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Ingo Bach

© Tagesspiegel/Nassim Rad

Hoffnung bei einer berüchtigten Augenerkrankung: Erstmals hilft eine Spritze gegen die trockene AMD

Mit zunehmendem Alter droht dem Augenlicht Gefahr: Sinneszellen in der Netzhaut sterben durch eine altersbedingte Makuladegeneration (AMD) ab. Ein neues Medikament soll diesen Prozess frühzeitig stoppen. Die neue Kolumne mit einer „Guten Nachricht“

Eine Kolumne von Ingo Bach

Im Laufe des Lebens nimmt die Effizienz unserer Organe oftmals ab. Das gilt auch für die Augen, zum Beispiel für die Netzhaut und der dort vorhandene Bereich mit den meisten Sinneszellen, der Stelle des schärfsten Sehens, medizinisch Makula genannt. Nimmt die Makula Schaden, droht im schlimmsten Falle eine sehr starke Einschränkung des Sehvermögens.

In der Netzhaut lagern sich im Laufe des Lebens Stoffwechselprodukte ein. Diese Ablagerungen – Mediziner nennen sie Drusen –führen auf Dauer dazu, dass sich die Versorgung der Sinneszellen verschlechtert. Diese altersbedingte Makuladegeneration (AMD) kann dazu führen, dass ganze Netzhautareale absterben.

„Dieser Prozess verläuft schleichend“, sagt Joachim Wachtlin, Chefarzt der Abteilung für Augenheilkunde am Sankt-Gertrauden Krankenhaus in Berlin Wilmersdorf. Er betrifft viele Menschen, und immer beginnt er mit den gleichen Problemen, den Drusen. In dieser Phase heißt die AMD auch „trockene AMD“. Trocken bedeutet, dass sich noch keine Blutgefäße gebildet haben, mit denen der Organismus versucht, die Versorgung der Netzhautzellen wieder zu verbessern.

Fünf Millionen Menschen leiden weltweit unter der fortgeschrittensten Form der AMD

„Wir schätzen, dass es weltweit um die 200 Millionen Menschen gibt, bei denen die Netzhaut durch eine trockene AMD in einem oder auch beiden Augen geschädigt ist“, sagt Wachtlin. Fünf Millionen Menschen erleiden dadurch eine sogenannte geographische Atrophie der Netzhaut, das fortgeschrittene Stadium der Erkrankung. Dabei gehen ganze Areale der Netzhaut zugrunde. Das betroffene Auge erblindet.

Der Name „altersbedingt“ macht klar, was die Hauptursache der Erkrankung ist: das Alter. „Ab dem 50. Lebensjahr steigt das Risiko, eine AMD zu erleiden, steil an.“

Als Gegenreaktion bildet der Organismus in der Netzhaut winzige neuen Blutgefäße. So versucht er, die Versorgung der absterbenden Sinneszellen zu verbessern. Dann ist die Krankheit in die „feuchte“ AMD übergegangen. Doch genau diese Reaktion führt zu einer Verschlimmerung der Symptome. Das betrifft etwa zehn bis 15 Prozent der Menschen, die zuerst eine trockene AMD ausgebildet haben.

Der Wirkstoff blockiert Proteine der Immunabwehr, die die Ablagerungen in der Netzhaut begünstigen

Gegen die feuchte Form der altersbedingten Makuladegeneration gibt es schon längere Zeit die Möglichkeit, mit einem per Spritze in den Glaskörper verabreichten Medikament etwas zu tun. Der Wirkstoff blockiert den Wachstumsfaktor VEGF, der die Bildung von Blutgefäßen stimuliert. Damit lässt sich das Fortschreiten der Erkrankung deutlich verzögern, teilweise sogar geringfügig zu verbessern. Doch im Prinzip ist dann das Kind schon im Brunnen, die Netzhaut hat schon Verluste.

Besser wäre es also, wenn man früher in den Krankheitsverlauf eingreifen könnte. Doch die trockene Form der AMD war bisher für eine Therapie unerreichbar. Das könnte sich bald ändern. Ein neues Medikament, das jüngst in den USA dafür zugelassen wurde, macht Hoffnung. Das Medikament „Syfovre“ mit dem Wirkstoff Pegcetacoplan wird ebenfalls in regelmäßigen Abständen in die Augen injiziert, funktioniert aber anders als die Spritzen bei der feuchten AMD. Der Wirkstoff blockiert bestimmte Proteine der Immunabwehr, die die Ablagerungen in der Netzhaut begünstigen. Das Medikament könne das Fortschreiten einer geographischen Atrophie, also dem Spätstadium der trockenen AMD, deutlich verlangsamen, sagt Augenarzt Wachtlin.

Der Wirkstoff sei deshalb der Einstieg in eine neue Ära. Das Medikament sei eine effektive Hilfe, das Augenlicht zu bewahren. Aber noch sei die nötige Frequenz der Injektionen – alle acht bis zehn Wochen – „recht hoch“. Zudem sei noch nicht eindeutig klar, welche Patienten von dieser lang andauernden Therapie am stärksten profitieren.

Seit Anfang März ist das neue Medikament in den USA zugelassen. „Europa wird wohl im kommenden Jahr folgen“, sagt Wachtlin.

Alle bisher erschienen Folgen der Guten Nachricht finden Sie auf der Übersichtsseite der Kolumne.

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