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Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Termin in Jerusalem.

© REUTERS/RONEN ZVULUN

Update

„Russland ist heute eine Diktatur“: Kanzler Scholz wird Kremlchef Putin nach Wahl nicht gratulieren

Mehrere westliche Staaten zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Russland-Wahl. Auch die Bundesregierung geht den Kreml hart an. Derweil freut sich China auf eine „neue Ära“ mit Putin.

| Update:

Die Bundesregierung erkennt den Wahlsieg von Amtsinhaber Wladimir Putin bei der Präsidentschaftswahl in Russland „nicht als rechtmäßig“ an. Bundeskanzler Olaf Scholz wird Wladimir Putin nicht zur Bestätigung im Amt gratulieren, hieß es in Berlin.

„Es war keine demokratische und faire Wahl“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Montag zu den Wahlen in Russland. „Der Bundeskanzler hat nicht gratuliert“, fügte sie hinzu.

Das Ergebnis habe eindeutig bereits vorher festgestanden und der Wahlkampf sei von einem „Klima der Einschüchterung“ geprägt gewesen, sagte Hoffmann weiter.

„Es gibt keine Meinungsfreiheit in Russland. Russland, das hat ja der Bundeskanzler auch bereits gesagt, ist heute eine Diktatur und wird von Wladimir Putin autoritär beherrscht“, so Hoffmann.

Zur Frage, ob die Bundesregierung Putin dennoch als Präsident ansprechen wolle, sagte Hoffmann, die Frage stelle sich derzeit nicht. Die Kontakte zu Russland seien „sehr heruntergefahren“.

Baerbock kritisiert „Wahl ohne Wahl“ und kündigt neue Sanktionen an

Auch das Auswärtige Amt hatte zuvor die Haltung der Bundesregierung zur Russland-Wahl verdeutlicht. „Die Wahl in Russland war eine Wahl ohne Wahl“, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock am Montag vor Beratungen der EU-Ressortchefs in Brüssel.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock im EU-Hauptquartier in Brüssel.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock im EU-Hauptquartier in Brüssel.

© AFP/KENZO TRIBOUILLARD

Dass auch in Teilen der Ukraine, Moldaus und Georgiens abgestimmt worden sei, „ist völkerrechtswidrig“. Der Wahlvorgang verstoße gegen die Charta der Vereinten Nationen, so Baerbock.

Der Wahlvorgang zeigt nicht nur das ruchlose Vorgehen Putins gegenüber seinem eigenen Volk, sondern auch gegen die Charta der Vereinten Nationen.

Annalena Baerbock, Bundesaußenministerin

Zugleich würdigte Baerbock die russischen Bürger, die während der Wahl ihren Protest gegen Kremlchef Wladimir Putin zum Ausdruck gebracht hatten .„Dass man in ein Wahllokal geht, selbst wenn Soldaten einen begleiten, das erfüllt mich mit allergrößtem Respekt.“ 

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Zudem kündigte Baerbock neue Russland-Strafmaßnahmen der EU an. „Wir werden heute Sanktionen auf den Weg bringen mit Blick auf den Tod von Alexej Nawalny“, sagte die Grünen-Politikerin. Die neuen Strafmaßnahmen sollen mit Hilfe des EU-Sanktionsinstruments zur Ahndung von schweren Menschenrechtsverstößen verhängt werden.

EU kritisiert „Unterdrückung und Einschüchterung“

Auch die Europäische Union sprach der Wahl in Russland die Rechtmäßigkeit ab. Präsident Putin sei aufgrund von „Unterdrückung und Einschüchterung“ wiedergewählt worden, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell vor dem Außenministertreffen. „Dies waren keine freien und fairen Wahlen“, sagte er.

Europa sollte das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in Russland nach Ansicht von CSU-Vize und EVP-Chef Manfred Weber nicht anerkennen. „Wir hatten keine Wahlen in Russland, jeder weiß das. Und deswegen wird Europa sich die Frage stellen müssen, ob wir diese Ergebnisse anerkennen. Und ich plädiere dafür, diese Ergebnisse nicht anzuerkennen“, sagte Weber, der auch der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europarlament ist, am Montag in München.

Europa müsse „das wahre Gesicht dieses Regimes“ zeigen. Dazu gehöre auch, dass die es keine demokratische Wahl in Russland gegeben habe. „Putin regiert mit eiserner Hand, mit brutaler, eiserner Hand dieses Land und will uns unsere Werte streitig machen. Und deshalb muss Europa zusammenstehen, da auch beim anstehenden Gipfel ein klares Wording finden, dass wir dieses Regime nicht anerkennen“, betonte Weber.

