zum Hauptinhalt
Überschwemmungen nach schwerem Sturm in der Stadt Volos in Griechenland am 6. September 2023.

© IMAGO/ANE Edition

Update

Mit Hubschraubern gerettet: Schwere Überschwemmungen in Griechenland und Türkei

Schwere Unwetter haben in Griechenland und der Türkei zu mehreren Toten geführt. Seit Freitag regnet und stürmt es zumindest in Griechenland nicht mehr, doch müssen noch immer Menschen gerettet werden.

| Update:

Unwetter und starker Regen haben in Mittelgriechenland weitere Orte unter Wasser gesetzt. Besonders betroffen sind die Stadt und die Gemeinde Karditsa sowie die umliegenden Gemeinden. Seit Beginn der Rettungsarbeiten in den vergangenen Tagen sollen mittlerweile mehr als 2000 Menschen in Sicherheit gebracht worden sein.

Im Westen Georgiens, nahe der türkischen Grenze, sind nach Behördenangaben mindestens zwei Menschen bei Überschwemmungen und Erdrutschen infolge heftiger Regenfälle ums Leben gekommen.

Vor allem viele ältere und kranke Menschen, aber auch Schwangere und Kleinkinder wurde mit Hubschraubern auf einen Sportplatz der Stadt Karditsa gebracht, wie griechische Medien berichteten.

Viele Gerettete waren am Ende ihrer Kräfte, manche hatten tagelang nichts gegessen und kaum getrunken. „Ich habe Kriege und Hungersnot erlebt, aber so etwas noch nie“, sagte die 104 Jahre alte Stavroula Brazioti, die aus dem Ort Piniada geholt worden war, dem Sender ERTnews.

Unter den Geretteten waren zahlreiche ältere und kranke Menschen, die zum Teil seit Tagen keine Medikamente erhalten hatten. Viele weinten, bedankten sich bei den Feuerwehrleuten. Bislang liegt die Zahl der bekannten Todesopfer bei sieben, allerdings gibt es Befürchtungen, dass es mehr Opfer geben könne. Denn die Rettungskräfte konnten längst noch nicht in alle Überschwemmungsgebiete vordringen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Derweil hätten Rettungskräfte in Georgien die Leichen zweier Menschen gefunden, darunter die eines Minderjährigen, erklärte das Innenministerium am Freitag in Tiflis.  Den Behörden zufolge waren zahlreiche Rettungskräfte im Einsatz, die durch Wassermassen abgeschnittene Dorfbewohner in der besonders betroffenen Region Gurien in Sicherheit zu bringen. Erst im Juli waren in dem bei Touristen beliebten Urlaubsort Schowi im Nordwesten Georgiens bei einem Erdrutsch 26 Menschen ums Leben gekommen. 


Die Hochwasser-Lage in Griechenland

In Mittelgriechenland regnete und gewitterte es am Donnerstag den vierten Tag Folge. In Karditsa reichte das Wasser vielerorts bis zu den Dächern der Häuser, sodass sich die Bewohner auf die Dächer retten mussten. „Das Wasser ist an manchen Stellen bis zu vier Meter hoch“, sagte ein Anwohner dem Sender Mega.

Die Niederschlagsmengen erreichten zwischenzeitlich nie gekannte Höhen von teils über 700 Liter pro Quadratmeter in weniger als 24 Stunden. Seit Freitag ist das schwere Unwetter vorbei. Die Schäden werden jedoch erst langsam sichtbar, und noch immer müssen viele Menschen gerettet werden. Vor allem die große Tiefebene in der Region Thessalien, die „Kornkammer“ Griechenlands, steht unter Wasser. Die Infrastruktur ist schwer getroffen, in weiten Teilen der Region gibt es keinen Strom und kein Wasser.

„Thessaliens Flachland ist ein riesiger See“, sagte Feuerwehrsprecher Giannis Artopoios dem Sender ERTnews. Mittlerweile sei auch das Militär mit Schlauchbooten im Einsatz. In der gesamten Region Thessalien leben rund 700.000 Menschen - so gut wie alle seien von der Flut betroffen, heißt es in den griechischen Medien.

In der Stadt Volos in Region Thessalien haben die Wassermassen ganze Straßenzüge mit sich gerissen.

© IMAGO/ANE Edition

In Mittelgriechenland wurden Autos von den Wassermassen ins Meer gespült, Keller und Ladengeschäfte liefen voll. Außerdem fiel vielerorts immer wieder der Strom aus. Das Handynetz und das Internet waren ebenfalls betroffen und funktionierten zum Teil nur eingeschränkt oder gar nicht.

Sechs Tote nach Hochwasser in Griechenland

Nahe der mittelgriechischen Stadt Domokos wurde am Donnerstag die Leiche eines Hirten geborgen. Das Opfer sei im Geröll entdeckt worden, teilte die Feuerwehr mit. Damit ist die Zahl der Toten der Überschwemmungskatastrophe auf mindestens sechs gestiegen.

