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Menschen nehmen, anlässlich der Tötung einer jungen Frau in Hannover, an einer Demonstration gegen Femizide teil. Foto: dpa/Moritz Frankenberg

© dpa/Moritz Frankenberg

Hohe Dunkelziffer vermutet: Gewalt gegen Frauen steigt in Berlin und deutschlandweit

Um rund zehn Prozent stiegen die Fälle partnerschaftlicher Gewalt in Berlin im vergangenen Jahr. Die Opfer sind überwiegend weiblich. Und immer ist die Rede von der Dunkelziffer.

Beinahe jeden Tag versucht in Deutschland ein Mann seine Partnerin oder Ex-Partnerin zu töten. Jeden dritten Tag gelingt es. Jede Stunde werden mehr als 14 Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt.

Und Jahr für Jahr wird es mehr. Um 9,4 Prozent sind die Fälle von Partnerschaftsgewalt 2022 gestiegen. Insgesamt gab es in dem Jahr 157.818 Opfer. Mit 80 Prozent ist die große Mehrheit der Betroffenen weiblich. Das geht aus dem Lagebericht „Häusliche Gewalt“ des Bundeskriminalamts hervor, der im Juli dieses Jahres vorgestellt wurde.

Mehr partnerschaftliche und sexualisierte Gewalt auch in Berlin

In Berlin sehen die Daten ähnlich aus. 11.732 Fälle partnerschaftlicher Gewalt verzeichnete die Berliner Polizei im Jahr 2022 – das sind fast zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor. Auch hier waren fast 80 Prozent der Opfer weiblich, wie aus der polizeilichen Kriminalstatistik für 2022 hervorgeht.

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Die Dunkelziffer der Betroffenen dürfte jedoch um ein Vielfaches höher liegen, wie Stefan Strauß, Pressesprecher der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung auf Anfrage des Tagesspiegels erklärt. „Partnerschaftliche Gewalt unterscheidet sich von anderen Gewaltformen, da diese Beziehungen oftmals aus einem komplexen System von Spannung, Gewaltausübung, Reue und Zuneigung bestehen.“ Viele Betroffene schweigen aus Angst, Scham, Ohnmacht, ökonomischer Abhängigkeit oder wegen gemeinsamer Kinder.

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Frauen wurden 2022 in Berlin mutmaßlich durch ihren Partner oder Expartner getötet.

Ebenfalls stieg die Zahl der Vergewaltigungen, sexueller Nötigung und sexueller Übergriffe. 2022 wurden in Berlin insgesamt 1.739 Fälle registriert, was einem Anstieg von 12,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Auch hier waren die Opfer überwiegend weiblich. Und auch hier ist von einer deutlich höheren Dunkelziffer auszugehen.

Im Jahr 2022 wurden in Berlin außerdem 15 Frauen getötet. In sechs der Fälle habe dabei eine Täter-Opfer-Beziehung aus einer bestehenden oder ehemaligen Partnerschaft bestanden, wie die Innen- und Gleichstellungsverwaltung dem Tagesspiegel im August dieses Jahres mitteilte.

Steigen die Fälle oder steigen die Meldungen?

Ob die gestiegenen Zahlen auf tatsächlich gestiegene Gewalt oder darauf, dass mehr Fälle gemeldet werden, zurückzuführen sind, lässt sich nicht abschließend sagen, erklärt Stefan Straß. Eine mögliche Erklärung sei, dass sich Betroffene oder auch das Umfeld öfter an die Polizei wenden, weil das gesellschaftliche Bewusstsein für häusliche Gewalt seit der Corona-Pandemie stärker geworden ist.

„Gleichzeitig gibt es verschiedene Risikofaktoren für Gewalt, wie beispielsweise schwierige finanzielle Verhältnisse“, so Strauß. „Daher ist auch denkbar, dass die Nachwirkungen der Corona-Pandemie oder auch die seit dem Krieg in der Ukraine stark gestiegenen Lebenshaltungskosten mitursächlich für den Anstieg der Zahlen sind.“

Programme bieten Hilfe für Opfer

Beim Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ (Tel. 116 016) erhalten Betroffene rund um die Uhr Beratung. Unter der Notrufnummer der BIG Hotline (Tel. 611 03 00) kann zudem täglich von 8 bis 23 Uhr Beratung, Unterstützung, Vermittlung von freien Schutzunterkünften sowie eine mobile Intervention angefordert werden.

Die BIG Koordinierung bietet eine fachpolitische Steuerung, Interventionsprozesse, Problemklärungen und Konfliktvermittlungen (Tel. 6170 9100). Berlin hat zudem acht Frauenhäuser und mehrere Zufluchtswohnungen. Diese und andere Hilfsangebote können unter anderem über die Seite der Senatsverwaltung für Gleichstellung eingesehen werden. Die Angebote richten sich auch an trans und nicht-binäre Personen.

Männer, die gewalttätig geworden sind oder Sorge haben, es zu werden, finden Unterstützung beim Berliner Zentrum für Gewaltprävention und beim Verein Volkssolidarität Berlin e.V. Beratung für Männer – gegen Gewalt.

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