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Die Wahl zeige das Ausmaß der Unterdrückung unter Putins Regime, die jeden zum Schweigen bringen wolle, der gegen seinen illegalen Krieg sei, teilte der britische Außenminister David Cameron am Montag mit. „Putin entfernt seine politischen Gegner, kontrolliert die Medien und krönt sich dann zum Sieger. Das ist keine Demokratie“, zitierte das Außenministerium den Politiker.

Beinahe wortgleich äußerte sich auch der Sprecher von Premierminister Rishi Sunak. Die Regierung in London kritisierte scharf, dass Russland auch in besetzten Gebieten in der Ukraine Wahlen abgehalten hatte. „Diese Regionen werden immer ukrainisch sein“, hieß es in der Mitteilung des Außenamts. 

Die baltischen Staaten schlossen sich der Kritik an. „Recht kann nicht aus Rechtlosigkeit entstehen, und international anerkannte Legitimität kann nicht aus Zwang, Unterdrückung und Betrug entstehen“, erklärte Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis. „Deshalb betrachten wir dieses gefälschte und vorgetäuschte Verfahren nicht als Wahl und nennen es auch nicht so, da es sich leider eher um eine tragische Farce handelt.“

Auch die Außenministerien in Estland und Lettland verurteilten die „sogenannten Wahlen in Russland“ als weder frei noch fair. „Putin fehlt jegliche demokratische Legitimität, er ist ein Autokrat und das schon seit langem. Hier hat sich nichts geändert“, teilte Estlands Außenminister Margus Tsahkna mit. „Putins richtiger Platz ist in Den Haag“, führte er mit Blick auf den Internationalen Strafgerichtshof aus.

Chodorkowski fordert Verzicht auf Handschläge mit Putin

Der im Exil lebende Kremlkritiker Michail Chodorkowski sprach ebenfalls von Wahlbetrug. „Das sind Ergebnisse, an die kein normaler Mensch in Russland glauben kann“, sagte er in Berlin. Seiner Einschätzung nach habe höchstens jeder zweite Wähler teilgenommen.

Der russische Oppositionspolitiker und frühere Ölmagnat Michail Chodorkowski bei einer Pressekonferenz der Denkfabrik Liberale Moderne in Berlin.
Der russische Oppositionspolitiker und frühere Ölmagnat Michail Chodorkowski bei einer Pressekonferenz der Denkfabrik Liberale Moderne in Berlin.

© dpa/Friedemann Kohler

Für die internationale Gemeinschaft sei es wichtig, Putin nach der Scheinwahl nicht mehr als legitim zu betrachten, sagte Chodorkowski, der wegen seiner Gegnerschaft zu Putin zehn Jahre im Gefängnis gesessen hat. 

„Je weniger Legitimität Putin hat, desto weniger Möglichkeiten hat er für Mobilisierungsmaßnahmen“, sagte der frühere Ölunternehmer mit Blick auf den Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Die russische Gesellschaft denke „zutiefst europäisch“ und nehme wahr, wie der Kremlchef behandelt werde. „Wenn westliche Staats- und Regierungschefs Putin die Hand schütteln, bedeutet das eine starke Legitimation für ihn“, sagte Chodorkowski.

Zuvor hatte auch die französische Regierung die Umstände der russischen Präsidentenwahl kritisiert. Man nehme das erwartete Ergebnis zur Kenntnis, hieß es in einer Mitteilung des Außenministeriums in Paris.

„Die Bedingungen für eine freie, pluralistische und demokratische Wahl sind ein weiteres Mal nicht erfüllt worden“, hieß es darin weiter. Auch seien internationale Standards über gleichen Zugang der Kandidaten zu Medien nicht eingehalten worden, kritisierte das Ministerium.

Wagenknecht fordert anderen Umgang mit Russland

BSW-Parteichefin Sahra Wagenknecht forderte nach der Wahl einen anderen Umgang mit Russland. „Dass wir das autokratische Machtsystem in Russland nicht gut finden, ist völlig klar. Und natürlich war das keine faire und freie Wahl“, sagte sie am Montag der Deutschen Presse-Agentur.

Trotzdem dürfe man „die Augen nicht davor verschließen, dass auch unabhängige Meinungsinstitute darauf hinweisen, dass der Rückhalt für (Kremlchef Wladimir) Putin in der russischen Bevölkerung hoch ist und wir in den nächsten Jahren mit ihm rechnen müssen“.

„Unfreieste Fake-Wahlen seit Ende der Sowjetunion“

Bereits am Sonntagabend war bekanntgegeben worden, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier keine Glückwunsche an Putin übermitteln werde. „Es wird kein Schreiben an Putin geben“, sagte Sprecherin Cerstin Gammelin dem Tagesspiegel.

