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Ein US-Kampflugzeug vom Typ F-16 Falcon startet auf der Airbase Spangdahlem in Deutschland. (Archivbild)

© dpa/Boris Roessler

F-16-Flugzeuge für die Ukraine?: Die 6 wichtigsten Fragen und Antworten zur möglichen Kampfjet-Koalition

Großbritannien und die Niederlande wollen Länder zusammenbringen, um der Ukraine F-16-Kampfjets zu liefern. Was ist von dem Vorstoß zu erwarten? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Großbritannien und die Niederlande wollen eine internationale Koalition schmieden, um die Ukraine mit Kampfflugzeugen zu beliefern. Der britische Premierminister Rishi Sunak und der niederländische Regierungschef Mark Rutte hätten sich am Rande eines Gipfeltreffens des Europarats in Islands Hauptstadt Reykjavik auf ein solches Vorgehen verständigt, teilte ein Sprecher der britischen Regierung am Dienstag mit.

Die Ukraine solle F-16-Kampfflugzeuge erhalten und auch bei der Ausbildung unterstützt werden. Zuvor hatte sich bereits der französische Präsident Emmanuel Macron erklärt, es gebe in dieser Sache keine Tabus. Beide Länder hatten zuvor zugesagt, ukrainische Piloten an westlichen Jets auszubilden.

Die USA hingegen halten weiterhin an ihrem Nein zu möglichen F-16-Lieferungen fest. Wie also ist der europäische Vorstoß zu bewerten? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

1. Warum will die Ukraine F-16-Kampfjets?

Die Chance zukünftiger Offensiven würden deutlich steigen, bekäme Kiew aus dem Westen tatsächlich F-16-Kampfjets geliefert. Sobald die ukrainischen Piloten an den Maschinen ausgebildet wären, könnten sie zum einen die Logistikrouten und damit die Versorgung der russischen Truppen unter Beschuss nehmen. Bisher ist die Ukraine hier auf den weniger effektiven Einsatz von Boden-Boden-Raketen angewiesen.

Der Westen zwinge Kiew durch seine Blockadehaltung bei der Lieferung von Kampfflugzeugen „auf die harte Tour zu kämpfen“, sagte Oberst Markus Reisner, Kommandant der Garde des Österreichischen Bundesheeres, bereits vor einigen Wochen im Interview mit dem Tagesspiegel. Auch die Luftüberlegenheit ließe sich zumindest zeitweise auf dem Schlachtfeld leichter herstellen. Gerade beim Durchbruch an einzelnen Frontabschnitten wäre das wichtig, erklärte Reisner.

Allerdings: Bei der jetzigen Offensive der Ukraine werden F-16-Jets aufgrund ihrer Lieferzeit keine Rolle mehr spielen.

Sollten die Flugzeuge gegen Ende des Jahres eintreffen, würde das zudem die Luftverteidigung der Ukraine stärken. Russische Drohnen und Raketen ließen sich aus der Luft deutlich leichter abfangen. Gezielte Angriffe auf die Energieinfrastruktur und zivile Ziele in der Ukraine wären dann für Russland schwieriger durchzuführen.

Zuletzt wären die Maschinen in großer Zahl verfügbar. Allein die USA besitzen mehr als 2000 Stück, weltweit sind mehr als 3000 im Einsatz.

2. Wie schnell können Piloten ausgebildet werden?

Die lange Ausbildungszeit der Piloten nannten vor allem die USA zuletzt immer wieder als Hinderungsgrund für eine Lieferung. Allerdings hat die ukrainische Armee des Öfteren bewiesen, dass sie im Umgang mit westlichen Waffensystemen schnell dazulernt – sei es bei den Mehrfachraketenwerfern Himars oder westlichen Kampfpanzern.

Auch westliche Experten unterstreichen immer wieder die außergewöhnliche Lernfähigkeit der ukrainischen Armee. Aus der Ukraine heißt es, die Luftwaffe wäre innerhalb von drei Monaten in der Lage, sich an das neue Gerät zu gewöhnen.

3. Warum stellen sowjetische MiG-29-Maschinen keine echte Alternative dar?

Polen hat der Ukraine bereits fünf MiG-29 aus früheren Beständen der NVA übergeben. Eine Alternative zu möglichen F-16-Lieferungen stellen die in die Jahre gekommenen Maschinen jedoch nicht dar, zu groß ist ihre technische Unterlegenheit.

Der britische Militärexperte Phillips O’Brien berichtet von einem Treffen mit ukrainischen Vertretern der Luftwaffe: „Die Aussicht auf weitere MiG-29 löste entweder Augenrollen oder Verärgerung aus. Die verbliebenen Maschinen, zu denen die Ukraine Zugang hat, sind meist nicht modernisiert und wurden oft seit Jahren nicht mehr eingesetzt“, schreibt er.

4. Was ist der Vorstoß der Niederlande und Großbritannien wert?

Allein wenig. Ohne ein „Ja“ aus Washington geht nichts. Die US-Regierung muss den Verkauf oder die Weitergabe von F-16-Kampfflugzeugen von Partnerländern an Drittländer genehmigen. Das bedeutet: Jedes NATO-Mitglied, das seine in den USA hergestellten Kampfjets in die Ukraine schicken möchte, braucht zunächst grünes Licht der Biden-Regierung.

