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Stefan Evers (CDU), Senator für Finanzen

© dpa/Annette Riedl

Exklusiv

„Holter-die-Polter-Verfahren“: Berlins Finanzsenator kritisiert Bundesfinanzminister Lindner

Die Abstimmung zum Wachstumschancengesetz sei zu knapp, schreibt Stefan Evers (CDU) in einem Brief an Christian Lindner (FDP). Dabei brauche es die Expertise der Länder.

| Update:

Berlins Finanzsenator Stefan Evers (CDU) kritisiert in einem Brief an Bundesfinanzsenator Christian Lindner (FDP) dessen Abstimmungsverfahren zum Wachstumschancengesetz. Der Finanzminister habe den Ländern gerade mal eine Woche für eine Stellungnahme zum 275-Seiten-umfassenden Gesetzesentwurf eingeräumt, dies sei zu kurz.

Dem Entwurf nach sei mit Mindereinnahmen von insgesamt 6,66 Milliarden Euro zu rechnen. „Für die angesichts einer solchen finanziellen Größenordnung gebotene Tiefenprüfung reicht die von Ihnen eingeräumte Frist jedoch nicht aus“, schreibt Evers in dem Brief, der in dieser Woche an den Bundesfinanzminister ging und dem Tagesspiegel vorliegt.

Einen Entwurf für das Wachstumschancengesetz, das umfassende Steueränderungen vorsieht, hatte Lindner Mitte Juli vorgelegt. Mit dem Steuerpaket sollen Unternehmen entlastet werden und eine Prämie für Investitionen in den Klimaschutz festgelegt werden. Wenn Unternehmen in Energie- und Ressourceneffizienz investieren, soll ein Teil der Kosten vom Staat übernommen werden. Der Bundesfinanzminister will mit dem neuen Gesetz auch die derzeit stagnierende Wirtschaft ankurbeln.

Finanzsenator Evers plädiert für eine angemessene Einbindung der Länder in den Gesetzgebungsprozess. Denn der Bund verfüge beispielsweise nicht über eigene Kenntnisse über „die herausfordernde Arbeit der Finanzämter im Alltag“. Er warnt: „Schnellschüsse, die in der täglichen Praxis der Finanzämter zu Problemen führen, schwächen die Verwaltung.“

Die im Gesetzesentwurf vorgeschlagenen Regelungen seien „ein Sammelsurium unterschiedlicher steuerlicher Maßnahmen“, die zum Teil in den bewährten Gremien der Länder und des Bundes im Steuerbereich noch nicht oder nicht abschließend erörtert worden seien. 

In seinem Schreiben macht Berlins Finanzsenator auch deutlich, dass es nicht zum ersten Mal sei, dass es Unzufriedenheit mit dem Vorgehen des Bundesfinanzministeriums gebe. Bereits in der jüngsten Finanzausschusssitzung des Bundesrats hätten mehrere Länder erneut erhebliche Kritik „an den Holter-die-Polter-Verfahren Ihres Hauses“ geübt. 

Für den Gesetzesentwurf aus Lindners Ministerium hatte es bereits Kritik von verschiedenen Seiten gegeben. Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, hatte Lindner vorgeworfen, mit seinem Vorstoß nicht den richtigen Fokus zu setzen.

Der Deutsche Städtetag hatte vor Steuerausfällen gewarnt - und insbesondere die Änderungen zur Gewerbesteuer in den Blick genommen. Die Grünen hatten kritisiert, dass sechs Milliarden weniger Steuereinnahmen angesichts der bereits angespannten Haushaltslage sehr viel seien. Aus ihren Reihen wurde stattdessen eine „Investitionsoffensive“ gefordert. Ihre Forderung lehnte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai am Samstag mit dem Verweis auf Lindners Gesetzesvorhaben.

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