Krieg könne eine Nato-Mitgliedschaft nicht aufhalten, weitere Kriege hingegen schon.

Die von US-Präsident Joe Biden angebotenen bilateralen Sicherheitsgarantien, so wie sie die USA schon Israel gegenüber leisten, greifen aus Kulebas Sicht zu kurz, sofern sie als Alternative zu einem Nato-Beitritt angesehen würden. Derartige Zusagen seien vielmehr dazu da, „ein Vakuum zu füllen“ bis zur Nato-Mitgliedschaft.

Ukraine fordert formelle Einladung

Die US-Regierung hatte bereits am Sonntag klargestellt, dass die Ukraine aus ihrer Sicht nicht kurzfristig in das Militärbündnis aufgenommen werden könne. Zugleich stellte sie der Ukraine umfassende Sicherheitsgarantien in Aussicht - nach Kriegsende und vor einem möglichen Nato-Beitritt.

Beim Nato-Gipfel am Dienstag und Mittwoch in Vilnius geht es darum, wie die Ukraine an das Bündnis herangeführt werden kann und welche Sicherheitsgarantien ihr nach einem Ende des russischen Angriffskriegs gegeben werden können.

Die Ukraine fordert seit Wochen von der Nato eine formelle Einladung in die Nato. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte am Wochenende seine Teilnahme am Gipfel an die Bedingung geknüpft, dass die Ukraine dort ein Signal für ihre Zukunft in dem Militärbündnis erhalte.

„Wir möchten, dass alle Entscheidungen während des Gipfels getroffen werden. In diesem Fall ist es klar, dass ich dort sein werde“, sagte er in einem am Sonntag veröffentlichten Interview des US-Senders ABC. „Ich will nicht zum Spaß nach Vilnius fahren, wenn die Entscheidung schon vorher gefallen ist.“ (dpa)

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