Das gilt auch für die gut 40 F-16-Jets der Niederlande, die aus der Produktion der US-Firma Lockheed Martin stammen. Dänemark verfügt über 77 solcher Maschinen, Polen derzeit über 48.

Großbritannien, Deutschland und Frankreich, die drei einflussreichsten europäischen G7-Nationen, haben hingegen keine F-16 in ihrem Arsenal.

Ein F-16-Jet der polnischen Luftwaffe steht während der Nato-Übung „Ramstein Legacy 2022“ auf einer polnischen Luftwaffenbasis.

© dpa/Jakub Kaczmarczyk

Fakt ist jedoch: Nur durch eine geschlossene europäische Haltung – respektive Forderung – ließe sich der Druck auf Washington erhöhen. Auch ohne eigene Flugzeuge hat die Haltung Berlins in dieser Frage deshalb besonderes Gewicht.

5. Welche Position bezieht Deutschland in der Debatte bisher?

Bundeskanzler Olaf Scholz hat eine Lieferung von Kampfjets bisher abgelehnt. Ende Januar warnte er im Tagesspiegel davor, in einen „ständigen Überbietungswettbewerb einzusteigen, wenn es um Waffensysteme geht“ Auch beim Besuch von Selenskyj am Wochenende in Berlin zeigte sich Scholz diesbezüglich zurückhaltend.

„Im Hinblick auf uns sind keine Anforderungen da“, sagte Scholz am Mittwoch nach dem Gipfeltreffen des Europarats in Reykjavik. Auf die Frage, ob Deutschland sich an einer geplanten internationalen „Kampfjet-Koalition“ beteiligen werde, sagte der Bundeskanzler: „Die Frage ist nicht so aktuell, wie sie gestellt wird.“

Die Union fordert die Bundesregierung aber dazu auf, „ihre nach langem Zögern begonnene Lieferpolitik im großen Maßstab fortzusetzen“. Entsprechend äußerte sich CDU/CSU-Fraktionsvize Johann Wadephul im Tagesspiegel.

Deutschland betreibe keine F-16-Kampfjets, sagte Wadephul. Aber „im Sinne einer für die Ukraine gewinnbringenden Arbeitsteilung sollte dies Anlass sein, dass Deutschland weiterhin im Schwerpunkt die Ertüchtigung der ukrainischen Landstreitkräfte vorantreibt“. Mit den Leopard-Panzern 1 und 2 und Unterstützungspanzern könne Deutschland hier auf absehbare Zeit einen zentralen Beitrag für den Befreiungskampf der Ukraine leisten.

Wenn Großbritannien und die Niederlande nun eine Kampfjet-Koalition gründen, stärkt dies die Ukraine.

CDU/CSU-Fraktionsvize Johann Wadephul

Wenn Großbritannien und die Niederlande nun eine Kampfjet-Koalition gründeten, stärke dies die Ukraine, sagte der CDU-Politiker: „Doch bei Luftstreitkräften gilt noch viel mehr als bei Landstreitkräften, dass es keine große Modellvielfalt geben darf, denn das erschwert die bei Flugzeugen sowieso schon hochkomplexe Wartung und Ersatzteillieferung wie auch die Ausbildung von Piloten und Mechanikern.“ Darum ist sei es richtig, dass man sich auf die Lieferung des US-Modells F-16 zu einigen scheine.

Auch die SPD zeigt Sympathie für den Vorstoß Londons und Den Haags, verweist aber auf eine andere Ausgangslage Berlins. „Es ist begrüßenswert, dass einige unserer Verbündeten, die F-16-Kampfjets besitzen, nun ukrainische Piloten ausbilden wollen. Wir haben dagegen keine Vorbehalte“, sagte Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion dem Tagesspiegel.

Die deutsche Haltung sei „pragmatisch, nicht dogmatisch“ und laute: „Da wir keine geeigneten Kampfflugzeuge haben, die sogleich eingesetzt werden könnten, konzentrieren wir uns darauf, der Ukraine das zu liefern, wo wir stark sind und viel besser helfen können: mit Panzer und Luftabwehr.“

6. Warum blockieren die USA?

Darüber kann nur spekuliert werden. Die offizielle Position Washingtons lautet, man liefere der Ukraine nur Waffen, die sie auch einsetzen könne, außerdem seien andere Waffensysteme dringender. Und wichtig zu wissen: Auch die Mittel, die in Washington für die Ukraine-Hilfe zur Verfügung stehen, neigen sich dem Ende zu. Teure Kampfflugzeuge könnten also tatsächlich die Lieferung anderer System unwahrscheinlicher machen.

Colin Kahl, US-Unterstaatssekretär für Verteidigungspolitik, erklärte in den letzten Wochen immer wieder, dass die Ukraine 18 Monate bräuchte, um F-16-Jets einzusetzen. Man solle aufhören, die USA zu drängen, da diese Flugzeuge niemals rechtzeitig eintreffen würden. Die ukrainische Luftwaffe geht dagegen davon aus, dass die Piloten die Maschinen innerhalb von sechs Monaten beherrschen würden. Noch am Montag hieß es aus der Biden-Regierung, man habe seine Position zu den Lieferungen nicht geändert.

Im Januar allerdings schrieb die „New York Times“ unter Berufung auf US-Offizielle, dass die USA durchaus bereit wären, die Lieferung der Kampfjets zu unterstützen, wenn andere Länder die Flugzeuge liefern wollten. Nach einem kategorischen Nein klingt das nicht.

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