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Das Hitze- und vor allem Waldbrand-geplagte Griechenland hat seit Beginn der Woche mit Wassermassen zu kämpfen.

© IMAGO/ANE Edition

„Biblische Katastrophe“: Mehrere Tote nach Unwettern in Südosteuropa

Auf Hitze und Waldbrände folgen in Griechenland schwere Regenfälle. Die Wassermassen übertreffen alle bisherigen Messungen. Auch Bulgarien und die Türkei sind betroffen.

In schwarzer Jogginghose und roter Regenjacke schreit Achilleas Mpeos seine Mitbürger an, während es im Hintergrund ununterbrochen blitzt. „Wohin fahrt ihr alle? Geht nach Hause! Schaut doch, wo das Wasser ist“, ruft er Autofahrern zu, die sich durch die überschwemmten Straßen der zentral-griechischen Stadt Volos kämpfen.

Der Mann, der die Standpauke hält, ist Bürgermeister der 86.000-Einwohnerstadt. Die Szene ist in einem kurzen Video festgehalten. Zu dem Zeitpunkt der Aufnahme am Montag hat das Wasser bereits Mpeos Knie erreicht, seine Füße sind nicht mehr zu sehen. Seitdem hat es in Volos fast ohne Unterbrechung weiter geregnet.

Das Hitze- und vor allem Waldbrand-geplagte Griechenland hat seit Beginn der Woche mit Wassermassen zu kämpfen, die es in sich haben. Regenfälle dieser Art habe es in Griechenland noch nie gegeben, sind sich einheimische Meteorologen einig.

Die Wassertemperatur ist nicht besonders übernormal und spielt eher eine kleine Rolle.

Wetterexperte Jörg Kachelmann über die Temperatur des Mittelmeers.

Besonders betroffen ist die Region Thessalien, in der auch die Hafenstadt Volos liegt. Das Wasser reichte am Mittwoch in manchen Straßen fast bis zu den Dächern geparkter Wagen. Videos zeigen, wie von reißenden Strömen mitgerissene Autos ins offene Meer gespült werden. Keller und Ladengeschäfte liefen voll. Vielerorts fiel immer wieder der Strom aus.

Zwei Todesopfer, drei Menschen werden vermisst

Lokale Medien sprechen von einer „biblischen Katastrophe“. Am Mittwoch barg die Feuerwehr ein zweites Todesopfer infolge der Fluten, nachdem bereits am Dienstag ein Mann durch eine von den Wassermassen eingestürzte Mauer getötet wurde. Drei weitere Menschen werden vermisst.

In der Bucht vor Volos harrten am Mittwochmorgen rund 400 Menschen auf einer Fähre aus, die wegen der Unwetterschäden nicht anlegen durfte. Auch am Flughafen der Sporaden-Insel Skiathos war der Betrieb weitgehend eingestellt.

Der Deutsche Wetterdienst vergleicht das Ausmaß des verantwortlichen Sturmtiefs „Daniel“ mit der Flutkatastrophe im Ahrtal, nur seien die Wassermassen in Griechenland noch viel verheerender.

Meteorologen erwarten, dass in Griechenland bis zum Donnerstagabend örtlich bis zu 1500 Liter Regen vom Himmel gekommen sein könnten. Das entspräche in etwa dem Durchschnitt Deutschlands, aber für ein Jahr. Die Niederschlagsmenge könnte, die des Tiefs, das zum Ahrtal-Hochwasser führt, um ein Sechsfaches übersteigen, schätzen Experten.

754
Millimeter Regen pro Quadratmeter wurden in der griechischen Ortschaft Zagora gemessen.

Griechischer Spitzenreiter war bis Dienstabend die Ortschaft Zagora, wo eine unglaubliche Summe von 754 Millimeter Regen pro Quadratmesser gemessen wurde. Zum Vergleich: der bisherige Spitzenwert in Griechenland, der seit dem Beginn der Wetteraufzeichnungen gemessen wurde, liegt bei 417 Millimeter pro Quadratmeter.

Ein Mann vor seinem zerstörten Haus im Zentrum Griechenlands.
Ein Mann vor seinem zerstörten Haus im Zentrum Griechenlands.

© REUTERS/KOSTAS MANTZIARIS

Der lokale Chef-Meteorologe Kostas Lagouvardos vermutete unter anderem die hohe Temperatur des Mittelmeers als Auslöser für das Sturmtief. Einer, der mit seiner Wetterfirma bereits früh vor enormen Regenmassen im südöstlichen Mittelmeerraum gewarnt hatte, sieht das etwas anders. „Die Wassertemperatur ist nicht besonders übernormal und spielt eher eine kleine Rolle“, sagt Wetterexperte Jörg Kachelmann dem Tagesspiegel.

Vielmehr sei für solch ein extremes Ereignis die „perfekte Wetterlage mit Höhenkaltluft über dem sommerwarmen Wasser, der Kanalisierung in der Ägäis und das erzwungene Aufsteigen über dem Gebirgen“ ausschlaggebend. Die Wetterlage wäre auch bei zwei Grad kälterem Wasser katastrophal gewesen. Eine Beruhigung der Wettersituation erwartet Meteorologe Kachelmann wie andere Experten am Freitag.

Nicht nur in Griechenland, auch an der bulgarischen Schwarzmeerküste und der nordwestlichen Türkei haben schwere Regenfälle für Tod und Zerstörung gesorgt. In der Türkei sind mindestens fünf Menschen ums Leben gekommen, davon zwei in Istanbul. In der europäisch-asiatischen Metropole fiel innerhalb von sechs Stunden so viel Regen wie sonst im gesamten September.

Besonders betroffen in Bulgarien ist die Region um den beliebten Ferienort Zarewo, nachdem sich dort kleinere Bäche zu reißenden Strömen verwandelt hatten. Hier starben drei Menschen durch die Wassermassen, eine Mutter und ihre Tochter werden noch vermisst.

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