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Einsatzkräfte der DLRG sind mit einem Boot auf der Hunte am Achterdiek unterwegs, um treibende Baumstämme und Wurzeln aus dem Wasser zu entfernen. Die treibenden Stämme könnten den Deich und das nahegelegene Wasserkraftwerk an der Hunte beschädigen. Die Hochwasserlage an der Hunte bleibt angespannt.

© dpa/Hauke-Christian Dittrich

„Lebensgefährlicher Unsinn“: Einsatzkräfte sind fassungslos über Hochwasser-Touristen

Tausende helfen, um gegen das Hochwasser zu kämpfen. Doch in den Wassermassen wurden in Niedersachsen Kitesurfer, Kanuten und ein Schwimmer gesichtet. Das kann teuer werden.

Von Sarah Knorr, dpa

In der angespannten Hochwasserlage sind die Rettungskräfte im Dauereinsatz – doch nicht nur, um Deiche zu sichern oder Altenheime zu evakuieren. Mehrfach wurden Menschen gesichtet, die sich in das Hochwasser begeben und Kanu fahren, kitesurfen oder gar schwimmen gehen.

„Das ist absolut unvernünftig. Es ist nicht nur fahrlässig und selbstgefährdend, sondern bindet immer wieder Einsatzkräfte, die wir an anderen Stellen wesentlich dringlicher brauchen“, sagt Dieter Rohrberg. Als Landesbranddirektor hat Rohrberg die Aufsicht über die Feuerwehren des Landes Niedersachsen.

So machte beispielsweise der Großeinsatz zur Rettung eines Schwimmers im Hochwassergebiet von Hannover die Einsatzkräfte fassungslos. Eine Frau hatte die Feuerwehr alarmiert, dass ein Mensch von der Strömung abgetrieben worden sein könnte. Während der Suche mit 85 Einsatzkräften meldeten sich Zeugen, die einen Schwimmer in Neoprenanzug und Badekappe gesehen hatten. Dieser sei aus dem Wasser gestiegen und mit dem Fahrrad davongefahren.

Die Talsperre Sösestausee in Niedersachsen ist zu rund 80 Prozent mit Wasser gefüllt. Nach den Höchstständen über Weihnachten entspannt sich die Hochwasserlage im Harz langsam.

© dpa/Ole Spata

„Das ist natürlich lebensgefährlich“, sagt Jörg Rühle, Sprecher der Feuerwehr Hannover. Seit Beginn des Hochwassers warne die Behörde unablässig davor, sich in die Hochwassergebiete zu begeben.

Die Feuerwehr in Hannover rückte Ende des Jahres außerdem aus, um nach zwei Kanufahrern zu suchen, die als vermisst gemeldet worden waren. Dabei kamen Drohnen und ein Schlauchboot zum Einsatz. Die Suche wurde nach zwei Stunden erfolglos abgebrochen. „Wir begeben uns da in dem Moment in Gefahr, in die wir sonst nicht gehen würden“, betont Rühle. Seit Beginn des Hochwassers habe es allein in Hannover mehrere Wasserrettungseinsätze gegeben.

Unter anderem mussten auch zwei über 70-jährige Fahrradfahrer gerettet werden, die über wegen Hochwassers gesperrte Straßen radeln wollten und von der Strömung abgetrieben wurden.

Auf überfluteten Wiesen wurden in der Region Hannover sogar Kitesurfer gesichtet. „Das ist lebensgefährlich, weil sie im Gegensatz zu bekannten Gewässern gar nicht wissen, welche Hindernisse vor oder unter ihnen auftauchen können“, sagte die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens (SPD) dem „Spiegel“. Vor diesem „lebensgefährlichen Unsinn“ könne sie nur warnen.

Die Kosten für ihre Rettung aus den Fluten bleibt an leichtsinnigen Kanuten oder Radfahrern vielfach selbst hängen. „Da gilt häufig das Verursacherprinzip“, sagt Landesbranddirektor Rohrberg. Die Kosten liegen demnach mindestens im dreistelligen Bereich. Je nach Anzahl der Einsatzkräfte könnten die Kosten für solch eine Rettungsaktion auch vierstellig werden.

Wasser der Hunte strömt an einem Wehr in den Osternburger Kanal, während die Wiesen der Huntemarsch im Hintergrund überschwemmt sind. Die Hochwasserlage an der Hunte und den Nebenarmen bleibt angespannt.

© dpa/Hauke-Christian Dittrich

In den Hochwassergebieten von Niedersachsen behinderten mehrfach auch Schaulustige die Arbeit der Rettungskräfte. „Mein eindringlicher Appell an alle Neugierigen lautet: Lassen Sie es bleiben, gehen Sie irgendwo anders spazieren oder bleiben Sie zuhause“, sagte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) Ende Dezember. Konkret gab es Vorfälle im emsländischen Meppen und in Celle.

Bei Verstößen droht ein Bußgeld in Höhe von bis zu 5000 Euro.

Die Stadt Oldenburg erinnert daran, was es kosten kann, einen Deich trotz Verbots zu betreten.

Der „Hochwassertourismus“ war laut Feuerwehrsprecher Sven Lammers die größte Sorge der Helfer beim Einsatz gegen das Hochwasser in Meppen Ende Dezember. „Wir müssen viele Leute rausschicken aus dem Einsatzgeschehen.“ Auch in Celle hinderten nach Angaben der Stadt Gaffer die Rettungskräfte am Durchkommen.

An vielen Orten in Niedersachsen bangen Menschen derzeit, ob die Deiche halten und sie von den Wassermassen verschont werden. Gleichzeitig werden Schaulustige beobachtet, die die abgesperrten Deiche betreten und Handyfotos machen. Sie müssen wegen der Betretungsverbote mit hohen Bußgeldern rechnen.

Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks (THW) dichten am 5. Januar ein mobiles Deichsystem, bestehend aus zahlreichen großen Behältern mit Wasser, mit Sandsäcken ab. Der mobile Deich steht auf dem Parkfriedhof am Bümmersteder Fleth, um ein Oldenburger Wohngebiet vor dem drohenden Hochwasser zu schützen.

© dpa/Hauke-Christian Dittrich

„Bei Verstößen droht ein Bußgeld in Höhe von bis zu 5000 Euro“, informierte die Stadt Oldenburg. In den Landkreisen Verden und Osterholz werden Bußgelder von 400 Euro beim Betreten der Deiche trotz Verbots fällig. Im Süden Sachsen-Anhalts warnte die Polizei ebenfalls davor, die Deichanlagen zu betreten.

Auch im bayerischen Nabburg hatten Rettungskräfte mit einem Kanuten zu tun, der trotz Hochwassers auf der Naab paddelte. Er kenterte an Heiligabend und konnte sich selbst aus dem Fluss retten. Die Einsatzkräfte bargen sein Kanu weiter flussabwärts. Auch in Sachsen-Anhalt haben die Helfer mit Schaulustigen zu tun. So wurden etwa in Lostau am Silvestertag mehrere Menschen in einem nicht seetauglichen Kinderschlauchboot im Hochwassergebiet der Elbe angetroffen.

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