zum Hauptinhalt
Der „Schöne Klaus“. Aaron Hilmer als aufstrebende Hamburger Kiez-Größe.

© Amazon Prime Video

Amazon-Prime-Serie „Luden“: Der Reiz der Reeperbahn

Die Romantisierung des Haifischbeckens: In der Prime-Serie „Luden“ wird das St. Pauli der 1980er Jahre zum Sehnsuchtsort von Tagträumern und Nachtschwärmern stilisiert.

Von der Reeperbahn erwartet niemand moralische Vorbilder. Der Rotlicht-Kiez von St. Pauli passt eher zu Warnungen wie „Szenen mit Bezug zu sexuellem Missbrauch“. Die Serie „Luden“ von Amazon Prime Video (ab Freitag) strotzt vor Gewalt, Schimpfwörtern und Freizügigkeit. Da fasst die Braut dem Bräutigam bei der kirchlichen Trauung nach einem innigen Zungenkuss schon mal in den Schritt.

„Luden“ blickt zurück auf 1980er Jahre; der Kiez legt sein Schmuddelimage ab und wandelt sich zur Partymeile. Mittendrin Klaus Barkowsky (Aaaron Hilmer), der es bislang nur zur Aushilfskraft in einer Kneipe gebracht hat, aber auf der Reeperbahn ein Hamburger Studio 54 aufmachen möchte. Allerdings nicht als Edel-Disco, sondern als Luxus-Puff. Sunnyboy Klaus, Kiezschläger Andi (Henning Flüsloh) und Zahlenmann Bernd (Noah Tinwa) machen als „Nutella-Bande“ der alten Luden-Garde des GMBH-Kartells das Revier streitig. Die in die Jahre gekommene Prostituierte Jutta (Jeanette Hain) weist ihnen dabei den Weg.

Der „Schöne Klaus“ ist eine reale Person und echte Kiezgröße, die Serie wurde „inspiriert von wahren Begebenheiten“. Wenn Jutta das Milieu als „Sammelbecken für Tagträumer und Nachtschwärmer“ beschreibt, wird das Haifischbecken gleichwohl übermäßig romantisiert. Immer wieder werden die Regeln des Milieus beschworen. Doch auf der Reeperbahn herrscht mehr Eros als Ethos. Statt sexueller Revolution wird der weibliche Körper ausgebeutet.

Begreift man „Luden“ als fiktionale Produktion und nicht als Dokumentation, muss das gar nicht gegen die Serie sprechen. Das Casting ist stimmig: Aaron Hilmer als waschechter Hamburger spielt seinen Klaus in aller Ambivalenz. Darsteller wie Karsten Antonio Mielke als Widersacher Beatle, Stefan Konarske als Eros-Center-Betreiber Mischa und Stephan Kampwirth als Reeperbahn-Polizist verleihen den sechs Teilen den nötigen Unterhaltungswert. Der Soundtrack der 80er und die dazugehörige Mode erledigen das Übrige.

Auf den Aufstieg folgt in der zweiten Hälfte der Serie der Fall: Koks und Aids verhindern, dass „Luden“ zum Heldenepos wird. Wie warnt eine der jungen Frauen die Ausreißerin Manu (Lena Urzendowsky)? „Wer auf St. Pauli landet, kommt hier nicht so schnell weg.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false