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© Wolfgang Kumm/dpa; Imago/camera4+

Update

Spranger entlässt Vertraute von Franziska Giffey: „Die Iris macht, was sie will“ – scharfe Kritik an Berlins Innensenatorin

Weil das Vertrauensverhältnis zwischen der Senatorin und ihrer Staatssekretärin nachhaltig gestört ist, soll die Sport-Staatssekretärin Nicola Böcker-Giannini ihren Posten räumen. Sie soll bereits Hausverbot haben.

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SPD-Innensenatorin Iris Spranger plant, eine Top-Beamtin in ihrem Haus zu feuern. Nach Tagesspiegel-Informationen soll die Sport-Staatssekretärin Nicola Böcker-Giannini ihren Posten räumen. Das bestätigten inzwischen mehrere mit dem Vorgang vertraute SPD-Politiker und – über ihren Anwalt – auch Böcker-Giannini selbst.

Eine offizielle Bestätigung der Causa steht aus. Die Pressestelle Sprangers antwortete auf Nachfrage: „Als Senatsverwaltung für Inneres und Sport lassen wir uns grundsätzlich nicht in Sachen etwaiger laufender Personalgespräche oder -angelegenheiten ein.“

Nach Tagesspiegel-Informationen ist das Vertrauensverhältnis zwischen der Senatorin und ihrer Staatssekretärin nachhaltig gestört. So wurde der Staatssekretärin im Juni die Organisation der Fußball-Europameisterschaft EURO 2024 in Berlin entzogen – vorgeblich wegen erheblicher Kostensteigerungen.

Zuvor hatte Spranger zu diesem Thema eine neue Arbeitsgruppe eingesetzt, dabei war sie dem Vernehmen nach auf Mängel gestoßen. Nach Tagesspiegel-Informationen soll Spranger mit den SPD-Chefs Franziska Giffey und Raed Saleh vor Monaten auch über Differenzen mit Böcker-Giannini gesprochen haben, weil die EURO 2024 in Berlin durch Böcker-Giannini unterfinanziert gewesen sein soll.

Böcker-Gianninis Anwalt erhebt schwere Vorwürfe gegen Spranger

Ein Klärungsgespräch zwischen Senatorin und Staatssekretärin am vergangenen Freitag ist nach Tagesspiegel-Informationen gescheitert. Einige sprechen von einer Eskalation, in deren Folge Böcker-Giannini den Raum verlassen habe. Daraufhin soll Spranger angeordnet haben, dass die Staatssekretärin ihre Amtsgeschäfte nicht mehr ausüben darf, außerdem habe sie Hausverbot erhalten. Das ist ein ungewöhnlich drastischer Schritt.

Böcker-Giannini hat sich unterdessen einen Anwalt genommen. Der dürfte vielen in der SPD bekannt sein: Es ist Ralf Kleindiek – ehemaliger Chief Digital Officer im rot-grün-roten Senat, der in dieser Position gleichzeitig auch Staatssekretär unter Spranger war.

In einem Statement von Kleindiek, das dem Tagesspiegel vorliegt, macht der Anwalt der Innensenatorin schwere Vorwürfe. So habe sie seiner Mandantin mit einer Strafanzeige gedroht, sollte Böcker-Giannini über den Vorgang öffentlich berichten. Zudem sei das Verbot des Führens der Dienstgeschäfte nur „aus zwingenden dienstlichen Gründen“ durchsetzbar – zum Beispiel, wenn „der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde oder andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft zu befürchten wären“. Solche Gründe seien von der Innensenatorin jedoch nicht genannt worden. „Tatsächlich fehlt hierfür auch jegliche Grundlage“, so Kleindiek weiter.

Laut Kleindiek soll Spranger planen, die Staatssekretärin in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. „Hierfür fehlt es der Senatorin an der Befugnis“, schreibt der Anwalt. Das sei im Landesbeamtengesetz geregelt: Demnach entscheide der Senat über die Versetzung von Staatssekretär:innen in den einstweiligen Ruhestand. „Frau Senatorin Spranger könnte allenfalls beim Regierenden Bürgermeister anregen, dass ein entsprechender Senatsbeschluss gefasst wird“, fügt er hinzu.

Kleindiek habe zudem beim Chef der Senatskanzlei darauf gedrungen, dass das ausgesprochene Verbot des Führens der Dienstgeschäfte zurückgenommen wird. „Meine Mandantin wird es nicht hinnehmen, dass ihre persönliche und berufliche Integrität durch das Vorgehen von Frau Innensenatorin Spranger beeinträchtigt wird.“

Mit dem Schreiben Kleindieks konfrontiert, reagierte die Senatsinnenverwaltung am Montagabend: „Ich bitte um Verständnis, dass wir uns trotz der haltlosen Anwürfe nicht weiter zu dem Sachverhalt einlassen.“ Auch wenn es zulasten der Senatsverwaltung für Inneres und Sport gehe, bedeute ein verantwortungsbewusster Umgang, „dass wir auch weiterhin den Persönlichkeitsrechten von Frau Dr. Böcker-Giannini den Vorrang einräumen“.

Die Personalentscheidung dürfte vor allem innerhalb der Partei für Konflikte sorgen. Böcker-Giannini gilt als Vertraute von SPD-Chefin Franziska Giffey. Im Hintergrund äußern SPD-Politiker bereits scharfe Kritik an Sprangers Vorgehen. Die Entscheidung der Innensenatorin war nach Tagesspiegel-Informationen nicht mit der SPD-Seite im Senat vorbesprochen und kommt sehr überraschend. Dass das Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Frauen gestört war, war allerdings seit Längerem bekannt.

In der Partei wird auch auf die ausgewiesene Expertise im Sport-Bereich hingewiesen und darauf, dass Böcker-Giannini schon die zweite Staatssekretärin innerhalb weniger Monate sei, die Spranger entlasse: Erst im Februar feuerte sie Innen-Staatssekretär Thorsten Akmann. Mehr als unglücklich sei dieses Vorgehen, heißt es – und es sage mehr über die Senatorin aus als über die beiden Staatssekretäre.

„Die Iris macht, was sie will“, heißt es denn auch aus der zweiten Reihe des linken Flügels der SPD, der Sprangers Kurs in der Innenpolitik ohnehin kritisiert. Sie habe einen „Mordplan“ gegenüber Böcker-Giannini verfolgt.

Auch eine Abteilungsleiterin Sport in der Innenverwaltung wurde bereits von ihren Aufgaben entbunden. Ein Mitarbeiter kümmert sich nun um die Organisation für die EURO. Nichtsdestotrotz soll Spranger zum Beispiel auf ein riesiges und vor allem wegen der Statik teures Tor vor dem Brandenburger Tor bestanden haben. Den Grund will ein Parteifreund kennen: „Iris träumte davon, auf das Cover des Time Magazine zu kommen“.

Über die Frage der Nachfolge von Böcker-Giannini ist noch nicht entschieden. Aus der Parteiführung heißt es, dass Spranger zwingend eine Frau nominieren müsse. Dies sei die Erwartung in der Partei. In den kommenden Tagen soll es dazu Gespräche mit der Innensenatorin geben. Andere mit dem Vorgang Vertraute nennen den Reinickendorfer SPD-Politiker Torsten Einstmann als möglichen Nachfolger.

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