zum Hauptinhalt
Polizeioberkommissar Chris Bläsner demonstriert den Taser-Einsatz.

© Soeren Stache/dpa

Berliner Bilanz zu Elektroimpulsgeräten: Schon die Drohung mit dem Taser hilft der Polizei häufig

Rot-Rot-Grün hat für Taser bei der Polizei bislang keine Lösung und verlängerte den Probelauf. Doch die Bilanz spricht laut CDU und Gewerkschaft für die Geräte.

Als vor einer Woche die Polizei in Moabit anrückte, endete der Einsatz mit einem Schuss. Ein Polizist stoppte in einem Miethaus mit seiner Dienstpistole einen Mann, der zuvor einen Gerichtsvollzieher und dann die Polizisten mit einem Messer bedroht hatte. Das Projektil traf den Bewohner im Oberkörper, er wurde schwer verletzt.

Nach Ansicht der CDU und der Gewerkschaft der Polizei (GdP) hätte mit Elektroimpulsgeräten, bekannt als Taser, in einigen Fällen tödliche und lebensbedrohliche Schüsse mit der Dienstwaffe vermieden werden können. Wie etwa beim Nackten vom Neptunbrunnen, der 2013 mit einem Messer herumfuchtelte, einen Polizisten bedrohte - und erschossen wurde.

Es geht auch anders: So wurden ohne Pistole, aber mit einem Taser schon Männer gestoppt, die auf ihre Partnerinnen losgingen - oder ein Nackter gefasst, der nach einem Einbruch Polizisten mit einem Messer bedrohte.

Doch bei der Reform des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes vermied die rot-rot-grüne Koalition eine grundlegende Entscheidung und konnte sich nicht darauf einigen, Taser als reguläres Einsatzmittel einzuführen und gesetzlich neu zu regeln. Stattdessen ist der Testlauf im Mai 2020 bis Ende 2021 verlängert worden.

Zwar werden die Geräte bereits seit 2017 auf zwei Abschnitten getestet, auch die Spezialeinsatzkommandos nutzen die Technik. Aber als reguläres Einsatzmittel will Rot-Rot-Grün die Taser bislang nicht. Zum Einsatz kamen die Taser bislang nur selten, meist reichte es meist schon, den Einsatz anzudrohen.

Das geht aus der Darstellung der Senatsinnenverwaltung auf eine Anfrage von CDU-Fraktionschef Burkard Dregger hervor. Nachdem Taser von 2017 bis 2019 nur drei Mal eingesetzt wurden, etwa um Suizid zu vermeiden oder bei einem Einsatz gegen häusliche Gewalt einen Messerangriff abzuwehren, wurden Taser von 2019 bis Sommer 2021 ebenfalls nur drei Mal ausgelöst.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

2019 ist damit ein Selbstmordversuch verhindert worden, im März und Mai 2021 sind mit dem Taser Messerangriffe abgewehrt worden. Es sei dabei um „Gefahren für die körperliche Unversehrtheit“ und eine „Gefährdung für das Leben auf beiden Seiten“ bestanden, teilte die Innenverwaltung mit.

Am häufigsten aber reichte es schon, den Einsatz des Tasers anzudrohen. Das war von 2019 bis Anfang August 2020 sieben Mal der Fall. So hatte eine Person im Juli 2019 damit gedroht, sich selbst zu töten, und sich eine abgebrochene Glasflasche an den Hals gehalten. In anderem Fällen ging es um Widerstand gegen Beamten, Bedrohung mit Messern – darunter gegen Feuerwehrleute - oder mit anderen gefährlichen Gegenständen.

GdP findet, Taser schützen vor schweren Verletzungen

CDU-Fraktionschef Burkard Dregger genügen die bisherigen Erfahrungen, um bei der Polizei Berlin regulär Taser einzuführen. „Wir sehen uns durch die Ergebnisse bestätigt in unserer Forderung, Taser in der gesamten Polizei einzuführen. So könnten Schusswaffeneinsätze vermieden werden“, sagte Dregger. Die CDU-Fraktion befürworte auch die rechtliche Einordnung von Tasern unterhalb der Schusswaffe.

