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Michael Roth (SPD) spricht bei der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Exklusiv

Reaktionen zur Abstimmung in Russland: „Unfreieste Fake-Wahlen seit Ende der Sowjetunion“

Deutsche Außenpolitiker zweifeln die Rechtmäßigkeit der Präsidentschaftswahl in Russland an. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses spricht dem Kreml „faschistische und totalitäre Züge“ zu.

Bei der von Manipulationsvorwürfen begleiteten Präsidentenwahl hat die Wahlkommission Kremlchef Wladimir Putin nach Auszählung der ersten Stimmzettel knapp 88 Prozent zugesprochen. Das teilte die Wahlleiterin Ella Pamfilowa am Sonntagabend nach Auszählung von fast einem Viertel der Stimmzettel mit. Es gilt als das beste ihm je zuerkannte Ergebnis.

Die Wahlbeteiligung wurde mit über 74 Prozent angegeben – ebenfalls ein Rekord. Kritiker wiesen jedoch darauf hin, dass er nur durch Repressionen und Zwang erreicht wurde. Beobachter haben die Abstimmung als undemokratisch eingestuft, weil keine echten Oppositionskandidaten zugelassen waren. Zudem gibt es in Russland keine Versammlungsfreiheit, die vom Kreml gesteuerten Medien sind gleichgeschaltet. Putins drei Mitbewerber waren nicht nur alle auf Kreml-Linie, sondern galten auch von vornherein als komplett chancenlos.

Aus Berlin kam scharfe Kritik an der Wahl. „Es handelt sich um die unfreiesten Fake-Wahlen seit Ende der Sowjetunion“, sagte Michael Roth (SPD), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, dem Tagesspiegel. Er warf dem Regime „Wahlmanipulation“ vor. „Die Fake-Wahlen waren in Teilen völkerrechtswidrig. In den vorübergehend besetzten und annektierten ukrainischen Gebieten dürfen die Wahlen und auch das Ergebnis nicht anerkannt werden“, sagte Roth.

Die Zentrale Wahlkommission veröffentlichte am Sonntagabend erste Prognosen zur Präsidentschaftswahl in Russland.
Die Zentrale Wahlkommission veröffentlichte am Sonntagabend erste Prognosen zur Präsidentschaftswahl in Russland.

© AFP/stringer

Es gebe in Russland keine Opposition, keine unabhängige Wahlbeobachtung, die wenigen unabhängigen Medien seien verboten, die Zivilgesellschaft werde kriminalisiert und die wenigen Oppositionellen ermordet oder eingesperrt, sagte der SPD-Politiker.

„Das Regime ist so paranoid wie nie zuvor. Es gibt diesmal noch nicht mal einen ,systemischen’ Oppositionskandidaten“, sagte Roth: „Putins Regime hat faschistische und totalitäre Züge. Es braucht den Krieg und den Konflikt mit dem Westen als Legitimation.“ Im Unterschied zu Belarus werde Putin und sein Regime mehrheitlich unterstützt. Roth sagte, in Deutschland gebe es eine „naive Hoffnung auf ein besseres Russland. Das mag es geben. Aber eben nur in homöopathischen Dosen.“

„Putin setzt fest im Sattel“

Es gebe keinen ernst zu nehmenden Widerstand gegen das Regime. „Putin sitzt fest im Sattel. Die große Mehrheit ist apathisch und unpolitisch“, sagte der SPD-Politiker: „Deshalb müssen wir weiterhin den russischen Imperialismus einzudämmen versuchen – durch Abschreckung und Wehrhaftigkeit. Das gelingt am besten über einen Sieg der Ukraine.“

„87 Prozent ist das von Putin festgelegte Ergebnis in einer reinen Farce“, sagte der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen dem Tagesspiegel: „Diese Farce dient der Scheinlegitimierung des Krieges Putins gegen die Ukraine. Neue Rekrutierungen von Soldaten und die Entbehrungen der Kriegswirtschaft in Russland werden nun als angeblicher Wille des Volkes dargestellt werden.“

Putins ,Wiederwahl‘ war von vorneherein gesichert, denn alle Gegner waren im Vorfeld ermordet, verhaftet, verbannt oder von der Teilnahme ausgeschlossen worden. 

Michael Link, FDP-Fraktionsvize

Der für Außenpolitik zuständige FDP-Bundestagsfraktionsvize Michael Link sagte dem Tagesspiegel: „Putins ,Wiederwahl‘ war von vorneherein gesichert, denn alle Gegner waren im Vorfeld ermordet, verhaftet, verbannt oder von der Teilnahme ausgeschlossen worden.“ Link sagte weiter: „Der Gipfel des Zynismus ist die behauptete Rekordzustimmung von 88 Prozent. Umso mehr Respekt verdienen die mutigen Akteure der Zivilgesellschaft, die gegen diese Pseudo-Wahlen demonstrierten. Auch eine unabhängige Wahlbeobachtung durch die OSZE war von Russland nicht zugelassen worden.“

Proteste vor Russischer Botschaft

Am Sonntagnachmittag hatten Hunderte Menschen vor der russischen Botschaft in Berlin angestanden, um ihre Stimme abzugeben. Die Schlange zog sich über die Straßen Unter den Linden, Glinkastraße und Behrenstraße.

Diese Straßen rund um das Botschaftsgebäude waren von der Polizei abgesperrt. Bei winterlicher Kälte und Sonne mussten die Menschen stundenlang ausharren, um sich nur langsam dem Botschaftseingang zu nähern.

Vor der Botschaft gab es Proteste gegen Putin, den Krieg Russlands gegen die Ukraine und die fingierte Wahl. Die Witwe des Kremlkritikers Alexej Nawalny, Julia Nawalnaja, zählte zu den Wartenden in der Schlange. Mehrfach ertönten „Julia, Julia“-Jubelrufe. Nawalnaja winkte ihren Anhängern zu.

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