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Sechs Buchstaben und ein Haufen Probleme - immer wieder.

© Arno Burgi/dpa

Update

Kommen zum Lehrermangel jetzt Sparvorgaben?: Berlins Schulen befürchten Kürzungen – Leiter protestieren

Die Sparjahre sind noch in Erinnerung: Alle großen Schulleitungsverbände sind alarmiert und appellieren an die Koalition, die Bildung diesmal zu verschonen.

Der Flurfunk verheißt nichts Gutes: Berlins fünf große Schulleitungsverbände haben erfahren, dass im Haushalt 2022/23 Kürzungen drohen. In einem gemeinsamen Brief appellierten sie am Sonntag an die Regierende Bürgermeisterin, an die Bildungssenatorin sowie an die Bildungspolitiker im Abgeordnetenhaus, den Schulen keine Ressourcen wegzunehmen. Befürchtet werden Abstriche beim Personal.

Die Befürchtung resultiert daher, dass alle Ressorts sparen müssen – eine Folge der Pandemie. Der Bildungshaushalt besteht zu über 80 Prozent im Schnitt aus Personalmitteln – mithin ist dieser Bereich prädestiniert für Kürzungen.

Zwar gibt Berlin aktuell auch sehr viel Geld für den Schulbau aus. Dem Vernehmen nach soll dort aber nicht maßgeblich gekürzt werden, weil die Schülerzahlen wachsen: Wer jetzt nicht sofort weiterbaut, kann in fünf oder acht Jahren wieder nicht alle Schüler unterbringen. Die Beschulung in Containern und in übervollen Klassen würde dann verstetigt.

Was die Sorge der Verbände vor Personalkürzungen zudem anheizt, ist die Tatsache, dass Berlins Lehrkräftemangel in 2022/23 dramatisch bleibt und im Falle von Kürzungen weniger auffiele. Denn je weniger Lehrkräfte wegen der Haushaltskürzungen eingestellt werden dürfen, desto kleiner würde im Sommer die Lücke der offenen Stellen.

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Mit anderen Worten: Wenn statt 2500 beispielsweise nur 2300 Stellen neu besetzt werden dürften, wäre der Mangel etwas leichter zu beheben. Vor diesem Mangel, der dieses Jahr angeblich mangels Absolventen noch dramatischer wird als in den Vorjahren, geht in der Bildungsverwaltung "die Angst um", wie es heißt. Es ist nämlich völlig ausgeschlossen, dass Berlin genug Lehrkräfte findet. Schon im Vorjahr blieben rund 500 Stellen frei – obgleich im großen Stil auf Quereinsteiger und „sonstige“ ungelernte Lehrkräfte zurückgegriffen wurde.

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Zwar können neuerdings wieder junge Lehrkräfte ihren Beamtenstatus aus anderen Bundesländern nach Berlin mitbringen. Zwar will Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) erreichen, dass auch die frisch ausgebildeten Berliner Referendare zum Sommer eine Verbeamtung zugesichert bekommen. Aber selbst, wenn ihr die Koalition darin folgt, wird es nicht reichen, denn der Bedarf kann mangels Nachwuchs nur zu einem Bruchteil gedeckt werden.

Wo Kürzungen letztlich ansetzen werden - ob bei der Sprachförderung, der Vielfalt der Oberstufenkurse oder eher "unauffällig" bei der Vielzahl von Projekten, ist noch nicht bekannt.

[Lesen Sie mehr bei Tagesspiegel Plus: Finanzsenator Wesener im Interview: „Die Pandemie hat Berlin drei bis vier Milliarden Euro pro Jahr gekostet“]

Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) hatte vergangene Woche im Tagesspiegel-Interview versichert: "Auch bei der Bildung wird weder bei den Investitionen noch beim Personal gespart. Der Löwenanteil der neu geschaffenen Stellen fällt in den Bereich Schule." Zugleich warnte er jedoch davor, "mit vollen Händen" Geld auszugeben, "das wir zukünftig gar nicht haben". Generell solle es keine Einsparungen geben, sondern eine Begrenzung von Ausgabensteigerungen - etwa bei Personal- und Sachkosten.

Die Bildungspolitiker der Koalition wollten die Befürchtungen der Verbände nicht kommentieren, da ihnen der Haushaltsentwurf noch nicht vorliege. Er soll am Dienstag im Senat beschlossen werden. FDP und AfD warnten am Montag vor Kürzungen im Bildungsbereich, nachdem sie von den Befürchtungen der Verbände erfahren hatten.

Erinnerungen an die Sparjahre werden wach

Der seit rund zehn Jahren herrschende Dauerzustand der Personalnot setzt Berlins Schulleitungen unverändert zu, wenn sie auch gelernt haben, damit umzugehen und notfalls auch Lehrerstellen in Stellen für Logopäden oder andere Experten umzuwandeln. Nun aber drohen zusätzlich Kürzungen, und das weckt in den Schulen die Erinnerung an die vielen Legislaturperioden des Spardrucks.

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Diese rund 15-jährige Sparphase lief erst seit 2012 langsam aus. Bis heute leiden die Schulen unter den Nachwirkungen der Sparpolitik, denn damals wurden kaum Lehrkräfte eingestellt, sondern zur Abwanderung gezwungen. Auch die Verrottung der Schulen, deren Sanierung nun so viel Geld verschlingt, stammt aus dieser Zeit – ebenso wie veraltete Lehr- und Lernmittel, fehlende WLAN-Verkabelungen, ausgebliebene Breitbandanschlüsse und vieles mehr.

Die Erinnerung an all diese Szenarien kommt zurück, wenn die Schulleitungen nun von neuerlichen Einsparungen hören – und das vor dem Hintergrund der kaum überstandenen Pandemie, die immense Lernlücken und psychische Probleme zurücklässt.

Daher heißt es im Appell der Schulleitungen, dass die Schulen „vor großen Herausforderungen“ stehen. Darüber hinaus müssten sie ihren Schulen wieder „eine Vision mit Blick nach vorn in die Zukunft geben“ und die Schülerschaft „befähigen, mit Krisen umzugehen und sogar ihren Beitrag zu leisten, sie zu bewältigen“. Dazu brauche man „ alle denkbaren – auch finanziellen – Ressourcen“.

Unterschrieben ist der Brief von den Verbänden der Berufs-, Sekundar- und Gymnasialleitungen sowie von der Interessenvertretung der Berliner Schulleitungen und den GEW-Schulleitungen.

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