Auch wurden noch Menschen vermisst – wie viele, blieb zunächst unklar, weil etliche Dörfer auch am Donnerstag noch durch das Wasser von der Außenwelt abgeschnitten waren. Die dort eingeschlossenen Menschen können oft nicht einmal mehr mit dem Handy telefonieren, weil Akkus leer sind. Die Stromversorgung funktioniert wegen der tagelangen starken Regenfälle nicht.

Zwei österreichische Urlauber wurden nach Angaben des Außenministeriums in Wien vermisst.

Feuerwehrleute mit einem Schlauchboot evakuieren Menschen und ihre Hunde am 6.9.2023 aus überfluteten Gebäuden.
In Griechenland evakuieren Feuerwehrleute mit einem Schlauchboot Menschen und ihre Hunde aus überfluteten Gebäuden.

© picture alliance/dpa/AP

Karditsa für Rettungskräfte unzugänglich

Bewohner der Ortschaft Karditsa berichteten den griechischen Medien, dass die ganze Ebene überflutet und Dorf unzugänglich sei. Entesprechend könnten Rettungskräfte nicht kommen. „Vielleicht mit Hubschraubern, aber wo sollen sie landen? Es gibt kein Land!“, sagte ein Mann.

Das Wasser ist an manchen Stellen bis zu vier Meter hoch.

Anwohner der Gemeinde Karditsa

Die Regenwassermengen, die am Dienstag über der Region Thessalien in Mittelgriechenland niedergingen, seien die größten, die jemals im Land gefallen seien, seit die betreffenden Daten erhoben würden, berichtete am Mittwoch die Tageszeitung „Kathimerini“ unter Berufung auf die Behörde. 

Welche Teile Griechenlands sind betroffen?

Das Unwetter hatte sich am Montag über der Region Thessalien in Mittelgriechenland festgesetzt - unter anderem sind die Städte Volos und Larisa betroffen. Weil Sturmtief „Daniel“ sich kaum vom Fleck bewegte, sorgte es dort für die schweren Überschwemmungen und großen Schäden.

Der Rest des Landes, also der Großteil Griechenlands ist von den schweren Unwettern gar nicht oder kaum betroffen. Allerdings wird das Festland durch die Fluten gewissermaßen in zwei geteilt: Bereits seit Dienstag ist die wichtigste Autobahn des Landes zwischen Athen und Thessaloniki entlang der überfluteten Gebiete gesperrt.

Wie laufen die Rettungsmaßnahmen in Thessalien?

„Wir hatten binnen 36 Stunden rund 5000 Notrufe, so etwas gab es noch nie“, sagte ein Feuerwehrsprecher Thessaliens Giannis Artopoios. Aus mehreren Dörfern kamen Hilferufe über soziale Medien: „Holt uns hier raus!“, hieß es.

Die Menschen mussten sich auf die Dächer ihrer Häuser retten. Auch die Hafenstadt Volos mit ihren rund 150.000 Einwohnern war fast vollständig von der Außenwelt abgeschnitten.

In der Region Thessalien verschärft sich die Sitituation nach Starkregen und Überschwemmungen weiter.

© picture alliance/dpa/AP

Der Fährverkehr wurde eingestellt, viele Zufahrtsstraßen sind überflutet oder vom Wasser zerstört. Es gibt keinen Strom und damit auch keine Wasserversorgung, in den Supermärkten geht das Trinkwasser zur Neige. „Es sind Tonnen von Matsch in die Straßen gespült worden“, berichtete der Bürgermeister der Stadt, Achilleas Mpeos, auf Facebook.

Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis beauftragte überdies das Militär, zu helfen. Erstmals konnten im Laufe des Tages auch Hubschrauber Menschen von den Dächern der Häuser in den überfluteten Gebieten retten. Das Militär soll auch mit schwerem Gerät wie gepanzerten Fahrzeugen helfen, die zu den isolierten Dörfern vordringen können, wie Regierungssprecher Pavlos Marinakis am Donnerstagmittag sagte.


Die Lage in der Türkei

Auch in Griechenlands Nachbarländern Türkei und Bulgarien hatte es in den vergangenen Tagen heftige Regenfälle gegeben. In den drei Ländern starben insgesamt mindestens 16 Menschen. 

In der Türkei ist die Zahl der Todesopfer am Donnerstag auf acht gestiegen. In der Provinz Kirklareli nahe der Grenze zu Griechenland und Bulgarien sei die Leiche eines 53-jährigen Mannes geborgen worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Donnerstag. Der Mann sei tot in seinem Auto aufgefunden worden. Innenminister Ali Yerlikaya schrieb auf der Plattform X (vormals Twitter), die Suche nach Vermissten sei damit abgeschlossen.

Die Wetterbehörde warnte, am Donnerstagabend könne es zu weiterem Starkregen in der Westtürkei und am Schwarzen Meer kommen.

