zum Hauptinhalt
Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat sich bisher nur selten in der Nähe der Front blicken lasssen.

© Action Press/Tass/Russian Defence Ministry Press Office/Vadim Savitsky

Schoigu auf Konfrontationskurs: Der russische Verteidigungsminister und die widerspenstigen Söldner-Armeen

Das russische Militär hat die erste Privatarmee unter Vertrag genommen. Die skurrile Inszenierung zeigt, dass es mit dem Gewaltmonopol der Sicherheitsorgane in manchen Fällen nicht weit her ist.

Seit dem ersten Tag des Krieges gegen die Ukraine hat der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu ein Problem: Niemand hält ihn für einen Strategen. In den letzten Tagen versucht er auffällig, seine Autorität zu festigen. Und das geht schief.

Schoigus Behauptungen, die russische Armee schlage die ukrainische Gegenoffensive erfolgreich zurück, ist offensichtlich übertrieben. Die Auswertung von Satellitenbildern straft den Minister Lügen, sie zeigen den langsamen Vormarsch ukrainischer Truppen in verschiedenen Richtungen.

Jetzt erließ Schoigu den Befehl, der offenbar das Gewaltmonopol der Armee wiederherstellen soll. Alle in der Ukraine kämpfenden Söldnertruppen haben bis zum 1. Juli einen Vertrag mit dem Verteidigungsministerium zu schließen – und der wichtigste Söldnerführer, Jewgeni Prigoschin, widersetzt sich. Wie nicht anders zu erwarten.

Jewgeni Prigoschin, der Chef der Söldnertruppe Wagner.

© dpa/AP/Prigoschin Pressedienst/Uncredited

Die Tschetschenen gehen bei dem Spiel voran

Also musste am Montag eine Inszenierung herhalten. Den ersten Vertrag schloss der russische Generalstab mit der sogenannten schnellen Eingreiftruppe „Achmat“. Ihren Angehörigen, einer Truppe von mehreren tausend Mann, werden zahlreiche Kriegsverbrechen in der Ukraine vorgeworfen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Sie besteht aus tschetschenischen Kämpfern, die offiziell in Rosgwardija, die russische Nationalgarde, eingegliedert sind. Faktisch hat also das russische Verteidigungsministerium einen Vertrag mit dem russischen Innenministerium, zu dem Rosgwardija gehört, geschlossen.

Doch diese skurrile Inszenierung zeigt, dass es mit dem Gewaltmonopol der russischen Sicherheitsorgane in manchen Fällen nicht weit her ist.

Ramsan Kadyrov, der starke Mann der Tschetschenen.

© Imago/Itar-Tass/Yelena Afonina

Tatsächlich sind die „Achmat“-Kämpfer nicht Moskau, sondern nur einem ergeben: dem tschetschenischen Machthaber Ramsan Kadyrow. Der wiederum hat aber seine unbedingte Loyalität zum Kreml Dutzende Male, und nun erneut wieder, unter Beweis gestellt.

Der Einsatz von Söldnern im Krieg gegen die Ukraine hat für den Kreml eine Reihe von Vorteilen. Die Kosten belasten nicht den Staatshaushalt, Präsident Wladimir Putin muss keine Generalmobilmachung verkünden, und bei toten Söldnern entstehen keine Verpflichtungen für den russischen Staat, die Familienmitglieder zu entschädigen. Das soll sich mit den Verträgen jetzt ändern: Hinterbliebene sollen künftig Zuwendungen erhalten.

Auch Wachfirmen großer russischer Rohstoffkonzerne schützen seit geraumer Zeit nicht nur die eigenen Besitzungen. So finanziert nach Recherchen der BBC beispielsweise Gazpromneft, die Öl-Tochter des Gazprom-Konzerns, irreguläre Truppen im Ukraine-Krieg. Die Einheiten von Gazprom nennen sich Fakel, Potok und Redut.

Wagner-Chef Prigoschin hat ihren Einsatz in Bachmut bestätigt. Er beklagte kürzlich im Telegram-Kanal „Novosti Osetii“ jedoch auch, dass diese Einheiten kaum in der Lage seien, wirkungsvoll zu kämpfen. Ihnen fehlten Ausbildung, Nachschub und fähige Kommandeure.

Erstaunlich ist dabei, wie viel Ungehorsam sich Prigoschin erlauben darf. Jeder andere würde für Jahre ins Gefängnis wandern, wenn er auch nur ein kritisches Wort über die Armee verlöre. Der Wagner-Chef dagegen scheint unantastbar.

Putin hält Prigoschin noch immer für nützlich

Um das zu verstehen, muss man einen Blick auf sein Verhältnis zu den zentralen Säulen des russischen Sicherheitssystems werfen: das Verteidigungsministerium, den militärischen Geheimdienst GRU, den Geheimdienst FSB und natürlich den Oberkommandierenden, Putin.

Die entscheidende Rolle bei der Schaffung der Wagner-Gruppe spielte der Militärgeheimdienst GRU. Dabei handelt sich nicht um eine gewöhnliche Spionagetruppe: Zum GRU gehören die berüchtigten Eliteeinheiten der Speznas.

Aus ihren Reihen stammte auch der militärische Wagner-Kommandeur Dmitri Utkin. Nach Ansicht von Experten hält die GRU noch immer ihre Hand über Prigoschin und seine Leute.

Die Haltung der Armeeführung ist weniger eindeutig. Während Teile der Generalität die wiederholten Angriffe Prigoschins satthaben und hinter vorgehaltener Hand die Untätigkeit von Präsident Wladimir Putin beklagen, werden General Sergej Surowikin, dem operativen russischen Befehlshaber in der Ukraine, Sympathien für die Söldner nachgesagt. Schließlich schaffen sie maßgebliche Entlastung für die kämpfende Truppe.

Letztlich ausschlaggebend ist die Position Putins, dessen Unterstützung sich Prigoschin offenbar noch immer sicher sein kann. Eine der wichtigsten Strategien Putins war es immer, unterschiedliche Interessengruppen gegeneinander auszuspielen.

Prigoschins Fehde mit den Generälen passt ideal in dieses Muster. Denn zumindest bei Prigoschin kann sich Putin sicher sein, dass er keine realen Machtoptionen in Moskau hat, weil die politische Elite den Emporkömmling hasst.

Zugleich aber hat der Söldnerführer mit seinen Zehntausenden Kämpfern genügend Kraft, um die Generäle von Gedanken an irgendwelche Revolten abzuhalten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false