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„Die Mieter haben zu Recht Angst“: Protest gegen schwedischen Immobilien-Investor in Berlin

Mieter der von Heimstaden gekauften Häuser fordern die Ausübung des Vorkaufsrechts. Baustadtrat Florian Schmidt hielt eine Rede.

Etwa 60 Personen protestierten am Dienstagmorgen vor dem Roten Rathaus gegen den Verkauf von Mietshäusern an den schwedischen Investor Heimstaden. Die Demonstranten forderten den Senat mit Plakaten und Sprechchören auf, den „Ausverkauf der Stadt“ zu verhindern.

Auch Politiker von Grünen und Linkspartei beteiligten sich. Der Senat hielt zeitgleich im Rathaus eine Sitzung ab, nach Auskunft der Senatskanzlei stand das Thema aber nicht auf der Tagesordnung.

Die Bundestagsabgeordnete Canan Bayram (Grüne) sagte in einen Redebeitrag, sie sei nicht nur als Politikerin gekommen, sondern auch als Betroffene. Bayram wohnt selbst in einer Wohnung, die von Heimstaden gekauft wurde. Ebenso der Autor dieses Artikels.

Die Heimstaden-Gruppe, die vom norwegischen Milliardär Ivar Tollefsen kontrolliert wird und ihre Deutschlandzentrale am Ku’damm aufbaut, bemüht sich um ein freundliches Image. Auf der Website heißt es: „Als Vermieter stehen wir in der Verantwortung, einen positiven Beitrag zu einer besseren Gesellschaft zu leisten.“

Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser (Linke), der an der Kundgebung teilnahm, glaubt dem Investor nicht: „Die Mieter haben zu Recht Angst“, sagt er. Die Unternehmensgruppe solle sich „rechtsverbindlich“ dazu verpflichten, auf die Umwandlung in Eigentumswohnungen oder Mieterhöhungen zu verzichten.

„Die Mieter haben zu Recht Angst“, sagte der Linken-Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser.

© Christoph Kluge

Das sagte auch die Berliner Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger. „Wenn Heimstaden ein verantwortungsvoller Bestandshalter sein möchte, dann erwarte ich einen Beweis.“ Zum Beispiel die Unterzeichnung einer Abwendungsvereinbarung.

„Die schreien ja geradezu nach Enteignung“

Darin erklärt ein Käufer unter anderem, auf Umwandlungen oder Luxussanierungen zu verzichten. Wenn ein Vorkauf nicht möglich sei und Heimstaden die Vereinbarung nicht unterzeichne, müsse die Politik andere Wege finden: „Die schreien ja geradezu nach Enteignung.“ Das werde sie auch der Deutschland-Chefin Caroline Oelmann sagen, mit der sie für Mittwoch verabredet sei, sagte Schmidberger.

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Auch die neue Staatssekretärin für Wohnen, Wenke Christoph (Linke) und der umstrittene Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) hielten Reden. Schmidt twitterte kurz darauf in Bezug auf die mindestens 130 von Heimstaden gekauften Häuser: „130 Häuser, eine Bewegung setzt sich in Gang“.

Heimstaden übernimmt fragwürdige Mietverhältnisse

Bautista Fernández demonstrierte ebenfalls am Dienstag. Er heißt eigentlich anders, möchte seinen Namen aber nicht in der Zeitung lesen. Er hat Angst, seine möblierte Wohnung zu verlieren, in der er bereits seit Ende 2016 lebt. Fernández ist einer von zahlreichen Mietern mit zeitlich befristeten Mietverträgen. Seiner läuft im Oktober aus.

Den Vertrag hat er mit Schönhaus Immobilien abgeschlossen, dem vorherigen Eigentümer, der habe aber eine Verlängerung verwehrt. Inzwischen habe er sich Rat beim Berliner Mieterverein geholt und erfahren, dass die Befristung unter Umständen gar nicht rechtskräftig sei. „Ich möchte in der Wohnung bleiben“, sagt er.

Die Demonstrierenden forderten den Senat auf, den "Ausverkauf der Stadt" zu verhindern.

© Christoph Kluge

Schönhaus verkaufte 16 Häuser an Heimstaden, mit vielen möblierten Wohnungen und befristeten Verträgen. „Mietverträge haben auch bei einem Eigentümerwechsel Bestand“, betont Wibke Werner vom Berliner Mieterverein, Heimstaden sei jetzt verantwortlich. Werner hält die Befristung für unrechtmäßig.

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Wer seinen Lebensmittelpunkt in der Wohnung habe, brauche nach deren Ablauf nicht ausziehen. Außerdem gelte der Mietendeckel auch für diese Wohnungen. Fernández und viele andere könnten also ihre Mieten reduzieren, weil in der Regel über der Obergrenze liegen. Schönhaus reagierte auf Tagesspiegel-Anfrage bisher nicht.

Ein „durchschnittlicher Vermieter“?

Wie wird Heimstaden mit dem schwierigen Erbe umgehen? „Heimstaden respektiert alle Vorschriften und alle Rechte in Bezug auf den Mieterschutz“, teilt der Sprecher Bernd Arts auf Anfrage mit. „Wir hoffen, dass die Mieter ihre Verträge verlängern, die kurz vor dem Auslaufen stehen sollten.“ Heimstaden werde in Zukunft keine möblierten Wohnungen anbieten.

In Schweden gehört Heimstaden bereits seit vielen Jahren zu den größten privaten Immobilieneigentümern. Teo Strömdahl Östberg, der Sprecher des schwedische Mietervereins Hyresgästföreningen teilt auf Anfrage mit: „Heimstadens Engagement unterscheidet von Region zu Region.“ In einigen kleineren Städten habe der Investor Gebiete „wirklich aufgewertet“ und eine ordentliche Verwaltung eingeführt. „In anderen Städten sind sie ein durchschnittlicher Vermieter, nicht mehr und nicht weniger.“

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