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Wenn es in der eigenen Wohnung zu gefährlich wird, sind Frauenhäuser ein wichtiger Zufluchtsort.

© Peter Steffen/dpa

Bei der Unterbringung wird gespart: Einziges Krisenhaus für Frauen in Berlin steht vor der Schließung

Das Frauenkrisenhaus in Reinickendorf muss wohl dichtmachen. Der Grund sind Fehlanreize bei der Abrechnung: Die Bezirke dürfen Einsparungen anders ausgeben.

Berlin droht der Verlust seiner derzeit einzigen Kriseneinrichtung für Frauen. Tagesspiegel-Informationen zufolge steht das Frauenkrisenhaus der Bürgerhilfe im Bezirk Reinickendorf vor dem Aus. Zum 31. März muss der Betrieb aller Voraussicht nach eingestellt werden.

Erste betriebsbedingte Kündigungen seien schon ausgesprochen worden, bestätigte die Geschäftsführung des Trägers, die Bürgerhilfe Kultur des Helfens, dem Tagesspiegel. Nur einzelne der derzeit 18 angestellten Mitarbeiter:innen der 2012 gegründeten Einrichtung würden intern umbesetzt, erklärte Geschäftsführerin Heike Christ. Sie sagte: „Für viele von ihnen bricht eine Welt zusammen.“

Ursache ist ein Konstruktionsfehler bei der Finanzierung von Einrichtungen wie der in Reinickendorf. Ihre Leistungen werden als „67er-Hilfen“ abgerechnet, benannt nach den in Paragraf 67 des Sozialgesetzbuchs geregelten Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

Das Problem: Bewilligt werden die Leistungen, in dem Fall die Unterbringung von Frauen im Reinickendorfer Krisenhaus, nach dem sogenannten Planmengeverfahren durch die Bezirke. Diesen steht ein Budget X zur Verfügung, das im Fall seines Nichtgebrauchs zu 25 Prozent (der nicht ausgegebenen Summe) im Besitz der Bezirke bleibt. Die Einsparungen wiederum werden nicht selten für andere Zwecke ausgegeben.

Weil die Unterbringung von Menschen in Kriseneinrichtungen besonders kostenintensiv ist, rentieren sich Einsparungen besonders. Von einem „Fehlanreizverfahren“ ist die Rede.

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„Unsere Unterkunft ist chronisch unterbesetzt, weil die Bezirke aus wirtschaftlichen Gründen von einer Bewilligung absehen“, erklärte dazu Heike Christ. Im vergangenen Jahr hätten den Träger mehr als 500 Anfragen erreicht, nur 68 Menschen wurden tatsächlich vermittelt. Die Einrichtung erwirtschaftete ein Defizit von 140.000 Euro.

Auf der politischen Ebene ist das Problem bekannt. Die Sozialverwaltung schreibt in einem dem Tagesspiegel vorliegenden „Konzept zur Rettung der Krisenhäuser“: „Die mangelnde Auslastung beruht nicht auf einem Mangel an Bedarf, sondern liegt in der zurückhaltenden Bewilligungspraxis der Bezirke begründet, die wiederum ihre Ursachen in einer besonderen Finanzierungssystematik der 67er-Leistungen in Berlin hat.“

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Parlamentarier:innen von SPD, Linken und FDP kritisierten die bevorstehende Schließung teilweise deutlich. Maren-Jasper Winter, frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, forderte sowohl eine kurzfristige Lösung für das Krisenhaus als auch „ein langfristiges nachhaltiges Finanzierungskonzept für diese wertvollen Einrichtungen.“

Sie erinnerte daran, dass sich der Senat in seinem 100-Tage-Programm dazu verpflichtet hatte, die Umsetzung des Berliner Masterplans zur Überwindung der Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis zum Jahr 2030 „sofort“ zu beginnen. Der drohende Verlust von einem Drittel der stadtweit zur Verfügung stehenden Plätze in Kriseneinrichtungen passe nicht dazu. Am Donnerstag wird sich der Sozialausschuss des Abgeordnetenhauses mit dem Fall beschäftigen.

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