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Klimaschützer versuchten bis zuletzt, mit Protestaktionen den Ausbau des Tagebau-Areals in Lützerath zu verhindern.

© imago/epd/Guido Schiefer/Bearbeitung Tagesspiegel

Ein Jahr nach der Räumung von Lützerath: Wo steht die Klimaschutzbewegung heute?

Ein Jahr nach dem Kampf um das Dorf Lützerath haben es Klimaschutz-Aktivisten derzeit schwer – auch wenn es einzelne Erfolge gibt.

Lützerath wurde zum Symbol des Kampfes gegen Kohleförderung. Im Januar 2023 wurde die Siedlung im Rheinischen Braunkohlerevier geräumt – ein Rückblick auf ein turbulentes Jahr für die deutsche Klimabewegung.

1 Heiß

Sie verschanzten sich in Tunneln und auf Baumhäusern. Zehntausende kamen zu Protestkundgebungen des Bündnisses „Ende Gelände“ und anderer Organisationen, es gab Rangeleien, vereinzelt flogen Steine und Feuerwerkskörper in Richtung der Polizisten. Ein Jahr ist es her, dass der Kampf um Lützerath seinen Höhepunkt erreichte.

Das Dorf in Nordrhein-Westfalen war zum Symbol der Klima- und Anti-Braunkohle-Bewegung geworden. Weltweit gab es Berichte über den Kampf der Umweltschützer gegen den geplanten Braunkohleabbau unter der kleinen Siedlung, 500 Wissenschaftler unterstützten den Kampf gegen die Räumung, auch Fridays-for-Future-Gründerin Greta Thunberg schaute vorbei. Verhindern konnten sie die Räumung aber nicht.

 An den Demonstrationen gegen die Räumung von Lützerath nahmen Zehntausende teil. 
 An den Demonstrationen gegen die Räumung von Lützerath nahmen Zehntausende teil. 

© Björn Kietzmann

Am 16. Januar verließen die letzten Aktivisten das Areal, am 19. Januar 2023 waren die letzten Gebäude abgerissen, die letzten Bäume gerodet. Dennoch war der Kampf auch ein Sieg für die Bewegung – zumindest in Bezug auf die öffentliche Meinung. Nach Ansicht von Experten wie dem Soziologen und Nachhaltigkeitswissenschaftler Ortwin Renn hat Lützerath dazu geführt, dass die Klimabewegung gerade bei jüngeren Menschen weiter an Solidarität und Zustimmung gewonnen hat. Nach Einschätzung von Felix Anderl, Professor für Konfliktforschung an der Universität Marburg, hat die Mobilisierung gezeigt, dass mehr möglich ist, als nur wöchentlich zu demonstrieren.

2 Kalt

Der Kampf um Lützerath war für die Klimaschutzbewegung der Auftakt für ein turbulentes Jahr. Die Auseinandersetzung hat dazu geführt, dass sich die Bewegung von den Grünen abgesetzt hat, die auf Landes- und Bundesebene hier die Gegenspieler waren, wie Ortwin Renn sagt. Die Ereignisse in Lützerath hätten die Legitimation der Grünen als Klimapartei infrage gestellt.

Den Aktivistinnen und Aktivisten standen im Jahresverlauf weitere harte Proben bevor, vom Streit um pro-palästinensische und israelfeindliche Äußerungen von Greta Thunberg und anderen Vertretern von Fridays for Future bis zu den kontrovers diskutierten Straßenblockaden und Farbattacken der radikaleren Gruppe „Letzte Generation“.

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In Lützerath hat der Energiekonzern RWE derweil den Tagebau wie geplant ausgedehnt. Die erste Sohle der Erde unter der einstigen Siedlung wurde bereits im Frühjahr 2023 ungefähr 40 Meter tief abgetragen, erklärt ein RWE-Sprecher. Mitte 2024 soll die hier liegende Braunkohle abgebaut und zur Stromerzeugung verwendet werden.

Neue Berechnungen der Umweltschutzorganisation BUND, derzufolge die Abbaggerung auf falschen Prognosen beruhe und die Kohle gar nicht für die Stromversorgung gebraucht werde, weist der RWE-Sprecher zurück. Braunkohle habe gerade in der Gasmangellage, die in Deutschland durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine entstanden war, einen wichtigen und zusätzlichen Beitrag geleistet.

3 Warm

Ein Jahr nach der Räumung von Lützerath hat die deutsche Klimaschutzbewegung es derzeit besonders schwer, ihre Anliegen zu vermitteln. Auch weil die öffentliche Aufmerksamkeit sich Umfragen zufolge statt auf Klimafragen eher auf die Folgen der Kriege im Gazastreifen und in der Ukraine, wachsende Herausforderungen bei der Integration von Geflüchteten oder die steigenden Lebensmittelpreise richtet.

Dennoch kann man aus Sicht des Klimaschutzes eine positive Bilanz des vergangenen Jahres ziehen, sagt Nachhaltigkeitsforscher Renn. Viele der deutschen Ziele zur Treibhausgasminderung seien 2023 erreicht worden. Der Kampf um Lützerath hat aus Sicht von Konfiktforscher Anderl gezeigt, dass die verschiedenen Akteure der deutschen Klimaschutzbewegung ungeachtet unterschiedlicher Taktiken gemeinsam kämpfen können, wenn es darauf ankommt.

Rund um ‚Ende Gelände‘ habe sich eine sehr breite Allianz zusammengetan und gezeigt, dass sie entschlossen ist, über Unterschiede hinweg gemeinsam zu mobilisieren. Es gebe mittlerweile einen großen Erfahrungsschatz in den verschiedenen Initiativen, dass das auch wieder gelingen kann. Dafür brauche es nur noch einen passenden Auslöser.

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