zum Hauptinhalt
Madschid Al-Suwaidi  (M), Generaldirektor der COP28, spricht während einer Pressekonferenz auf dem UN-Klimagipfel COP28.

© dpa/Peter Dejong

Abschlusserklärung der Weltklimakonferenz: Neuer Entwurf enthält kein klares Aus für fossile Brennstoffe

Bei der COP28 wurde lange um eine gemeinsame Erklärung gerungen. Die Teilnehmer können sich nicht auf einen kompletten Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl einigen – die Rede ist nur von einer Abkehr auf „gerechte“ Weise.

Warten, horchen und spekulieren: Das war Dienstagnacht auf der Klimakonferenz in Dubai angesagt. Bis drei Uhr morgens hatten die Delegationen der Vertragsstaaten hinter verschlossenen Türen über die zentralen Dokumente der COP28 – den Global Stocktake und das Rahmenwerk zur Klimaanpassung (GAA) – weiterverhandelt. Um kurz nach vier Uhr lagen die Ergebnisse dann vor.

Das Dokument nennt keinen expliziten Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen. Diese Frage war besonders umkämpft gewesen – eine Minderheit von Staaten um das öl- und erdgasreiche Saudi-Arabien hatte vehement dagegen gekämpft.

Stattdessen ist die Rede von einer Abkehr von Kohle, Öl und Erdgas auf eine „gerechte“ und „geordnete“ Weise, sodass die Treibhausgasemissionen „im Sinne der Wissenschaft“ bis 2050 auf netto null sinken. Die globalen Emissionsminderungen müssten dem Dokument nach also im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel stehen.

Zu den beschlossenen Maßnahmen gehört, bis 2030 die Erzeugungskapazität der Erneuerbaren zu verdreifachen und die Energieeffizienz jährlich doppelt so schnell zu verbessern wie bislang. Außerdem ist die Rede von Verfahren zur Speicherung von CO₂ (CCS).

Die Betonung liegt hier aber auf den „schwer minderbaren Sektoren“, vor allem also der Industrie. Das lässt sich als eine Zusage etwa an die EU lesen, denn diese lehnt eine dominante Rolle von CCS-Technologien ab, aus Sorge, dass sie als Ablenkung beim Klimaschutz dienen.

Vorantreiben soll die Staatengemeinschaft auch den „Abbau des unverminderten Kohlestroms“. Damit bleibt für Länder wie China und Indien eine politische Hintertür offen, um theoretisch einen Teil ihrer Kohlekraftwerke beizubehalten. Direkt im Anschluss an die Energiemaßnahmen findet sich der Hinweis auf „Übergangsbrennstoffe“ und dass sie „eine Rolle in der Energiewende spielen und die Energiesicherheit garantieren“ können.

AktivistInnen protestieren auf dem COP-Gelände gegen den Abschlussentwurf.
AktivistInnen protestieren auf dem COP-Gelände gegen den Abschlussentwurf.

© Imago/Achille Abboud

Klimaschützer:innen sehen in dem Begriff „Übergangsbrennstoffe“ eine bloße Umschreibung für Erdgas. Die Passage lässt sich als ein Zugeständnis werten an öl- und erdgasproduzierende Länder wie Saudi-Arabien, Russland und Iran. Insgesamt ist von der Handschrift dieser Staaten im vorläufigen Beschluss kaum noch etwas zu erkennen.

Beobachtern zufolge steht eine breite Mehrheit der Staatengemeinschaft hinter dem Kompromiss. Offiziell angenommen muss er allerdings noch in einem Plenum am Mittwochvormittag. Dabei gilt Konsensbildung – die Texte gelten als angenommen, wenn kein Land aktiv Widerspruch einlegt.

Strategie des COP28-Präsidenten rätselhaft

Der Verlauf der Klimakonferenz war zuletzt überraschend: Noch am Montagabend hatte die Präsidentschaft einen – in ihren Augen finalen – Text für den Global Stocktake vorgelegt. In diesem war jede Formulierung zu einem Ausstieg aus Öl, Kohle und Gas gestrichen worden, alle Maßnahmen zu deren Eindämmung waren lediglich als Handlungsoptionen formuliert. Dies hatte Entsetzen nicht nur bei den Umweltschutzorganisationen, sondern auch unter Vertretern zahlreicher Staaten ausgelöst.

Rätselhaft blieb dabei: Gerade einmal zwei Stunden zuvor hatte ein anderes Beschlussdokument die Runde gemacht, das nach Aussagen von Beobachtern deutlich ambitionierter gewesen wäre. Er verstehe nicht, warum anschließend jedoch „ein handwerklich so unprofessionelles Papier vorgelegt wurde“, sagte ein irritierter Christoph Bals, Geschäftsführer der Organisation Germanwatch.

Die COP-Präsidentschaft habe damit „einen sehr tiefen Sturz erlebt“, nachdem sich Sultan Al Jaber, der Präsident der Weltklimakonferenz, als überraschend ambitioniert in den Verhandlungen gezeigt hatte.

Womöglich sei dies das Kalkül der Vereinigten Arabischen Emiraten gewesen – oder sie ständen noch stärker unter dem Einfluss Saudi-Arabiens als gedacht, schlussfolgerte Bals. Denn Saudi-Arabien war auf der COP als Speerspitze einer Gruppe von Staaten aufgetreten, zu denen auch der Irak, der Iran und Russland gehören, die hinter den Kulissen mit aller Macht gegen Bekenntnisse zum Ausstieg aus fossilen Brennstoffen gekämpft hatten.

