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Treffen von Weber und Meloni: Es droht ein Machtverlust der CDU/CSU-Gruppe in Brüssel.

© Action Press/La Presse/Filippo Attili/Palazzo Chigi

Das braune Brüssel: Auf Tuchfühlung mit Rechtspopulisten – und Rechtsextremen

In immer mehr europäischen Staaten sind rechte Parteien in der Regierung. Das führt im EU-Parlament zu überraschenden Annäherungen – weil jemand unbedingt an der Macht bleiben will. 

Europa rückt immer weiter nach rechts. Schon seit Jahren plagt sich die EU mit den nationalistischen Regierungen in Polen und Ungarn herum. Und zuletzt sind auch in Schweden, Finnland oder Italien extrem rechte Parteien in den nationalen Regierungen angekommen – und damit im Europäischen Rat.

In Spanien wäre das auch fast passiert. Dementsprechend groß war die Erleichterung, als die regierenden Sozialisten in Spanien kürzlich doch nicht – wie eigentlich prognostiziert – haushoch die Wahl gegen die Konservativen verloren haben. Die rechtsextreme Vox stand in Madrid nämlich schon als Koalitionspartner bereit.

Doch nun wird sie nicht zum Zuge kommen: Die konservative Volkspartei muss stattdessen ihre Regierungspartner in der demokratischen Mitte suchen.

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Dennoch ist die europaweite Tendenz eine andere: Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen in den Niederlanden könnte ebenfalls eine rechtspopulistische Bewegung als großer Wahlsieger hervorgehen.

Sehr genau beobachtet Europa auch die Entwicklung in Deutschland. Die politische Landschaft hierzulande hatte sich erstaunlich lange gegen eine Entwicklung immun gezeigt, die in Staaten wie Frankreich seit den 1970er Jahren vonstattenging. In Paris ist die Rechtspopulistin Marine Le Pen mit ihren weichgespülten Hassparolen in der bürgerlichen Mitte angekommen und könnte nach der nächsten Wahl in den Präsidentenpalast einziehen.

Auch die AfD in Deutschland erklärt, angesichts der jüngsten Umfrageerfolge bei der nächsten Bundestagswahl einen Kanzlerkandidaten präsentieren zu wollen. Mit ihren Tiraden gegen die EU reiht sie sich ein in die Reihe der Parteien wie des französischen Rassemblement National (früher: Front National), der italienischen Fratelli d’Italia oder der polnischen PiS.

Im EU-Parlament hat sich die AfD der rechtsextremen Fraktion angeschlossen

Dennoch will selbst in diesen Kreisen der etablierten Rechtspopulisten Europas nicht jeder mit der AfD zusammenarbeiten. Deutlich wird dies im Europaparlament. Die AfD gehört nicht der EKR-Fraktion an, die von Politikwissenschaftlern als rechtskonservativ bis rechtspopulistisch klassifiziert wird und der die polnische PiS vorsitzt.

Stattdessen hat sie sich der ID-Fraktion angeschlossen: Die politische Gruppe wird als eindeutig rechtspopulistisch, nationalistisch bis hin zu rechtsextrem eingestuft. Geführt wird die ID von der italienischen Lega. Es ist eine Gruppe, mit denen sich keiner sehen lassen will.

EU-Parlament in Straßburg: Keine Koalitionen und kein Fraktionszwang.
EU-Parlament in Straßburg: Keine Koalitionen und kein Fraktionszwang.

© dpa/Philipp von Ditfurth

Ebenso wie die AfD im Bundestag aufgrund des Widerstands der anderen Parteien keinen Vizepräsidenten stellt, wurde auch im EU-Parlament ein Vizepräsident aus den Reihen der ID-Fraktion bisher verhindert. Einen Vizepräsidenten der EKR-Fraktion gibt es hingegen.

Die postfaschistische Partei Fratelli d’Italia, der die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni angehört, hat sich dementsprechend wohl eher aus pragmatischen denn aus inhaltlichen Gründen der EKR-Fraktion angeschlossen: Denn Mitglied der EKR zu sein, bedeutet in Brüssel machtpolitisch bessere Strippen ziehen zu können.

