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Die deutsche Botschaft in Istanbul ist aus Sicherheitsgründen geschlossen.

© Reuters/Dilara Senkaya

Terrorgefahr oder Psycho-Terror?: Zwischen der Türkei und dem Westen bahnt sich eine neue Krise an

Mehrere westliche Länder warnen vor einem erhöhten Anschlagsrisiko in der Türkei und schließen ihre Konsulate. In Ankara hält man das für „böswillige“ Verschwörungstheorien.

Die türkische Regierung warf Europäern und US-Amerikanern am Freitag vor, mit öffentlichen Warnungen vor einer Terrorgefahr in Istanbul „böswillig“ gehandelt zu haben. Neun westliche Botschafter, darunter der aus Deutschland, waren deshalb ins türkische Außenamt zitiert worden.

Mit Verärgerung reagiert die Türkei auch auf die Forderung amerikanischer Politiker, die Lieferung moderner Kampfjets an Ankara von Erdoğans Zustimmung zum Nato-Beitritt von Finnland und Schweden abhängig zu machen.

Sieben europäische Länder – Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande und die Schweiz – haben ihre Konsulate in Istanbul wegen Warnungen vor Terroranschlägen bis auf Weiteres geschlossen.

Mögliche Anschläge als Rache für die Koranverbrennung in Schweden

Von konkreten und örtlich präzisen Hinweisen der Sicherheitsbehörden auf mögliche Anschläge als Rache für die Koranverbrennung in Schweden war in offiziellen Mitteilungen die Rede. Die USA veröffentlichten eine ähnliche Warnung.

Die türkische Regierung und ein Teil der türkischen Öffentlichkeit hatten mit Entrüstung auf die Koranverbrennung vor der türkischen Botschaft in Stockholm durch einen rechtsradikalen Islamgegner reagiert. Vor dem schwedischen Konsulat in Istanbul gab es vorige Woche kleinere Protestkundgebungen. Von Hinweisen auf Terroranschläge ist aber erst seit einigen Tagen die Rede.

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu warf den westlichen Ländern am Freitag vor, den türkischen Behörden keine konkreten Informationen über die mutmaßliche Gefahr geliefert zu haben. „Wir finden, diese Stellungnahmen sind böswillig“, sagte der Minister über die Terrorwarnungen.

Wir finden, diese Stellungnahmen sind böswillig.

Mevlüt Çavuşoğlu, türkischer Außenminister bezüglich der Anschlagsbefürchtungen

Innenminister Süleyman Soylu , der nationalistische Scharfmacher in Erdoğans Kabinett, hielt dem Westen vor, die Gefahr terroristischer Vergeltungsaktionen erfunden zu haben, um der Türkei mit „psychologischer Kriegsführung“ zu schaden.

Am Freitag setzte Soylu nach. An den US-Botschafter in Ankara, Jeffry Flake, gerichtet, sagte der Minister nach türkischen Medienberichten, er solle seine „schmutzigen Finger von der Türkei lassen“. Er wisse sehr gut, wie sich der Botschafter in die inneren Angelegenheiten der Türkei einmische und welche Journalisten er beeinflusse, sagte Soylu.

Krach um die türkische Blockade der Nato-Beitritte Finnlands und Schwedens

Anti-westliches Misstrauen ist weit verbreitet in der Türkei. Soylus Verdacht, der Westen wolle das Land am politischen und wirtschaftlichen Aufstieg hindern, wird von vielen Bürgern geteilt.

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US-Senatoren haben sich gegen Waffenlieferungen der USA an die Türkei ausgesprochen.

Çavuşoğlu hatte am Donnerstag die Botschafter der sieben Länder, die ihre Konsulate geschlossen haben, sowie Diplomaten aus den USA und Schweden ins türkische Außenamt zitieren lassen. Der Streit dürfte die Spannungen zwischen der Türkei und westlichen Ländern weiter steigern.

Krach gibt es vor allem um Erdoğans Blockade gegen den Nato-Beitritt Schwedens. Der türkische Präsident hatte in den vergangenen Tagen mehrfach erklärt, er werde dem Beitrittsantrag von Finnland möglicherweise zustimmen, aber nicht dem schwedischen Antrag; ohne grünes Licht aller 30 Nato-Mitglieder können die beiden Nordländer nicht in die Allianz aufgenommen werden.

In den USA wächst der Widerstand gegen Erdoğans Haltung. Die Türkei fordert von Washington die Lieferung moderner Kampfflugzeuge, doch der US-Kongress muss dem Export zustimmen.

Eine Gruppe von 27 republikanischen und demokratischen Senatoren wandte sich jetzt gegen das Waffengeschäft: Solange die Türkei die Nato-Aufnahme von Finnland und Schweden blockiere, dürfe es keine militärische Unterstützung der USA für Ankara geben.

Erdoğans Regierung lehnt ein Junktim zwischen den Kampfjets und der Nato-Erweiterung strikt ab. Die regierungsnahe türkische Zeitung „Hürriyet“ kommentierte am Freitag, die Forderung der US-Senatoren sei ein „Skandal“.

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