Von Überschwemmungen war auch die Millionenstadt Istanbul betroffen. In der Bosporus-Metropole war am Dienstag in weniger als sechs Stunden so viel Regen wie sonst im gesamten September gefallen. Inzwischen hat der Regen nachgelassen.

Bei schweren Unwettern in der Westtürkei sind zwei Menschen ums Leben gekommen.

© dpa/Khalil Hamra

Istanbul: Straßen wurden zu reißenden Flüssen

Die Straßen von Istanbul hatten sich am Dienstagabend in reißende Flüsse verwandelt, eine Metrostation stand nach dem Unwetter teilweise unter Wasser. Aus einer Stadtbücherei mussten Medienberichten zufolge Dutzende Menschen in Sicherheit gebracht werden.

Im Fernsehen und in Online-Netzwerken waren Bilder von Autos und Marktständen zu sehen, die von den Wassermassen fortgespült wurden.

Der Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu hatte betont, dass die Türkei sich als Folge des Klimawandels auf weitere Extremwetterereignisse einstellen müsse. Die starken Regenfälle folgten auf einen besonders trockenen Sommer mit Hitzerekorden in der Türkei. Der Pegel in den Wasserspeichern der 16-Millionen-Einwohner-Stadt Istanbul sank auf den niedrigsten Stand seit neun Jahren.


Die Hochwasser-Lage in Bulgarien

Bei schweren Unwettern auch in Bulgarien waren nach Behördenangaben mindestens vier Menschen ums Leben gekommen. Nach heftigen Überschwemmungen scheint sich die Lage hier aber zunehmend zu entspannen - dort soll es zunächst nicht mehr regnen.

Grenzpolizisten fanden bereits am Mittwoch im Meer im Raum Zarewo die Leiche eines Mannes, wie die bulgarische Polizei mitteilte. Am vorangegangenen Dienstag war der leblose Körper eines 61 Jahre alten Mannes gefunden worden, der laut Behörden in Zarewo am Schwarzen Meer gerade ein Haus repariert hatte, als die Flutwelle eintraf.

Die Leiche einer Frau wurde ebenfalls am Dienstag in derselben Gegend ans Land gespült, dann aber schnell wieder zurück ins Meer geschleudert.

Urlauber mussten in Sicherheit gebracht werden

Heftige Regenfälle und Gewitter hatten ab Montagabend die bulgarische Schwarzmeerküste getroffen. Flüsse traten über die Ufer, Brücken wurden beschädigt und die gesamte Region südlich der Küstenstadt Burgas war von der Außenwelt abgeschnitten. Auch Hunderte Urlauber mussten aus den Überschwemmungsgebieten in Sicherheit gebracht werden.

In der griechischen Ortschaft Karditsa konnten Rettungskräfte zeitweise nicht Dorf erreichen.

© IMAGO/ANE Edition

Fotos und Videos in den Online-Netzwerken zeigten Wohnmobile und Autos, die auf Campingplätzen an der Küste von den Wassermassen ins Meer gespült wurden. Auch Straßen und Wohnhäuser in Zarewo und der Küstenstadt Achtopol standen unter Wasser. Fernsehbilder zeigten überflutete Autos und beschädigte Straßen.

In der Stadt Zarewo wurde zeitweise der Ausnahmezustand ausgerufen. „Die Menge an Regen, die hier gefallen ist, ist beispiellos“, sagte der Bürgermeister, Georgi Lapschew, im Sender Nova Television.

Überschwemmungen waren an der Schwarzmeerküste bisher selten. Für die immer häufigeren Unwetterkatastrophen in Bulgarien machen Experten den Klimawandel und den schlechten Zustand der Infrastruktur verantwortlich

Südosteuropa: Wie im Ahrtal, aber mit noch mehr Regen

„Innerhalb von zwei bis drei Tagen kommt es punktuell zu so viel Niederschlag wie in manchen Regionen Deutschlands im ganzen Jahr“, erklärte Meteorologe Felix Dietzsch vom Deutschen Wetterdienst (DWD) der Deutschen Presse-Agentur zur Lage im Mittelmeerraum. „Die Situation ähnelt der im Ahrtal 2021, nur mit einem Vielfachen der Regenmenge.“

Was ist der Grund für die Extrem-Niederschläge? „Es ist ein zufälliges Zusammenspiel mehrerer Faktoren“, erklärt Dietzsch. Aktuell gebe es eine angespannte Großwetterlage in Europa, eine sogenannte Omega-Wetterlage.

Über Deutschland gibt es demnach ein ausgeprägtes Hochdruckgebiet, um das die Luft sozusagen herumfließt. „An der südwestlichen und südöstlichen Flanke dieses Hochdruckgebiets bilden sich Tiefdruckgebiete aus. Diese treffen derzeit auf Spanien und Griechenland und sind dort sehr ortsfest“ – sie bleiben also lange. (dpa/AFP/Reuters)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false