Zum Beispiel zur EVP: Manfred Weber zeigt Interesse, mit der EKR zusammenzuarbeiten. Der CSU-Politiker ist Chef der konservativen Fraktion im Europaparlament, die die meisten Sitze hat. Zudem ist er der Vorsitzende der dazugehörigen Parteienfamilie, die die mächtigste von Brüssel ist.

Im Europaparlament gibt es keine festen Koalitionen und auch keinen Fraktionszwang, sodass bei jedem Sachverhalt die Mehrheiten neu gesucht werden müssen, inklusive großer Kompromisse.

Manfred Weber umschmeichelt die Rechten – aus Machtkalkül

Manfred Weber scheint auf diese Zugeständnisse mit links von den Christdemokraten stehenden Parteien immer weniger Lust zu haben und somit den Rechtsruck in Europa mit großem Interesse zu beobachten. Er sucht besonders die Nähe zu Meloni. Und damit zu anderen Mehrheiten.

Grüne und Sozialdemokraten kritisieren schon länger Webers Kurs nach rechts. Doch auch nach Ansicht vieler seiner Fraktionskollegen überschreitet Weber damit eine rote Linie. „Die Brandmauer nach rechts muss immer stehen – von Palermo bis nach Wattenscheid, von Brüssel bis nach Rom“, betonte etwa der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke.

Meloni ist bei Europa konstruktiv, steht an der Seite der Ukraine, und beim Rechtsstaat gibt es keine Probleme.

Manfred Weber, CSU-Politiker und Chef der konservativen Fraktion im Europaparlament

Manfred Weber kontert: Als Partei- und Fraktionschef habe er natürlich die Ambition, dass die EVP nach der Europawahl 2024 weiterhin stärkste Kraft bleibe. Er teile die Sorge, was die Geschichte von Melonis postfaschistischer Partei angehe.

Aber ganz grundsätzlich gebe es drei fundamentale Prinzipien in der EVP: pro Rechtsstaat, pro Europa, pro Ukraine. „Meloni ist bei Europa konstruktiv, steht an der Seite der Ukraine, und beim Rechtsstaat gibt es in Italien keine Probleme“.

Dass Weber rechte Kräfte umschmeichelt, könnte schon unmittelbar nach der Europawahl von größter Bedeutung sein. Wahrscheinlich wird EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für eine zweite Amtszeit antreten. Letztlich muss sie aber die Mehrheit der Stimmen in Rat und Parlament bekommen – und vermutlich macht sie ihre Kandidatur davon abhängig, wie sicher sie sich der Mehrheit ist.

Tritt sie nicht zur Wiederwahl an, wird entsprechend dem Koalitionsvertrag der Ampel an ihrer Stelle ein Grünen-Politiker als Kommissar entsandt – was einen erheblichen Machtverlust der CDU/CSU-Gruppe in Brüssel bedeutet.

Das will Machtmensch Weber unbedingt verhindern. Leicht zu organisieren ist eine Mehrheit für von der Leyen aber nicht: Im Parlament zieht sie über alle Fraktionen hinweg den Unmut von Abgeordneten auf sich, auch innerhalb ihrer eigenen Parteikollegen.

Ebenso hat sie es sich im Rat mit Polen und Ungarn verscherzt. Wegen Korruptionsproblemen und Rechtsstaatsverstößen hat die EU-Kommission den Ländern viele Milliarden Euro EU-Gelder gesperrt.

Die Osteuropäer hatten 2019 bereits aus einem ähnlichen Grund den Sozialdemokraten Frans Timmermans als Kommissionspräsidenten verhindert. Sein Vergehen aus ihrer Sicht: das Einleiten von Rechtsstaatlichkeitsverfahren gegen sie.

Das heißt, dass bei einer möglichen Wiederwahl der Deutschen jede Stimme wichtig ist. Egal, woher sie kommt.

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