Sultan Al Jaber, der Präsident der COP 28.
Sultan Al Jaber, der Präsident der COP 28.

© dpa/Hannes P. Albert

Auf der anderen Seite habe es schon am Montag eine breite Staatenallianz aus der EU und vielen Ländern aus dem Globalen Süden gegeben, die für deutlich mehr Ehrgeiz plädiert hatten. Auch die USA und andere Industriestaaten, die selber Öl und Gas produzieren, forderten mehr Ambition im Text.

Dass es angesichts des vorgelegten Dokuments zu einem solchen Aufschrei kommen würde, sei der Präsidentschaft bewusst gewesen, sagte am folgenden Dienstagvormittag der Generaldirektor der COP28, Majid Al Suwaidi.

Dahinter habe eine Strategie gesteckt: „Für uns war das ein Startpunkt für Diskussionen“, denn man habe „nicht die roten Linien der Parteien gekannt“. Zumindest letzteres dürfte nicht stimmen, da schon in der Nacht zuvor intensiv verhandelt worden war.

Schwellenländer pochen auf mehr Zeit bei Energiewende

Doch wie lässt sich ein Land wie Saudi-Arabien, das von seinen Öl- und Gasgeschäften lebt, von einem Ausstieg überzeugen? Dafür müssen konkrete Angebote für neue Geschäftsbeziehungen im Bereich der Erneuerbaren gemacht werden.

Gerade die Golfstaaten haben immenses Potenzial etwa für den Export von grünem Wasserstoff – und sind zugleich stark vom Klimawandel in ihren Lebensgrundlagen bedroht.

Für die großen Schwellenländer, etwa China und Indien, war das Hauptanliegen weniger die Dekarbonisierung an sich – beide Länder setzen extrem stark auf die Erneuerbaren. Beweggrund waren vielmehr ihre Entwicklungspfade: Denn ihren noch immer wachsenden Volkswirtschaften müsse mehr Zeit für einen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen gegeben werden, als den Industriestaaten, so ihr Argument.

Das spiegelt sich auch im Stocktake wider, denn bei der Frage um den globalen Höchststand der Emissionen heißt es, dieser müsse nicht von allen Ländern zeitgleich erreicht werden und „von der nachhaltigen Entwicklung, der Beseitigung der Armut“ sowie „der Gerechtigkeit und den unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten entsprechen“.

Dennoch stellt sich die Frage, ob China als weltgrößter Emittent dieses Ergebnis Verhandlungsergebnis unterstützen wird. Li Shuo, Experte für Klimapolitik am Asia Society Policy Institute, sagte zu Background: „Unterstützen ist ein großes Wort, aber China würde dem wahrscheinlich nicht widersprechen.“

Mit Blick auf die Rolle der CCS-Technologien sagte Li: „Die Debatte über ‚unverminderte‘ Brennstoffe ist eine sehr europäische.“ Die Realität der CCS-Preise werde das Problem von selbst lösen – „niemand ist so dumm, in CCS zu investieren, wenn es billigere Alternativen gibt“, so der China-Experte.

Anpassungsgelder mehr als verdoppeln

Entgegenkommen müssen die Verhandler:innen jedenfalls den Entwicklungsländern, vor allem in Afrika. Sie fürchten wachsende Schäden durch den Klimawandel und forderten von den Industriestaaten konkrete und mit Finanzhilfen verknüpfte Zusagen für Maßnahmen zur Klimawandelanpassung.

„Es geht hier vor allem um Vertrauen“, erläuterte Rixa Schwarz von Germanwatch. Das Ergebnis des umkämpften Stocktake sei daher untrennbar mit dem ausstehenden Rahmenwerk zur Klimaanpassung verknüpft.

Tatsächlich findet sich im Mittwochmorgen veröffentlichten Anpassung-Rahmenwerk ein deutliches Bekenntnis, den Ländern aus dem Globalen Süden beiseite stehen zu wollen. Darin erkennt die Staatengemeinschaft an, dass der Finanzbedarf für Klimawandelanpassung in den Entwicklungsländern bis 2030 auf 215 bis 387 Milliarden US-Dollar jährlich geschätzt wird und fordert die Staaten auf, die Anpassungsfinanzierung nicht nur wie vorgesehen ab 2025 zu verdoppeln, sondern stellt fest, dass sie „signifikant über eine Verdoppelung hinaus erhöht werden muss“.

Für Catherine Abreu, Gründerin des Klimanetzwerks Destination Zero, untergräbt ein fehlendes Bekenntnis zu einem Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen den neuen Fonds gegen klimabedingte Schäden und Verluste.

Dieser könne nicht erfolgreich sein, „solange wir mehr fossile Brennstoffe ins System pumpen.“ Damit wies Abreu auf die überraschende Einigung zur Ausgestaltung des Finanztopfs gleich zu Beginn der Klimakonferenz hin.

Mehr fossile Brennstoffe bedeuteten auch mehr Zerstörung – „und für ein Land wie die Marshall-Inseln gibt es nirgendwo genügend Geld, um für Schäden und Verluste aufzukommen, sollte die Welt eine globale Erwärmung von 1,5 Grad überschreiten“, sagte die Klimaschützerin am Dienstagnachmittag. Das Land zählt zu den kleinsten der Erde, es ragt nur zwei Meter über den Meeresspiegel.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false