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Abaya-Trägerin in Paris: Kein Konsens, ob eine Abaya wirklich ein religiöses Gewand ist.

© AFP/MIGUEL MEDINA

Islamisches Kleidungsstück: Debatte um Verbot der Abayas in Frankreichs Schulen

In Frankreich dürfen konfessionelle Zeichen wie Kopftücher, die Kippa oder größere Kreuze in Schulen nicht getragen werden. Der neue Erziehungsminister will, dass das auch für Abayas gilt.

Frisch im Amt machen französische Erziehungsminister gerne kontroverse Ankündigungen, um ihre eigene Vision von der Zukunft der Schule darzulegen. So auch bei Gabriel Attal, der bei der jüngsten Regierungsumbildung im Juli vom Haushaltsminister zum Chef des Erziehungsressorts aufstieg.

Am Sonntagabend gab er bei einem Fernsehinterview seine Entscheidung bekannt, das Tragen von Abayas in französischen Schulen zu verbieten. Abayas sind lange, weite Übergewänder muslimischer Frauen und Mädchen. „Die Abaya hat ihren Platz nicht in unseren Schulen“, stellte Attal klar. „Diese müssen wir vor religiösem Bekehrungseifer schützen.“

Seit 2004 verbietet das laizistische Frankreich, wo Religion und Staat strikt getrennt sind, das Tragen von Kopftüchern und anderen konfessionellen Zeichen wie die Kippa oder größere Kreuze in schulischen Einrichtungen. Ob auch die Abaya dazu zählt, galt bislang als unklar.

„Soziale Kontrolle“ über Mädchen

Schulleiter hatten zuletzt immer lauter eine eindeutige Regelung gefordert. Attals Vorgänger Pap Ndiaye hatte dies mit dem Argument verweigert, er wolle „keine endlosen Kataloge über die erlaubte Länge von Kleidern veröffentlichen“. Attals Vorstoß ist ein politischer, um sich von Ndiaye abzugrenzen, der als Spezialist für die Geschichte schwarzer Minderheiten eine Zielscheibe vor allem der extremen Rechten war.

Wie sehr die Ankündigung polarisiert, zeigen die Reaktionen der Politiker. Während Vertreter der Linken Kritik üben, applaudiert das rechte Lager. „Wir haben wiederholt das Verbot der Abayas in unseren Schulen gefordert und ich begrüße die Entscheidung des Erziehungsministers, die uns recht gibt“, schrieb der Chef der konservativen Republikaner, Éric Ciotti, auf dem sozialen Netzwerk X.

Demgegenüber beklagte die Feministin und Grünen-Politikerin Sandrine Rousseau die mit dem Verbot einhergehende „soziale Kontrolle über den Körper der Frauen und jungen Mädchen“: „Im letzten Jahr war es das Verbot des Crop Tops, jetzt ist es die Abaya.“

Im letzten Jahr war es das Verbot des Crop Tops, jetzt ist es die Abaya.

Sandrine Rousseau, Grünen-Politikerin

Die Sozialistin Chloé Ridel sagte, es sei verwunderlich, dass der Erziehungsminister mit diesem Thema in das neue Schuljahr starte, wo es doch so viele dringlichere Probleme wie den Lehrermangel oder die Auswirkungen der Inflation auf den Schulbedarf gebe. „Wir haben zwölf Millionen Schüler und es gab 4700 Meldungen über das Tragen der Abaya.“

Hinzu komme, dass kein Konsens über die Frage herrsche, ob es sich wirklich um ein religiöses Gewand handele, so Ridel. Der Französische Rat des muslimischen Kultes (CFCM) verneint dies. Es handele sich um eine „Art von Mode“, sagte der Vize-Präsident des CFCM, Abdallah Zekri. „Der Minister hätte zuvor die Meinung der religiösen Verantwortlichen einholen können.“

4710
Mal wurde Schulleitern das Tragen von Abayas im vergangenen Schuljahr gemeldet.

Tatsächlich hat sich die Zahl der Vorfälle, bei denen Schulleiter das Tragen von Abayas als Verletzung der Laizitäts-Regeln gemeldet hatten, im abgelaufenen Schuljahr mehr als verdoppelt auf 4710.

Schuldirektoren sind uneinig

Manche Direktoren verboten die Gewänder, andere erlaubten sie. Der Leiter eines Pariser Gymnasiums und Gewerkschafter, Didier Georges, begrüßte in der Tageszeitung „Le Parisien“ Attals Ankündigung: „Wir wollten nicht, dass jeder Direktor bei dieser Frage sich selbst überlassen ist.“

Dem Schulpersonal sei das Schicksal des Lehrers Samuel Paty noch immer sehr präsent, den ein islamistischer Attentäter im Oktober 2020 im Pariser Vorort Conflans-Sainte-Honorine auf dem Heimweg enthauptete. Paty hatte im Unterricht Mohammed-Karikaturen gezeigt und war in den Wochen vor seinem Tod Opfer einer Rufmordkampagne im Internet durch Anhänger des radikalen Islams geworden.

Nach dem grausamen Mord wurde von vielen Seiten gefordert, den Einfluss des Islamismus in den Schulen noch konsequenter zurückzudrängen.

Laizismus und Verbote

Der Soziologe und Spezialist für Fragen der Laizität, Jean Baubéro, zeigte sich nun dennoch kritisch gegenüber einem Abaya-Verbot: „Dahinter steht eine bestrafende Anschauungsweise der Laizität, die letztlich zu einer langen Serie von Verboten führen wird“, warnte er.

Die Soziologin Dominique Schnapper, die Präsidentin des „Rates der Weisen der Laizität und der Werte der Republik“ ist, wies bereits Ende des vergangenen Jahres darauf hin, dass die wachsende Beunruhigung der Schulleiter verständlich sei und gehört werden müsse.

Denn islamistische Strömungen, auch wenn sie in der Minderheit seien, versuchten die Institution Schule zu destabilisieren. „Aber wir werden die Frage nicht durch ein neues Gesetz oder ein neues Rundschreiben lösen“, sagte Schnapper. „Es handelt sich um ein politisches Problem gegenüber einer organisierten Bewegung.“

Mehr als in anderen Ländern werde die Schule in Frankreich als politisches Projekt angesehen, durch das der Mensch sich zu emanzipieren und einen kritischen Geist herauszubilden habe, „außerhalb von jeglichem und vor allem religiösen Einfluss“ von außen. Genau deshalb ist es Attal gelungen, ein Reizthema anzusprechen.

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