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Kai Wegner und Bettina Jarasch.

© dpa/Fabian Sommer

Schwarz-Grün in Berlin: Eine gute Geschichte macht noch keine Koalition

CDU und Grüne könnten gemeinsam regieren. Das würde Jung und Alt, Innen- und Außenstadt vereinen. Zwei sich abstoßende Pole zusammenzufügen kann aber auch schaden.

Ein Kommentar von Julius Betschka

Eine schöne Geschichte wäre das schon: CDU und Grüne reichen sich über tiefe inhaltliche Differenzen hinweg die Hände, klettern aus ihren Gräben und einen Berlin. Die Partei der Alten koaliert mit der der Jungen, die Partei der Berliner Ränder mit der des Zentrums, Ökologie und Wirtschaft werden endlich zusammengedacht. Mit dieser Berlin-Utopie argumentieren die Befürworter eines schwarz-grünen Bündnisses.

Elektoral erfolgreiche Politik lebt auch von guten Erzählungen wie dieser. Ausreichend für eine gute Regierungsarbeit sind sie nicht. Wenn ein schwarz-grünes Bündnis dazu führt, dass sich zwei Parteien in zentralen Fragen nur auf Minimal-Kompromisse einigen können, hilft die beste Werbebotschaft wenig. Diesen Weg kann sich Berlin in einem Jahrzehnt der dringend notwendigen Transformation einfach nicht erlauben.

Die Ausgangslage ist in Berlin deutlich schwieriger als anderswo in Deutschland. Das liegt einerseits an den handelnden Akteuren: Kai Wegner ist nicht Daniel Günther. Die Vornamen-Abfrage zu Silvester wäre dem Schleswig-Holsteiner nie eingefallen. Die Berliner Grünen sind, andererseits, nicht bürgerlich wie Winfried Kretschmann, sondern links wie nirgendwo sonst im Land.

Besonders die CDU muss sich stark bewegen

Hinzu kommt: In drei Fragen, von denen das Gelingen der nächsten Koalition elementar abhängt, liegen Grüne und CDU in Berlin meilenweit entfernt. Die Grünen versprechen autofreie Kieze und 50 Prozent weniger Parkplätze, die CDU will die Partei der Autofahrer sein. Die CDU will noch mehr Wohnungen bauen als der jetzige Senat, die Grünen dafür am liebsten keine Freiflächen mehr opfern.

Ununterschätzbar wichtig für die Parteiseelen: Die Grünen wollen mehr sensible Sprache und Antidiskriminierungspolitik, die CDU würde Deutschlands erstes Antidiskriminierungsgesetz am liebsten sofort abschaffen.

Nein, unüberwindbar sind diese Gräben nicht. Für Großthemen wie die A100 und selbst den Enteignungsvolksentscheid sind gesichtswahrende Lösungen möglich. Bei der Verwaltungsreform – dem Thema, von dem alles andere abhängt – gibt es ohnehin Konsens.

Aber gerade die Christdemokraten werden sich nicht auf einer guten Erzählung ausruhen können: Sie sind während des Wahlkampfes in derartige Frontal-Opposition zu den Grünen gegangen, dass viele Wähler und Partei-Mitglieder vom Bündnis selbst und jedem inhaltlichen Kompromiss enttäuscht sein werden.

Der große Wirtschaftsdisruptor Henry Ford soll einmal gesagt haben: „Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.“ Übertragen auf Berlin bedeutet das: Die Grünen blieben wohl festgenagelt als ewige Zweite oder Dritte, die CDU bliebe Wahlsiegerin ohne Machtoption.

Für einzelne Politiker bedeutet das: Wer ausgerechnet in Berlin zwei sich abstoßende Pole sinnvoll zusammenfügt, könnte in die politische Geschichte dieser Stadt eingehen. Wenn das mal keine Motivation ist.

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