Burkard Dregger ist Vorsitzender der CDU-Fraktion im Berlin Abgeordnetenhaus.

© Kai-Uwe Heinrich

Die Gewerkschaft der Polizei bezweifelt, dass der jahrelange Test mit nur wenigen Geräten überhaupt zu brauchbaren Ergebnissen führt. „Es war vor der Verlängerung und genau genommen bereits zu Beginn des Probelaufs klar, dass es unter diesen Voraussetzungen kaum Einsätze und somit valide Daten für den Nutzen des Tasers geben wird“, sagte GdP-Landeschef Norbert Cioma.

„Rot-Rot-Grün hat sich jahrelang vor der Verantwortung gedrückt.“

Taser seien kein Allheilmittel, aber es gebe zahlreiche Szenarien, in denen die Geräte die Lücke zwischen Schlagstock und Pfefferspray auf der einen und Schusswaffe auf der anderen Seite schließen würde. „Bei der richtigen Einstufung könnte er unsere Kolleginnen und Kollegen, aber auch die Bürgerinnen und Bürger vor schwersten Verletzungen schützen. Wir brauchen ihn als zusätzliches Hilfsmittel der körperlichen Gewalt“, sagte Cioma.

[Schon über 250.000 Abos und immer konkret aus Ihrem Kiez: Die 12 Tagesspiegel-Newsletter für jeden Berliner Bezirk gibt es hier kostenlos: leute.tagesspiegel.de]

Ein Polizeibeamter aus Brandenburg stellt einen Taser vor.

© Soeren Stache/dpa

Er hoffe, erklärte der GdP-Landeschef, darauf, dass der nächste Senat nach der Abgeordnetenhauswahl zu einer gesetzlichen Regelung bereit ist. „Rot-Rot-Grün hat sich jahrelang vor der Verantwortung gedrückt und sie so auf die eingesetzten Kolleginnen und Kollegen abgewälzt.“

[Mehr aus der Hauptstadt. Mehr aus der Region. Mehr zu Politik und Gesellschaft. Und mehr Nützliches für Sie. Das gibt's nun mit Tagesspiegel Plus: Jetzt 30 Tage kostenlos testen.]

Die Geräte verschießen zwei Elekrodrähte mit Haken, durch die Strom geleitet wird. Bei getroffenen Personen kontrahieren die betroffenen Muskeln fünf Sekunden lang extrem schnell und schmerzhaft, sodass sie für diese Zeit gelähmt sind – die Personen sind außer Gefecht gesetzt. In Berlin werden Taser aber rechtlich wie Schusswaffen behandelt, anders ist es bei der Bundespolizei, die die Taser seit November unter anderem am Berliner Ostbahnhof testet.

Immerhin ist der seit 2017 laufende Probelauf der Berliner Polizei erweitert worden. Neben den Abschnitten 53 und 57, die die Taser testen, ist auch die Brennpunkt- und Präsenzeinheit der Direktion 5 in Friedrichshain-Kreuzberg, dem Ortsteil Mitte und Nord-Neukölln mit den Geräten ausgestattet worden. Seit 2016 sind für das Projekt Kosten in Höhe von 144 102 Euro entstanden.

Seit März testet auch Brandenburg Taser. Polizeipräsident Oliver Stepien sagte vor wenigen Wochen, die „positive Erwartungshaltung“ habe sich bestätigt. Von März bis Ende Juni reichte es in sechs Fällen aus, den Einsatz des Tasers anzudrohen, damit Verdächtige sich festnehmen ließen, bissige Hunde nicht auf die Beamten gehetzt oder Durchsuchungsbeschlüsse durchgesetzt werden konnten.

Zwei Mal wurde der Taser abgeschossen, um einen betrunkenen und randalierenden Ex-Boxer zu stoppen, der sich schon einige Mal körperliche Auseinandersetzungen mit der Polizei geliefert haben soll.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false