Auch aus dem parlamentarischen Berlin hatte es bereits am Sonntag scharfe Kritik an der Wahl gegeben. „Es handelt sich um die unfreiesten Fake-Wahlen seit Ende der Sowjetunion“, sagte etwa Michael Roth (SPD), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, dem Tagesspiegel.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach ebenfalls von Wahlbetrug. „Diese Wahlfälschung hat keine Legitimität und kann keine haben“, sagte er am Sonntag in seiner abendlichen Videoansprache. „Jedem in der Welt ist klar, dass diese Figur (Putin), wie schon so oft in der Geschichte, einfach nur machtbesessen ist und alles tut, um lebenslang zu regieren.“

Bereits nach Bekanntgabe erster Teilergebnisse hatte ich Polen zur Wahl geäußert. „Russlands Präsidentschaftswahl ist nicht legal, frei und fair“, erklärte das Außenministerium in Warschau am Sonntagabend. Die Wahl sei „unter scharfen Repressionen“ und in besetzten Teilen der Ukraine unter Missachtung internationalen Rechts abgehalten worden.

Chinas Präsident Xi freut sich auf „neue Ära“ mit Putin

Mit Russland verbündete Staaten wie China gratulierten Putin hingegen zu seinem Sieg. Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping habe bereits mit Putin telefoniert. Er vertraue darauf, dass Russland unter Putins Führung noch größere Erfolge bei der Entwicklung und dem Aufbau des Landes erreichen könne, sagte Xi laut dem chinesischen Staatsfernsehen.

„China und Russland sind ihre jeweils größten Nachbarländer und strategische Kooperationspartner in einer neuen Ära“, sagte Außenamtssprecher Lin Jian. Peking ist Moskaus wichtigster Verbündeter. 

Der iranische Präsident Ebrahim Raisi gratulierte Putin zu dessen „solidem Sieg“. Auch die autoritär regierten Länder Venezuela, Nicaragua, Kuba und Bolivien gratulierten dem russischen Staatschef. 

„Mit mehr als 87 Prozent (der Stimmen) hat Putin den Krieg gegen das Imperium des kollektiven Westens völlig gewonnen“, zitierte die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass den venezolanischen Staatschef Nicolás Maduro.

Auch Nicaraguas Präsident Daniel Ortega sprach von einem Triumph, der zur Stabilität und einer besseren Zukunft der Menschheit beitragen werde. Die Wahlen selbst seien vorbildlich und ruhig verlaufen, sagte Ortega demnach.

Auch Tadschikistan zufrieden mit Ergebnis

Tadschikistans Präsident Emomali Rachmon sprach ebenfalls von einem überzeugenden Sieg Putins. Er hoffe auf die weitere Entwicklung der bilateralen Beziehungen, heißt es in einer Mitteilung des Pressedienstes von Rachmon.

Der tadschikische Staatschef ist noch länger als Putin selbst im Amt und führt die zentralasiatische Ex-Sowjetrepublik bereits seit Anfang der 1990er Jahre. 

Russlands zentrale Wahlkommission erkannte Putin mit 87,3 Prozent der Stimmen den Sieg zu. „Das ist ein Rekordergebnis“, sagte Wahlleiterin Ella Pamfilowa am Montag bei der Vorstellung der vorläufigen Resultate – das offizielle Wahlergebnis soll am Donnerstag präsentiert werden. Auch die Beteiligung liege mit 77,44 Prozent auf dem höchsten Stand überhaupt.

Laut Pamfilowa, die seit 2016 Wahlleiterin ist, ist die hohe Wahlbeteiligung eine Antwort der russischen Bürger auf den angeblichen Druck, der von außen auf das Land ausgeübt worden sei. Berichten unabhängiger Beobachter zufolge haben aber vor allem staatliche Institutionen und Konzerne massiven Druck auf Angestellte ausgeübt, zur Abstimmung zu gehen.

Wahlleiterin bezeichnet Vorwürfe als „primitives Höhlendenken“

Pamfilowa bezeichnete die Vorwürfe einer unfreien und unfairen Wahl als „primitives Höhlendenken“. Diese Vorurteile würden allein vom Westen geschürt, der den Sieg Putins vorausgesehen habe, aber mit dem Ergebnis nicht einverstanden sei. „Wir sind überzeugt davon, dass unser Land frei ist, mit einem freien Willen und einem hochgebildeten Volk, dass weder Druck von innen noch von außen duldet“, sagte sie.

Putin ist mittlerweile seit rund einem Vierteljahrhundert in Russland an der Macht. Er steht nun vor einer weiteren sechsjährigen Amtszeit. Sein Sieg galt von vornherein als ausgemacht. Alle bekannteren Kritiker des Kreml-Chefs sind entweder tot, inhaftiert oder im Exil. (dpa, AFP, Reuters)

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