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Mitarbeiter der Security stehen vor einem Unterkunftszelt für Geflüchtete im Ukraine-Ankunftszentrum Tegel.

© dpa/Carsten Koall

„Wir sind in einer Ausnahmesituation“: Lage für Geflüchtete in Berlin bleibt kritisch – trotz hunderter neu geschaffener Plätze

830 neue Plätze für Geflüchtete sollen in den kommenden Tagen entstehen. Doch das reicht lange nicht – die Kapazitäten sind weiter fast vollständig ausgeschöpft.

„Weiter“, immer „weiter“. Das ist das Wort, das bei der Beschreibung des Zustands der Geflüchteten-Unterbringung in Berlin unerlässlich ist. Und das gleichzeitig nur ungenügend beschreibt, was dieser Zustand für die Geflüchteten selbst bedeutet. Diese müssen oft mehrere Tage ausharren, bevor sie in eine Unterkunft kommen, die nicht nur als Provisorium für die Zeit kurz nach der Ankunft gedacht ist. Denn die Zahl derer, die in Berlin Zuflucht suchen, ist weiter hoch.

Allein im Oktober sind weitere 3454 Asylsuchende in Berlin eingetroffen. Das ist ein Anstieg von 30 Prozent innerhalb eines Monats. Für den November liegen noch keine genauen Zahlen vor, laut Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) dürften sie sich aber in einem ähnlichen Bereich bewegen wie die vom Oktober. Hinzu kommen die weiterhin zahlreichen ukrainischen Kriegsgeflüchteten, die nach Berlin kommen. Im Oktober waren es 2399 Menschen aus der Ukraine, im November 2.583.

Die Unterbringungssituation ist dementsprechend so angespannt wie bereits in den vergangenen Wochen – auch wenn fortlaufend neue Plätze geschaffen werden. Doch die neu eingerichteten Unterkünfte sind direkt wieder voll. 4000 Personen kommen daher derzeit nach Angaben des LAF in improvisierten Unterkünften unter.

Im Schnitt bleiben etwa Menschen aus der Ukraine rund sieben Tage im Ankunftszentrum in Tegel – eigentlich sollten es nur bis zu drei sein. Asylsuchende aus anderen Regionen warten aktuell etwa 20 Tage auf ihre Registrierung. Um Abhilfe zu schaffen, wurden diese Woche 20 neue Registrierungsstationen im Ankunftszentrum in Reinickendorf eingerichtet – die Zahl der Stellen hat sich damit fast verdoppelt.

Wir können Menschen nicht in die Obdachlosigkeit entlassen.

Berlins Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke)

Für die kommenden Tage stellt ein Sprecher der Verwaltung in Aussicht, das rund 830 neue Unterbringungsmöglichkeiten in Betrieb genommen werden können. Darunter sind 270 Plätze in einer Gemeinschaftsunterkunft in der Harlemer Straße sowie 400 Plätze in einem Hostel in Mitte.

Nutzung von Tegel nach Dezember weiter ungewiss

Im Aufbau befinden sich derzeit auch die großen Zelte, die Senatorin Katja Kipping (Linke) Mitte November angekündigt hatte. „Wir nutzen in Tegel aktuell mehrere Flächen für weitere Leichtbauhallen und schaffen so 3200 weitere Plätze“, sagte sie dem Tagesspiegel. Auf der Zeitschiene habe es ein kleines Entgegenkommen gegeben. Bis Ende 2022 könne im Terminal die Unterbringung Geflüchteter auf jeden Fall erfolgen. „Über die Zeit danach müssen wir im Senat weiter miteinander reden“, sagte Kipping.

Die Senatorin hatte sich zuvor mehrfach für die Möglichkeit ausgesprochen, auch über das Jahresende hinaus Geflüchtete in allen Terminals Tegels unterzubringen. Bislang konnte sie sich mit ihrer Forderung aber offenbar nicht durchringen. Der Grund dürfte sein, dass die Terminals A und B eigentlich ab Januar für die Berliner Hochschule für Technik umgebaut werden sollen.

„Die entscheidende Frage ist: Haben wir genug Plätze, um auf die 1900, die es in den Terminals A und B gibt, zu verzichten?“, fragt Kipping. Wenn es eine alternative Möglichkeit zur Unterbringung in den ehemaligen Terminals in Tegel gebe, dann werde sie sich einer Lösung für das Projekt nicht verweigern. Sie bleibe aber dabei: „Wir können Menschen nicht in die Obdachlosigkeit entlassen.“

Wohncontainer in Tempelhof geplant

Die Sozialverwaltung setzt sich derzeit auch für neue Unterbringungen auf dem anderen ehemaligen Flughafengelände der Stadt ein, in Tempelhof. Dort ist die Aufstellung von Wohncontainern geplant. Die Hangars sollen noch in diesem Jahr belegt werden. Ab Januar können dort auch, so der Plan, weitere Leichtbauhallen auf dem Parkplatz bezogen werden.

Sozialsenatorin Kipping warnt vor dem Ernst der Lage: „Entscheidend ist neben Planungen für alle Eventualitäten, dass bei allen Verantwortlichen in der Stadt eine wichtige Tatsache verinnerlicht wird: Wir sind wirklich in einer Ausnahmesituation.“ Diese könne nur bewältigt werden, wenn alle Beteiligten den Schalter auf Krisenmodus umlegten. Die Ausnahmesituation, die schon länger anhält – sie dürfte auch in den nächsten Wochen weiter bestehen.

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