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Stefan Evers (CDU, l-r), Generalsekretär, Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Kai Wegner (CDU), Vorsitzender, und Raed Saleh, Vorsitzender der SPD Berlin, unterhalten sich nach den Koalitionsverhandlungen.

© dpa/Christophe Gateau

Große Koalition in Berlin: Warum CDU und SPD gerade so zufrieden miteinander sind

Die Verhandlungen zwischen CDU und SPD in Berlin laufen zügig und ohne große Konflikte. Zu Beginn sah das noch anders aus. Das sind die Gründe für die Stimmungswandel bei den Parteien.

Demonstrativ gut gelaunt treten die Verhandler von SPD und CDU in Berlin seit drei Wochen in die Öffentlichkeit. Die Gespräche liegen voll im Zeitplan, Nachtsitzungen wie bei den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und Linken 2021 bleiben bisher aus.

Es scheint, als sei man in der CDU vor allem froh, nach fast einem Vierteljahrhundert wieder das Rote Rathaus zu besetzen – und in der SPD freut man sich, mehr sozialdemokratische Inhalte als bisher umzusetzen.

Angefangen hatte vor Wochen alles äußerst unterkühlt. Mit eisigen Mienen schritten die Verhandlungsgruppen bei der ersten Sondierungsrunde wenige Tage nach der Wahl am 12. Februar aufeinander zu. Der Wahlkampf war hart gewesen, die CDU-Spitze wollte lieber mit den Grünen regieren, die SPD-Spitze musste sichtbar neue Energie sammeln.

Ich finde es selbst fast schrecklich, aber es lief richtig gut.

Verhandler vom linken Flügel der Berliner SPD zu den Gesprächen mit der CDU

„Die Stimmung war anfangs schlecht, aber das ist dann schnell aufgetaut“, sagt ein führender Verhandler. Die Grünen-Verhandler konnten, so stellt es die CDU dar, dagegen bis zum Schluss nicht zusagen, dass sie Besprochenes in der Partei würden durchsetzen können. Die CDU schwenkte in Richtung SPD.

Vielen SPD-Verhandlern ist seither anzumerken, wie angenehm sie die Gespräche mit der CDU empfinden: Man rede miteinander zielorientiert, ohne Besserwisserei.

Selbst die Verhandler vom CDU-kritischen linken Parteiflügel berichten ähnliches: Mit Linken und Grünen seien viele Debatten festgefahren gewesen, es sei oft nicht mehr um Lösungen gegangen, sondern ums recht haben. „Ehrlicherweise auch bei uns“, sagt eine Sozialdemokratin. Nun gehe es wieder stärker um Argumente. „Ich finde es selbst fast schrecklich, aber es lief richtig gut“, sagte ein Verhandler vom linken Parteiflügel.

Beide Parteien stellen fünf Senatsmitglieder

Die CDU macht es den Sozialdemokraten bisher aber auch leicht: Trotz der zehn Prozentpunkte Vorsprung der Christdemokraten vor der SPD bei der Wahl werden wohl beide Parteien fünf Senatsmitglieder stellen, dafür räumt Franziska Giffey das Rote Rathaus für Kai Wegner.

Auch inhaltlich kommt die CDU den Sozialdemokraten weit entgegen: Das Landesantidiskriminierungsgesetz bleibt ebenso erhalten wie der Landesmindestlohn, mit Milliardeninvestitionen sollen Wohnungen angekauft werden. Mit dem Rahmengesetz zur Vergesellschaftung von Wohnungskonzernen hat es dem Vernehmen nach auch eine Formulierung aus den rot-grün-roten Verhandlungen in den Koalitionsvertrag mit der CDU geschafft.

Das alles hat auch mit dem Mitgliederentscheid in der SPD zu tun: Die Sozialdemokraten konnten der CDU das ein oder andere Zugeständnis mit dem Hinweis auf das noch zu gewinnende Votum abtrotzen. Allerdings geht inzwischen kaum noch jemand in der Partei davon aus, dass der Entscheid am 23. April gegen die neue Koalition ausfällt. Mit bis zu 60 Prozent Zustimmung rechnen führende Sozialdemokraten inzwischen. Von der groß angekündigten Kampagne der Jusos gegen die neue Koalition hört man bisher wenig. In der CDU gilt die Zustimmung auf einem Parteitag ohnehin als gewiss.

Wird Giffey sich wirklich hinter Wegner einordnen?

Fraglich bleibt, wie lange die gute Stimmung anhält: Das schwarz-rote Jahrzehnt in den 1990er Jahren haben viele Sozialdemokraten noch in übler Erinnerung, auch die letzte Auflage der Koalition von 2011 bis 2016 war durch Krisen um die schwierige Aufnahme von Flüchtlingen oder den Flughafen BER geprägt. Beide Parteien verloren in dieser Zeit massiv an Zustimmung. Eine weitere große Frage bleibt, ob und wie sich Franziska Giffey hinter den künftigen Regierenden Bürgermeister Wegner einordnen wird.

Die SPD-Politikerin hat trotz der deutlichen Wahlniederlage offenbar nur kurzzeitig an Selbstbewusstsein eingebüßt: „Mein eigenes Vorbild ist Anke Rehlinger im Saarland“, sagte sie im Tagesspiegel-Interview.

Rehlinger hatte 2022 als SPD-Ministerin in einer Koalition mit der CDU nach der Wahl eine absolute Mehrheit erhalten. Giffey will ebenfalls aus dem Senat heraus in drei Jahren wieder angreifen, sagt sie – zumindest, falls ihre Partei das noch ein drittes Mal zulassen sollte.

Doch das alles sind Fragen der Zukunft. Am kommenden Montag wird, nach allem, was man weiß, pünktlich der neue Koalitionsvertrag vorgestellt. Anders als 2021 bleibt den Verhandlern wohl sogar Zeit für Textarbeit. Bis dahin wird auch der einzige Aufreger der Verhandlungen fast vergessen sein: die Einführung von Religion als möglichem Wahlfach an der Schule. Eine Angleichung an Regelungen in fast allen anderen Bundesländern, die zumindest noch zum Mini-Aufreger im politischen Berlin taugt. Zu mehr aber auch nicht.

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