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Gut 84 Prozent der Notschlafplätze in der Kältehilfe waren letzten Winter belegt.

© Paul Zinken/dpa

Winterbilanz der Berliner Kältehilfe: Vor allem Notunterkünfte für Frauen und Familien stark ausgelastet

Mehr als 2000 Menschen sind in Berlin obdachlos. Die Kältehilfe hatte auch vergangenen Winter entsprechend volle Betten.

Von Sonja Wurtscheid

In der Berliner Kältehilfe waren im vergangenen Winter Notunterkünfte für Frauen und Familien besonders stark ausgelastet. Dort seien über die gesamte Zeit hinweg mehr als 90 Prozent der Plätze belegt gewesen, hieß es am Donnerstag im Sozialausschuss des Abgeordnetenhauses.

Bei sogenannten 24/7-Einrichtungen nur für Frauen habe die Belegungsrate teilweise bis zu 100 Prozent betragen. Damit sei die Auslastung von frauen- und familienspezifischen Unterkünften höher gewesen als in den gemischten Unterkünften.

"Wir haben in dieser Saison den größten Anteil an frauenspezifischen Plätzen aufbauen und anbieten können, seit es die Kältehilfe in Berlin gibt", sagte Staatssekretärin Wenke Christoph. Den Großteil des Angebots machten aber weiterhin geschlechtergemischte Unterkünfte aus. Der Bedarf zur Unterbringung von Frauen ist groß.

Die durchschnittliche Auslastung über alle Unterkunftsformen hinweg lag bei etwa 84 Prozent. "Das bewegt sich etwa im Rahmen der letzten Jahre", sagte Christoph. Wie bei jedem Durchschnittswert beinhalte auch dieser Spitzen und Phasen von geringerer Auslastung. "Vor allem in den besonders kalten Nächten rund um den Jahreswechsel hatten wir mehrfach eine Auslastung von über 90 Prozent", sagte Christoph.

Stadtweit gab es vergangenen Winter insgesamt etwas mehr als 1000 Übernachtungsplätze. Die Kältehilfe sei nach wie vor stark auf zivilgesellschaftliches Engagement beziehungsweise die Mithilfe der Kirchen angewiesen. Sie existiert seit 1989.

Hohe Nachfrage in der Innenstadt

Das Angebot an Notschlafplätzen im Winter variierte dabei stark von Bezirk zu Bezirk. Die meisten Übernachtungsmöglichkeiten gab es in den Innenstadtbereichen – darunter Friedrichshain-Kreuzberg (27 Prozent aller Plätze), Reinickendorf (23,5 Prozent) und Mitte (20,8 Prozent). Die Nachfrage nach Kältehilfeplätzen in der Innenstadt sei deshalb so hoch, sagte Christoph, weil sich viele Menschen ohne Obdach auch tagsüber dort bewegten und abends nicht an den Stadtrand fahren könnten oder wollten.

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Ein Teil der Kältehilfe ist der Wärmebus, betrieben vom Landesverband Berlin des Deutschen Roten Kreuzes und seit dem Winter 2009 Teil des Unterstützungsprogramms. Das aus ehrenamtlichen Helfer:innen und Kräften mit sozialpädagogischen Kenntnissen bestehende Team sucht in den Wintermonaten allabendlich jene Plätze auf, an denen sich erfahrungsgemäß häufig wohnungslose Menschen aufhalten. Außerdem gehen die Helfer:innen Hinweisen aus der Bevölkerung über offenkundig bedürftige Menschen nach.

Der Bus war zwischen dem 1. November und 31. März jeden Tag zwischen 18 Uhr und Mitternacht auf Berlins Straßen unterwegs, wie das DRK am Donnerstag mitteilte. Die Helfer:innen hatten dabei Kontakt zu 1350 hilfebedürftigen Menschen. 356 von ihnen wurden in Notunterkünfte gefahren und viele Hundert wärmende Kleidungsstücke ausgegeben. "Das Wärmebus-Team leistet jeden Winter wichtige, weil oft lebensrettende Arbeit", sagte die Landesgeschäftsführerin des Berliner Roten Kreuzes, Gudrun Sturm.

Nun werden die Plätze sukzessive abgebaut

"Wir sind jetzt am Ende der Kältehilfesaison", sagte Staatssekretärin Christoph am Donnerstag. "Die Auslaufphase hat am 1. April begonnen." Für den April stehe noch eine relativ große Anzahl an Plätzen zur Verfügung, die dann sukzessive abgebaut werde – vergangene Woche waren es knapp 800, von denen 41 frei blieben.

Über die Sommermonate stehen weiter Schlafplätze zur Verfügung, aber in "deutlich geringerem Umfang" – weil die Kältehilfe ein saisonales Angebot zur Unterstützung bei der Übernachtung sei, "um Krankheit und Tod" zu verhindern. Ab Juli werde eine Erhöhung der Plätze angestrebt, mit dem Erschließen neuer Unterkünfte und dem Ausbau bestehender.

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Zur Vorbereitung für den kommenden Winter hat Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) für den 16. Juni ein Treffen mit beteiligten Organisationen und den Bezirken einberufen.

Die Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Berlin begrüßte den Austausch. Obwohl Berlin es sich zum Ziel gemacht hat, Obdachlosigkeit bis 2030 zu beenden, hieß es in einer Mitteilung, sei "gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse" eher nicht damit zu rechnen, "dass die Zahl obdachloser Menschen abnimmt".

Die jüngste Zählung obdachloser Menschen aus dem Jahr 2020 benannte mindestens 2000 obdachlose Menschen in der Stadt. Für diesen Sommer steht eine neue Zählung an.

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