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In der Silvesternacht 2022/23 wurden auch Feuerwehrleute angegriffen.

© dpa/Paul Zinken

Sechs Wochen vor Silvester in Berlin: Gemeinsam Fußball spielen gegen Attacken auf Feuerwehrleute

Schwierige Jugendliche und Feuerwehrleute spielen zusammen Fußball und hören sich gegenseitig zu. Mit diesem Projekt sollen Attacken auf Feuerwehrleute verhindert werden.

„City Chicken“ war einfach überlegen, der Gegner hatte am Ende keine Chance. 3:1 im Finale gegen die Feuerwehrwache Treptow, klare Sache. Der Sieg in diesem Fußballturnier ging an die Jugendlichen aus Neukölln, die sich „City Chicken“ nannten, nach dem Ort, wo sie gerne mal essen. Die Feuerwehrleute nahmen’s sportlich, am Ende saßen alle – Jugendliche aus vier Mannschaften und zwei Teams der Feuerwehr – zusammen und hatten ihren Spaß.

Fußballturniere gegen Jugendgewalt

Szenen eines normalen Freizeit-Fußballturniers in Neukölln, einerseits. Andererseits, viel wichtiger, eine Maßnahme gegen Jugendgewalt, gegen Attacken auf Feuerwehrleute. Eine Reaktion auf die Ausschreitungen vom vergangenen Silvester, eine Maßnahme, die neue Gewalt in der Nacht zum Jahreswechsel 23/24 verhindern soll. Die Jungs von „City Chicken“ kommen aus der Weißen Siedlung, einem sozialen Brennpunkt in Neukölln.

Feuerwehr und Jugendliche, die aus schwierigen Verhältnissen kommen, bauen emotional Nähe zueinander auf, das steht hinter dem berlinweiten gemeinsamen Projekt von „Outreach“, einem Träger für mobile Jugendarbeit, und der Feuerwehr. Beide Parteien lernen, einander zu verstehen. Wer zusammen Fußball spielt, begegnet dem anderen nicht mit Aggressionen, das ist die Idee. Die Landeskommission gegen Gewalt finanziert das Projekt.

Die Jugendlichen sagen, es ist blöd, dass die Feuerwehrleute angegriffen werden.

 Ralf Gilb, Geschäftsführer von Outreach Berlin

Es läuft seit Herbst, inzwischen haben ein halbes Dutzend Turniere stattgefunden. „Wir haben gute Erfahrungen gemacht“, sagt Ralf Gilb, der Geschäftsführer von Outreach Berlin. „Die Jugendlichen sagen, es ist blöd, dass die Feuerwehrleute angegriffen werden.“

Seit September organisiert Outreach solche sportlichen Wettbewerbe, im Fußball und im Volleyball. Am 11. November fand das vorerst letzte Fußballturnier in Spandau statt.

Aber Sport ist nur ein Baustein des Projekts. Workshops gehören auch dazu. Feuerwehrleute erklären den Jugendlichen, dass die Helfer nicht bloß Wasserrohre halten, sondern auch Leute aus zertrümmerten Fahrzeugen schneiden. Zu den Verletzten könnten zum Beispiel die Mütter der Jugendlichen gehören. Das Bild wirkt, plötzlich hat die Feuerwehr eine ganz andere Bedeutung.

Jugendliche dürfen selbst Retter spielen

„Im März kam die Feuerwehr auf uns zu“, sagt Gilb. „Wir hatten da schon ähnliche Pläne. Es hat uns ja auch geschockt, dass die Feuerwehr angegriffen wurde.“ Seit 15 Jahren kümmert sich Outreach um Jugendliche mit schwierigen Biografien. „Das Bildungsniveau zum Beispiel in der Weißen Siedlung ist unter dem Durchschnitt. Viele Jugendliche sind schuldistant“, sagt Gilb. „Bei wichtigen Lebensthemen müssen wir dringend auch mit Eltern und Anwohnern sprechen. Die Eltern sollen auf ihre Kinder einwirken.“

Jetzt wirkt aber erst mal die Feuerwehr ein. „Wir haben in den Gesprächen gemerkt, dass die Akzeptanz der Feuerwehr steigt“, sagt Gilb. Die Jugendlichen besuchen auch Feuerwachen, sie tauchen in den Alltag dieser Rettungskräfte ein.

Für die Feuerwehr ist das Projekt ein Erfolg. „Die Erfahrungen lassen uns positiv in die Zukunft schauen“, sagt ein Sprecher der Feuerwehr nach einem der Fußballturniere. „Sowohl die Jugendlichen als auch die Feuerwehrkollegen hatten viel Freude. Es kam zu einem guten und interessierten Austausch.“

In der Weißen Siedlung hatte die Feuerwehr auch zwei Einsatzwagen aufgefahren. „Um den Kindern, Jugendlichen und allen Interessierten die Brandbekämpfung und Technische Hilfeleistung näherzubringen“, sagt der Sprecher.

Aber die Jugendlichen und die Zuschauer, teilweise noch Kinder, sollten ruhig auch selber mal Retter spielen. Reanimation lautete die Aufgabe. Beim Opfer musste sofort das Herz wieder zum Schlagen gebracht werden, es ging um Sekunden. Die Experten der Feuerwehr gaben die Anleitung, die Kinder und Jugendlichen leisteten Erste Hilfe. Proteste des Opfers bei Fehlern war nicht zu erwarten. Es war eine Reanimationspuppe.

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