zum Hauptinhalt
Polizisten sollen nach der Rechtsreform künftig mit Bodycams ausgestattet werden, um ihre Einsätze zu dokumentieren.

© Paul Zinken/dpa

Bodycams und Telefonüberwachung: Warum das neue Berliner Polizeigesetz umstritten ist

Rot-Rot-Grün legt den Entwurf für ein neues Polizeigesetz vor. Im Innenausschuss stößt der auf geteiltes Echo. Welche Punkte besonders umstritten sind.

Die rot-rot-grüne Koalition will mit der Reform des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) die Befugnisse der Polizei neu regeln – und zwar grundrechtsfreundlich, wie Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Montag sagte. Bei einer Expertenanhörung im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses sind die Knackpunkte der von der Koalition vorgelegten Novelle deutlich geworden.

Dass eine Reform nötig ist, darüber sind sich alle politischen Lager einig – mehr aber auch nicht. „Wir stärken sowohl die Bürger- und Freiheitsrechte als auch die Polizei dort, wo es sinnvoll und verhältnismäßig ist“, erklärte Grünen-Innenpolitiker Benedikt Lux. CDU-Fraktionschef Burkard Dregger beklagte hingegen „Verschlechterungen“.

Der frühere Justiziar der Berliner Polizei, Oliver Tölle, sagte als Experte der Gewerkschaft der Polizei (GdP), die Reform biete Positives, aber bei weitem nicht genug. Berlin habe bei den Polizeigesetzen im Ländervergleich die rote Laterne und behalte sie mit der Reform auch.

Der Polizeirechtler Sebastian Söllner sagte: „Der Entwurf der Koalition kommt 15 Jahre zu spät. Berlin bleibe im Bundesvergleich hinter allen anderen Bundesländern zurück. Der frühere, als Neonazi-Jäger bekannt gewordene Polizeiführer Michael Knape sagte: „Das Gesetz ist Schonkost für magerkranke Patienten.“

Lea Voigt vom Deutschen Anwaltsverein dagegen lobte den Entwurf, weil Rot-Rot-Grün „nicht versucht, beim Wettrüsten der Sicherheitsbehörden einfach mitzulaufen“.

Ein Überblick über die strittigen Punkte

Laut Gesetz sollen Polizisten künftig Bodycams an ihren Uniformen zur Aufzeichnung von Einsätzen tragen, ebenso Feuerwehrleute und Sanitäter. Die Experten waren sich weitgehend einig darin, dass damit ein großer Schritt getan wird, da Bodycams in der Regel deeskalierend wirken.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Allerdings sollen Polizisten die Aufzeichnung auch starten müssen, wenn Bürger dies verlangen. Experten aus der Polizei kritisieren daran, dass Bodycams nicht mehr dem Eigenschutz dienen, sondern der Überwachung der Beamten. Auf der anderen Seite bieten sie auch den Bürgern Schutz. Und Beamte können sich gegen Vorwürfe leichter wehren.

In Wohnräumen sollen die Kameras aber nicht eingesetzt werden dürfen. Dabei sind Beamte gerade dort, etwa bei Einsätzen gegen häusliche Gewalt, brenzligen Situationen ausgesetzt. Jörn Badendick, Sprecher des Polizeiberufsverbands „Unabhängige“, schlug vor, Bodycam-Aufnahmen auch in Wohnungen zuzulassen. Um die Daten auszuwerten, könnte etwa ein nachträglicher Richterbeschluss ins Gesetz aufgenommen werden.

Telefonüberwachung soll zur Terrorabwehr eingesetzt werden

Strittig ist auch der Einsatz der Telefonüberwachung. Bislang war es nur erlaubt, im Rahmen von Ermittlungsverfahren Telefonate abzuhören. Rot-Rot-Grün will die Technik künftig auch zur Abwehr einer drohenden Terrorgefahr nutzen. Kritiker meinen hingegen, auch im Bereich der organisierten Kriminalität sei dies nötig, auch die sogenannte Quellen-TKÜ werde gebraucht.

Denn zunehmend wird nicht klassisch telefoniert, sondern gerade im kriminellen Bereich etwa über das Chatprogramm Whatsapp. Dort können die Ermittler nicht mithören. Mit der Quellen-TKÜ würden Ermittler direkt am Handy, also an der Quelle mithören, bevor die Daten verschlüsselt werden.

[Sicherheit vor der eigenen Haustür: In unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken geht es auch oft um die Polizei. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Auch beim Taser, also Elektroschockgeräten, wagt die Koalition keine großen Sprünge. Zwar wurden die Geräte schon getestet, das Spezialkommando nutzt die Technik. Aber als reguläres Einsatzmittel will Rot-Rot-Grün die Taser nicht einführen. Dabei gibt es im Polizeialltag durchaus Situationen, in denen sie besser geeignet sind als Schlagstock oder gar Dienstpistole. Bislang werden Taser jedoch rechtlich wie Schusswaffen behandelt.

Schüsse von Polizisten sollen rechtswidrig bleiben

Auch den finalen Rettungsschuss will die Koalition nicht regeln – gegen den Willen von Innensenator Geisel. Im Ernstfall kann es nötig werden, dass Beamte zur Pistole greifen, um bewaffnete Gewalttäter zu stoppen, die andere Menschen töten wollen. In Berlin ist das im Gegensatz zu anderen Ländern weiterhin rechtswidrig, die Beamten fallen dann einfach unter das für jedermann geltende Recht der Nothilfe und der Notwehr. Immerhin soll nun der dann nötige Rechtsschutz für Beamte geregelt werden.

Weitere Einschränkungen betreffen das Recht der Polizei, Privatwohnungen zu betreten, etwa bei Lärmbeschwerden, und bestimmte anlasslose Kontrollen. Bei den sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten – wie Alexanderplatz, Warschauer Brücke, Görlitzer Park – fallen zwei Verdachtsmomente weg, mit denen die Polizei einfach kontrollieren konnte: Verstöße gegen das Ausländerrecht und Prostitution.

Die Koalition beruft sich darauf, dass Prostitution nicht verboten sei. Polizeivertreter dagegen bemängeln, dass der oft einzige Anlass, um Erkenntnisse zu Menschenhandel und Zwangsprostitution zu gewinnen damit wegfällt.

Der Anwaltsverein wünscht sich weitere Einschränkungen: Polizisten sollten Kontrollen nicht mehr mit dem äußeren Erscheinungsbild Betroffener begründen dürfen, sondern nur mit deren Verhalten. Jede Kontrolle müsste quittiert werden. Damit wäre dokumentiert, wie oft jemand warum betroffen ist. „Das zwingt Beamte zur kritischen Selbstreflexion“, sagte Anwältin Lea Voigt. Das Gesetz regelt auch die Umbenennung: von „Polizeipräsident in Berlin“ in „Polizei Berlin“. Verbandssprecher Badendick berichtete von Kostenprognosen in Höhe von bis zu acht Millionen Euro.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false