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Stabübergabe im Erziehungsministerium. Gabriel Attal (re.), bisher beigeordneter Minister für die öffentlichen Finanzen, übernimmt das Bildungsressort von dem Historiker Pap Ndiaye. 

© imago/IP3press/IMAGO/Alexis Sciard

Regierungsumbildung in Frankreich: Schluss mit den Quereinsteigern

Präsident Macron setzt auf bewährte Parteigänger statt Fachleute. Aufsehen erregt der neue Erziehungsminister.

Keine Experimente, keine spektakulären Personal-Coups und eine Rückbesinnung auf die eigene Mannschaft anstatt einer politischen Öffnung: Diese Leitlinien stehen hinter der jüngsten Umbildung der französischen Regierung.

Präsident Emmanuel Macron setzt damit auf Kontinuität und nicht auf einen echten Neuanfang, trotz der chaotischen Monate, die Frankreich durchlebt hat.

Auf die monatelangen Proteste gegen die Rentenreform im Frühjahr folgten vor drei Wochen gewaltsame Unruhen im ganzen Land, ausgelöst durch den Tod eines 17-Jährigen bei einer Polizeikontrolle in der Pariser Vorstadt Nanterre.

Die meisten Schwergewichte bleiben im Amt

Bei fünf der acht neuen Kabinettsmitglieder handelt es sich um Abgeordnete der Regierungspartei Renaissance, unter ihnen deren bisherige Fraktionschefin in der Nationalversammlung, Aurore Bergé, die Ministerin für Solidarität und Familien wird.

Die meisten Schwergewichte bleiben im Amt, wie Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire oder Innenminister Gérald Darmanin, dessen bisherige Kompetenzen noch auf die Überseegebiete erweitert werden.

Für die größte Aufmerksamkeit sorgte der Wechsel des Macron-Getreuen Gabriel Attal vom Budget- ins Bildungsministerium. Der ehrgeizige 34-Jährige, der zuvor bereits als Regierungssprecher fungierte, gilt als aufsteigender Stern der „Macronie“, wie das Umfeld des Präsidenten genannt wird.

Er ersetzt den Historiker Pap Ndiaye, dessen Ernennung vor gut einem Jahr überraschte. Der politisch unerfahrene Franko-Senegalese erschien überfordert in seinem Amt und wurde als Spezialist für die Sozialgeschichte der Schwarzen in den USA zur Zielscheibe der Rechtsextremen. Dieses Jahr sei „sicherlich das intensivste, wahrscheinlich das härteste meines Lebens“ gewesen, bilanzierte er.

Historiker und Notfallarzt müssen gehen

Die Abschiede von Ndiaye und des Notfallarztes François Braun als Gesundheitsminister markieren die Abkehr von der Strategie, das Kabinett mit Fachleuten aus der Zivilgesellschaft zu bereichern. „Wir sehen nun wieder viel politischere Profile“, sagt der Politologe Bruno Cautrès.

Anlässlich des ersten Ministerrates in der neuen Besetzung am Freitagvormittag holte Macron in einer im Fernsehen übertragenen Rede zu einem Rundumschlag aus. „Wir verfolgen das Ziel der Unabhängigkeit unseres Landes, auch finanziell, um unser Sozialmodell erhalten zu können“, sagte er, bevor er eine positive Bilanz in Sachen Industrie- und Arbeitspolitik, Verbesserungen in der Schule und beim Gesundheitswesen zog.

Es handelte sich um seine erste öffentliche Wortmeldung nach den jüngsten Krawallen. Auf diese ging er nur kurz ein, versprach den schnellen Wiederaufbau der zerstörten Gebäude, die Unterstützung der Bürgermeister sowie der ärmsten Familien und Jugendlichen.

Bornes Zukunft galt bis zuletzt als offen

Mit einem angedeuteten Lächeln betonte Macron zudem seine „starke Entscheidung“, Premierministerin Élisabeth Borne im Amt zu belassen. Ihr Verbleib auf dem Schlüsselposten galt bis zuletzt als wackelig. Der 62-Jährigen war es nicht gelungen, eine breite Koalition in der Nationalversammlung für die Rentenreform zu bilden, die schließlich ohne Votum im Parlament verordnet wurde.

In einer aktuellen Umfrage sprachen sich 55 Prozent der Menschen für Bornes Abgang aus. Nur 22 Prozent trauen ihr einen „echten Einfluss“ auf wichtige politische Entscheidungen zu.

Beobachtern zufolge pflegen sie und Macron ein angespanntes Verhältnis miteinander, weniger herzlich als unter ihrem jovialen Vorgänger Jean Castex. Doch auch mangels Alternativen setzte sich Borne durch.

Der Politologe Cautrès weist darauf hin, dass eine Kabinetts-Erweiterung um Mitglieder der Republikaner oder der Linken nicht gelang. „Es gibt keine Eroberung in einem gegnerischen Lager mit einer Persönlichkeit, die eine politische Koalition verkörpern könnte“, sagt Cautrès. „Das Problem einer fehlenden absoluten Mehrheit in der Nationalversammlung bleibt damit ungelöst.“ Das Regieren dürfte daher nicht einfacher werden.

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