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Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische Präsident Emmanuel Macron 2022 vor dem Élysée-Palast in Paris.

© Imago/Xinhua

Scholz empfängt Macron: Geht es für das deutsch-französische Verhältnis wieder aufwärts?

Am 6. Juni empfängt Bundeskanzler Scholz seinen französischen Amtskollegen zum Abendessen in Potsdam. Drei Experten analysieren den Zustand der deutsch-französischen Beziehungen.

Ein Candlelight-Dinner in entspannter Atmosphäre mit edlem Wein: Nichts Besseres, um ein kriselndes Paar wieder in Schwung zu bringen. Das hat sich wohl Olaf Scholz gedacht, als er Emmanuel Macron für heute Abend in ein Potsdamer Restaurant eingeladen hat. Das Rezept hat sich in der Vergangenheit bewährt. Wie oft hat Helmut Kohl François Mitterrand zu sich nach Hause eingeladen.

Weit weg vom steifen Zeremoniell des Kanzleramts, weit weg von Berlin, werden Olaf und Emmanuel über bevorstehende internationale Termine sprechen, aber vor allem werden sie versuchen, nach all den Reibereien der letzten Monate – von der Atomkraft über die CO₂-Emissionen von Autos bis hin zur europäischen Verteidigungspolitik und den Beziehungen zu Washington – ein Bild der Harmonie zu vermitteln.

Zweifellos wird das Menü raffinierter sein als Saumagen (ich wette auf Beelitzer Spargel!). Und die prächtigen Paläste des preußischen Königs machen wesentlich mehr her als der bescheidene Pavillon der Familie Kohl in Oggersheim.

Und sollte dieses Tête-à-Tête nicht ausreichen, um die Flamme neu zu entfachen, fährt Deutschland die schweren Geschütze auf: Es lädt Emmanuel Macron Anfang Juli zu einem Staatsbesuch ein. Dem ersten eines französischen Präsidenten seit dem Jahr 2000.


Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie stottert manchmal. Auch andere „deutsch-französische Paare“ vor Olaf Scholz und Emmanuel Macron haben lange gebraucht, um einen Modus Operandi zu finden. Die Persönlichkeiten sind oft unterschiedlich. Das gilt auch für die beiden. Der intimere Rahmen eines Restaurants im Wahlkreis des Bundeskanzlers soll helfen, sie einander näherzubringen.

Die russische Invasion in der Ukraine hat ihnen wenig Zeit zum Kennenlernen gelassen. Der Konflikt hat die traditionellen Differenzen zwischen Deutschland und Frankreich – in Fragen der Verteidigung, Energie sowie der Finanz- und Handelspolitik – verschärft.

Der Stern von Emmanuel Macron ist in Deutschland verblasst. Die Äußerungen des Präsidenten zu China und Taiwan haben in Berlin ungewöhnlich viel Kritik hervorgerufen. Der Schock, den die Verschiebung des gemeinsamen Ministerrats im letzten Herbst ausgelöst hatte, war letztlich heilsam, es folgten zahlreiche bilaterale Treffen, man zeigte sich bereit, Kompromisse zu finden.

Bei der Ankündigung des Staatsbesuchs von Macron Anfang Juli in Deutschland sprachen Paris und Berlin von einer „neuen Etappe“ für die bilateralen Beziehungen. Doch konkrete gemeinsame Vorschläge werden beweisen müssen, dass der diplomatischen Rhetorik auch Taten folgen.


Frankreich und Deutschland sind nicht alles für Europa. Doch ohne die beiden Länder kann es kein starkes, geeintes Europa geben. Wie es um die Partnerschaft zwischen den beiden bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten Ländern der EU steht, ist keinesfalls nur von bilateraler Bedeutung.

Es ist ausschlaggebend dafür, ob und wie es gelingt, die EU fit für die Zukunft zu machen und vor möglichen Beitrittswellen die nötigen Reformen anzugehen. Und es ist ein wichtiger Faktor für Europas Geschlossenheit nach außen, die zuletzt stark gelitten hat. Von beiden Seiten gab es immer wieder Alleingänge, sei es mit Blick auf Waffenlieferungen an die Ukraine, die China-Politik oder den Doppelwumms.

Die Vorstöße von Macron und Scholz, gemeinsam in den Konflikten im Kosovo und in Bergkarabach zu vermitteln, weisen den Weg eines konstruktiven, starken Tandems in Europa. Eine Liebe auf den ersten Blick war es zwischen Scholz und Macron mit Sicherheit nicht. Umso wichtiger ist es nach den Reibungen der letzten Monate, dass sie die Beziehungsarbeit jetzt ernst zu nehmen scheinen.

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