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Jimmie Åkesson ist Vorsitzender der rechtskonservativen Schwedendemokraten.

© AFP/Getty Images

Koalitionskrise in Schweden: Mit EU-Kritik auf Stimmenfang

Seit Herbst unterstützt Jimmie Åkesson die Koalition in Stockholm. Seine rechten Schwedendemokraten bringt er nun für die nächste Wahl in Stellung – und fordert weniger Macht für die EU in Brüssel.

Ein Jahr vor der EU-Wahl wird der europakritische Kurs der rechten Schwedendemokraten zunehmend zur Belastung der Regierung in Stockholm. Parteichef Jimmie Åkesson stellte in einem Gastbeitrag in der Zeitung „Aftonbladet“ die Mitgliedschaft in der Europäischen Union infrage.

„Bürokraten aus anderen Ländern“ hätten einen „größeren Einfluss auf die schwedische Gesetzgebung“ als Åkesson und seine schwedischen Kolleg:innen im Reichstag. Es sei naiv, „in naher Zukunft auf größere Veränderungen“ innerhalb der Union zu hoffen. Åkesson fordert deshalb, die Mitgliedschaft in der Europäischen Union „grundsätzlich zu überdenken“.

Damit nimmt Åkesson nicht nur einen offenen Streit mit seinen drei Koalitionspartnern in Kauf, sondern versucht offenbar auch, frühzeitig den Europawahlkampf zu eröffnen. Seitdem die Schwedendemokraten im vergangenen Oktober Teil der Regierung wurden, sinkt die Zustimmung.

Rückkehr zu den Wurzeln

Bei der Wahl im September wurden sie nach den Sozialdemokrat:innen noch zweitstärkste Kraft. In jüngsten Umfragen büßen sie mehr als vier Prozent ein, mehr als jede andere Partei. Das sind ihre schlechtesten Werte seit über fünf Jahren.

Bürokraten aus anderen Ländern, die wir nicht wählen oder absetzen können, haben heute einen größeren Einfluss auf die schwedische Gesetzgebung als ich.

Jimmie Åkesson in einem Gastbeitrag

Parteichef Åkesson gerät zunehmend unter Druck. Als Ausweg will er sich offenbar auf rechte Kernthemen wie EU-Kritik konzentrieren.

Vor der vergangenen Europawahl 2019 hatten sich die Schwedendemokraten noch gemäßigter gezeigt – und gingen auf Distanz zu ihren langjährigen Anti-Europa-Positionen. Nun erfolgt offenbar ein Kurswechsel.

Im schwedischen Fernsehen sagt Åkesson kürzlich: „Wir werden alles dafür tun, um uns die Macht aus Brüssel zurückzuholen.“

Es ist eine Art Rückkehr zu den Wurzeln der rechten Partei. Die Schwedendemokraten gründeten sich Ende der 80er-Jahre unter anderem aus der Neonaziszene. Ihr Leitspruch damals: „Schweden den Schweden!“ In den 90er-Jahren profilierten sie sich vor allem mit scharfen antieuropäischen Tönen. Åkesson führt die Partei seit 2005, schrittweise öffnete er sie fürs bürgerliche Lager.

Schwedendemokrat Mattias Karlsson hetzte kürzlich gegen den Migrationspakt der EU und stellte die Zukunft der Koalition in Frage.

© Getty Images/Michael Campanella

Heute ist Åkesson unverzichtbarer Teil des regierenden rechten Machtblocks, seine Partei unterstützt die rechtskonservative Minderheitsregierung um Ministerpräsident Ulf Kristersson. Offiziell Teil der Koalition sind die Schwedendemokraten aber nicht. Es ist das erste Mal in der Geschichte des Landes, dass Rechte die Regierungsgeschicke in Stockholm mitbestimmen.

Liberale wollen den Euro als Währung

Der Konflikt innerhalb des Bündnisses hat vor zwei Wochen begonnen, als der „Chefideologe“ der Schwedendemokraten, Mattias Karlsson, erstmals öffentlich die Koalitionspartner angriff. Er drohte mit dem Aus der Zusammenarbeit und sorgte so für den ersten handfesten Regierungsstreit.

Hintergrund war eine Abstimmung im EU-Parlament, Schwedens Regierungsparteien votierten für die Reform der europäischen Migrationspolitik. Åkessons Schwedendemokraten waren dagegen.

Kritik an Åkessons Forderung, die EU möglicherweise zu verlassen, kam umgehend von den Liberalen, dem kleinsten Koalitionspartner. Die gelten in dem Bündnis als schärfste Gegner:innen der Schwedendemokraten. Nur widerwillig stimmten sie der Zusammenarbeit mit den Rechten zu. Sie gelten als europafreundlichste Partei im skandinavischen Land.

Bei der vergangenen Europawahl warben sie mit dem Slogan „Mehr EU“. Es sei „logischerweise völlig ausgeschlossen“, dass Schweden die EU verlasse, sagt Liberalenchef Johan Pehrson.

Statt die Mitgliedschaft als solche zu überdenken, sollte das Land eher die Einführung des Euro erwägen.

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